Die traurige Seite der späten Novembertage

Wir haben an diesem Einundzwanzigsten einen Teil der letzten Gartenarbeiten erledigt. In einer Regenpause, die selten genug geworden sind. Aber das schon größtenteils verrottete Laub der Gartenbäume ist jetzt zur Hälfte in der Grünen Tonne untergebracht und zur anderen Hälfte mit dem Rechen zu zwei großen Haufen zusammengetragen. Viele Blätter fallen jetzt nicht mehr, nur am Ginkgo sind noch einige wenige hängen geblieben, und auch beim Feigenbaum. Aber das Thema Baumherbst ist jetzt schon so gut wie abgeschlossen. Passend zu diesem unwirtlichen Herbsterlebnis mussten heute J. und W. etwas sehr Trauriges verkraften, das sie hoffentlich nicht zu stark belasten wird. Aber das sind eben die Verwirrungen und Verstrickungen des Lebens, zu denen auch solche unverhofften hereinbrechenden traurigen Erlebnisse gehören. In solchen Dingen fällt es dann auch mir schwer, dieser Zeit des natürlichen Abbaus und Rückzugs in der Natur das Positive abzugewinnen, das eben auch in ihm steckt. Nämlich der kommende Frühling, die Wiederbelebung, die im Niedergang schon angelegt ist.

Gartenarbeit und späte Chilis

Einige ausstehende Gartenarbeiten standen heute nach Abschluss des jüngsten Manufakturprojekts auf dem Plan. Aber es werden nicht die letzten für diese Gartensaison gewesen sein. Allein schon, weil die Chilipflänzchen dieses Jahr sehr langsam sich entwickeln und es noch lange dauern kann, bis ich sie in ihre Pflanztröge umsetzen kann. Insgesamt muss das nicht unbedingt mit einer Verzögerung verbunden sein, denn die Chilipflanzen kommen generell sehr spät erst zur Blüte und setzen noch viel später Schoten an, mit einer entsprechend späten Erntezeit. Vielleicht ist diesmal nur der Anfang des Wachstums verzögert und es geht im Anschluss umso schneller voran. Ein Rundgang durch den Friedhof und der Besuch an den Gräbern verstorbener Bekannter war am Nachmittag ein passender Bestandteil dieses wohltemperierten und doch noch leicht schwülen Sommertages.

Verschmolzene Wahrnehmung

Die Ruhe dieses Sonntags passte zum Sonntag ebenso wie zu dieser Krisenzeit, in der fast jeder Tag insofern wie Sonntag wirkt. Am Nachmittag habe ich M. zum Friedhof begleitet, nach längerer Zeit einmal wieder, auf dem ebenfalls sehr wenige Besucher zu sichten waren. Aber für den Besuch an den Gräbern von lieben Bekannten und Verwandten ist das eher angenehm. Und so konnten wir uns in Ruhe an die gemeinsame Lebenszeit mit diesen Menschen erinnern, im kühlenden Schatten der Kiefern, Hainbuchen und Roteichen, die zwischen den Gräberfeldern wachsen. Tatsächlich weisen diese schon teilweise alten Bäume mir oft den Weg, wenn es darum geht, eine Grabstätte zu finden. Wie Erinnerungsmarken, die stets an derselben Stelle die Verstorbenen täglich an ihrer Ruhestätte begleiten und mit ihnen in der Wahrnehmung verschmolzen sind.

Ein Wochenende der Herbstsymbolik

Heute hat sich bestätigt, dass der Zeitpunkt für die Gartenarbeiten und die Wintervorbereitung gestern genau richtig getroffen war. Denn der Nachtfrost war deutlicher als zuvor in diesem Herbst und die fast schon klirrende Kälte hielt den ganzen Tag an. Auch die letzten Baumblätter sind dem Frost jetzt zum Opfer gefallen und die bereits entfernten Pflanzen hätten unter dieser Kälte sicher die letzte Lebenskraft verloren. So haben wir den Samstag gut genutzt, um an diesem Sonntag etwas Freiraum für anderes zu haben, was liegengeblieben war, diesmal mit weniger körperlicher Anstrengung. Atmosphärisch war das heute ebenfalls passend für den Gedenktag, dem bereits 1920 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ins Leben gerufenen Volkstrauertag. Für uns immer wieder ein Anlass, uns in deutscher Perspektive an die geschichtlichen Wurzeln und heutigen Ausformungen der Auswirkungen von Krieg, Gewalt und Terror zu erinnern.

