Der Gang am Fluss wirkt in diesen Tagen fast gespenstisch. Die stürmische Witterung und die beschleunigte Oberflächenströmung in Folge der heftigen Regenfälle -Treibgut mit sich führend, tragen wohl zu diesem Eindruck bei. Aber auch die Nässe, die diesige Aussicht und – nicht zuletzt – die zahlreichen Weidenstümpfe am Flussrand. Tatsächlich wurden sämtliche Weiden, unabhängig von Alter und Größe, radikal am Stumpf kurz über dem Boden abgesägt. Darunter sind auch Exemplare mit sehr starken Stämmen und sehr viele Weidenbüsche mit vielen kleinen Stämmen. Natürlich sind sie in der Lage, sich zu regenerieren und aus dem Stock auszuschlagen. Aber diese Maßnahme war eben nicht Ausdruck einer Wertschätzung der Weiden und ihrer reichen Symbolik, sondern einfach nur eine Arbeitserleichterung. So hat man eine ganze Weile seine Ruhe und der nächste Durchgang wird erst in schätzungsweise fünf Jahren wieder nötig sein. Für mich verbindet sich mit den Weiden ein ganzes Spektrum an Assoziationen und Implikationen. In die Kategorie der Nutzhölzer wird sie wohl niemand einreihen. Tatsächlich sind sie zu fast gar nichts zu gebrauchen. Selbst der Holzofen stöhnt bei der Beimischung von Weidenholz, was eigentlich nur verglimmt und nicht wirklich brennt. Für kunsthandwerkliche Dinge ist es gar nicht zu gebrauchen und auch in der Möbelindustrie wird es nicht verwendet. Selbst die Perlen für Lebensbaum-Armbänder sind sehr mühsam herzustellen, was vor allem mit der faserigen Mikrostruktur des Holzes zu tun hat, die bei noch so sorgfältiger Überarbeitung und extrem feinem Schliff vor späterem Aufrauen nicht gefeit ist. Dabei ist das Holz sehr schön, changiert farblich zwischen Weiß und gelb-rötlich, in Teilen sogar braun. In Öl getränkt lässt es die symbolische Stärke und energetische Ausstrahlung der Weide als Baum erahnen. Der lebende Baum, ob ausgewachsen, blühend oder laubbtragend – oder als Stumpf, auf seinen Wurzelstock reduziert – gehört für mich zu den berührendsten Baum-Individuen überhaupt. Er verkörpert die Differenz-Einheit von Leben und Tot, Hoffnung und Resignation, Aufbruch und Abschied. Ohne Gedanken dieser Art kann ich keine Weide passieren. Und je nach Jahreszeit trägt sie auf diesem symbolischen Grundgerüst noch eine ganze Reihe weiterer Reize zu Tage: ihre flaumigen männlichen Blütenkätzchen, ihr silbriges Laub, ihre silbrig glatte oder bei älteren furchig aufgebrochene Borke. Ihre buschige Wuchsform, ihre Affinität und Freundschaft mit dem Wasser, und Verbindung zum Fließenden. Die Weide ist unfassbar, und gerade das macht ihre Faszination aus.