Geteilte Gegenwart

Ks Trauerfeier war sehr würdig und eindrucksvoll, auch weil viele aus seiner Familie, viele Freunde und Bekannte aus verschiedenen Regionen zusammengekommen sind, seiner gedachten, ihm musikalisch die letzte Ehre erwiesen oder etwas über ihn und sein Leben zu unterschiedlichen Zeiten erzählten. Die kirchliche Zeremonie wurde dann auch nicht wirklich vermisst. Ich freue mich, durch das reproduzierte Porträtbild auch einen kleinen Beitrag zur Gestaltung der Feier geleistet zu haben, wodurch sich die Anwesenden ihn sich auch bildlich wieder vor Augen halten konnten. Es war doch spürbar und den Angehörigen sicherlich ein Trost, dass von den Menschen etwas bleibt, was für die Hinterbliebenen nie an Bedeutung verliert, was sie immer begleitet und deren Leben ebenfalls erst vollständig macht. Es ist dieses Ewige, das sich in anderen Sphären auch irgendwann wieder zu Gunsten einer geteilten Gegenwart auflösen kann.

Ein letzter Dienst

Was für ein langer Arbeitstag. Aber am Ende bin ich nicht nur froh, das lange Recherchegespräch absolviert zu haben. Vor allem freue ich mich, K. einen letzten Dienst erweisen zu können. Eine persönliche Erinnerung, von der ich hoffe, dass sie auch in guter Qualität produziert werden wird. Wir können uns ihn auf diese Weise noch einmal vergegenwärtigen und die Angehörigen haben zudem eine bleibende bildhafte Erinnerung. Nach so viel Projektarbeit und emotionaler Beteiligung ist das Wochenende willkommen. Morgen werde ich V. vorschlagen, dass wir den Brennholzvorrat für den kommenden Winter in ofengerechte Formate sägen. Dann ist der Stapelplatz wieder frei und V. ist in der Hinsicht beruhigt.

Meine Trauer um K.

Der Tag war vom Morgen an von gedämpfter, melancholischer Stimmung geprägt. Wie so häufig, ohne dass ein Grund dafür zu erkennen gewesen wäre. Die völlig unerwartete Nachricht am späten Nachmittag, dass K. gestorben ist, war wie eine nachträgliche Bestätigung dieser Stimmung und hat uns unglaublich getroffen. Es sind gerade einmal 3 Wochen her, dass wir ihn zuhause besucht haben. Ein letztes Wiedersehen, wie wir jetzt wissen, was wir damals aber nicht absehen konnten und auch nicht wollten. Denn wir hatten den nächsten Besuch schon avisiert, K. wollte diesmal zu uns kommen, in der Adventszeit, weil er sich an die besondere weihnachtliche Atmosphäre bei uns erinnerte und dabei einen Nachmittag mit uns verleben wollte. Dazu kann es jetzt nicht mehr kommen, und ich hätte mir gewünscht, ihnen nach dem letzten Besuch noch einmal zumindest gesprochen zu haben. So war in den letzten Wochen seine Familie bei ihm, die wie er so oft betont hatte, sich in den vergangenen Jahren rührend um ihn gesorgt hatte. Ein Trost immerhin, der aber diesen unfassbaren Verlust nicht ungeschehen macht und uns mit großer Traurigkeit zurücklässt. Ich schätze, das ist gar nicht in seinem Sinne. Deshalb will ich mich bemühen, all das Schöne und Innige zu vergegenwärtigen, das sich in unseren letzten Begegnungen offenbart hat und sicher immer eine engere Verbindung zwischen uns bestehen lassen wird.

Lebendige Eindrücke und Reminiszenzen

An diesem Samstag hatte ich zunächst die Möglichkeit, meiner früheren Lehrerin die letzte Ehre zu erweisen. Sie gehörte zu den Pädagogen, die bei mir wirklich einen positiven Eindruck hinterlassen haben. Wenn ich an alte Lehrer denke, ist sie jedenfalls immer die erste gewesen, an die ich dachte. Es war diese unkonventionelle, die Eigeninitiative fördernde Form von Unterricht, die damals zusätzliche Energien freigesetzt hat. Ich denke, auch die damaligen Kollegen sahen und sehen das ähnlich. Schade, dass der Kontakt nun schon sehr lange nicht mehr bestand. Die gemeinsame Lebenszeit, das Stimmige darin und seine Wirkungen auf das Leben aber bleiben. Dem Leben im Garten habe ich mich am Nachmittag wieder zugewandt. Es war jetzt der Freiraum, die wuchernde Efeuhecke zurückzuschneiden. Zum wiederholten Mal für dieses Jahr. Und das Unkraut rund um die Sonnenblumen, Mohnblumen und die anderen Sommerstauden des Gartens zu beseitigen. Auch das Stammgerippe der Stechpalme habe ich endlich aus der Erde gehebelt. Schweren Herzens, wie ich auch vor einige Wochen nur schwer akzeptieren konnte, dass der Baum keine Chance mehr hat. Woran es lag, konnte ich auch nach der genauen Betrachtung des Wurzelstocks nicht erkennen. Teile des Splintholzes direkt unterhalb der Erdoberfläche waren zwar offensichtlich morsch. Aber die Vermutung, eine Wühlmaus könnte die Rinde im Wurzelbereich kreisrund abgefressen und dem Baum so den Nährstofftransport abgestellt haben, war so nicht zu identifizieren. So bleibt das Ganze ein Rätsel. Und der Garten hat einen markanten Baum weniger. Wir sind noch nicht sicher, ob er ersetzt werden soll.

Um Gartenbäume bangen und trauern

Ausgerechnet am Feiertag werden wir das erste Wettertief der letzten Tage erleben. Für die Pflanzen ist das natürlich eine Erholung, und wir sparen uns einmal das Gießen. Den Wassertank dürfte es auch wieder auffüllen. Nachdem wir das Reservebecken, das kleine Springbrunnenbecken im Zuge der Rund ums Haus Reinigungsaktion habe ablaufen lassen, ist der Tank erst einmal die einzige Regenwasserquelle, deshalb sind einzelne Tage mit anhaltendem Regen vorteilhaft. Was die Gartenbäume angeht, mache ich mir Sorgen eigentlich nur noch um den kleinen Feigenbaum, der sich ja nicht so entwickelt hat, wie wir das im Vorjahr vorauszusagen glaubten. Er wird Durchhaltevermögen zeigen müssen. Oder eben aus einem im unteren Stammabschnitt ausgetretenen Seitentrieb einen Neuanfang versuchen müssen. Die Stechpalme, ein Jammer, ist dagegen wohl endgültig verloren. Ich weiß nicht genau, ob es Sinn macht, sie noch länger an ihrem Platz zu belassen. Allerdings vermute ich, dass der Baum im Wurzelbereich so geschädigt ist, vermutlich durch kreisrunden Rindenfraß, dass er einfach nicht mehr regenerationsfähig ist. Das tut mir in der Seele weh, hat gerade dieser Baum in einer Ecke des Gartens immer eine solche Robustheit und Stärke ausgestrahlt. Ich hätte niemals gedacht, dass er so verletzlich sein könnte. Irgendwann werde ich die Ursache genau kennen. Spätestens, wenn wir ihn ausgegraben und die Wurzel genauer unter die Lupe genommen haben.