Starke Verbündete

Es scheint, dass das Ende der Fastnacht und der heutige Beginn der Fastenzeit wieder einmal verbreitet als willkommener Anlass für eine erneute Auszeit angesehen werden. So lässt sich die laufende Woche ganz gut verbummeln, ohne Neues angehen zu müssen. Auf mich wirkt diese Feier- und Auszeit-Kultur inzwischen befremdlich. Nicht wegen der Auszeiten selbst oder ihrer Anlässe, deren Pflege ich ausdrücklich begrüße. Nein, weil das Verhalten vorher und nachher wie eine Flucht zu sein scheint. Als wenn das Bedürfnis, möglichst wenig von der aktuellen Wirklichkeit an sich heranzulassen, zu einer Grundeinstellung geworden ist. Ich hoffe, es ist tatsächlich nicht ganz so, und auch nicht unwiderruflich in dieser Form. Denn, was wir einmal als erwartbar und richtig empfunden haben, sollte nicht einfach verschwinden – nur wegen unbegreiflicher Wendungen in Gesellschaft, Politik und Kultur. Die haben etwas zu bedeuten, aber wir müssen sie auch aktiv verarbeiten und durchdenken. Anders machen Krisen- und Schreckenserfahrungen keinen wirklichen Sinn. Die Reflexion über Symbolhaftes und speziell die Symbolik der Bäume ist für mich auch keine Flucht, sondern im Gegenteil ein Ansatz, gerade sich ehrlich und unvoreingenommen mit dem auseinanderzusetzen, was uns gegenwärtig widerfährt. Als konstanter, quasi archetypischer Hintergrund der Beobachtung und Reflexion gehören die Bäume zu den stärksten Verbündeten.

Baumcharakter und geistige Klarheit

Es war ein runder Tag, der den Abschluss eines größeren Projekts, einen Ausflug und ein Beratungsgespräch beinhaltete, das irgendwann in eines über geistige Fragen und Erkenntnisinteressen überging. Ganz unverhofft, aber sicher nicht zufällig. Kann man doch mit der nötigen Sensibilität und Intuition schon ganz gut erkennen, ob man es mit jemandem zu tun hat, den ähnliche Themen bewegen. Das sind Dinge, die man zwischen den Zeilen lesen kann, vielleicht an Nuancen der persönlichen Ausstrahlung, der von jemandem ausströmenden Energie ablesen kann, wenn man das kann. Jedenfalls eine interessante Begegnung, die niemals ins Unklare abdriftete, was mir selbst in solchen Dingen wichtig ist. Wie ja auch die Baumthematik, wie ich sie u. a. in diesem Tagebuch in Form bringe, immer ein Höchstmaß an Transparenz und Klarheit der Gedanken erfordert, will sie dem Thema und dem Charakter der Bäume selbst gerecht werden.

In schwieriger Zeit alte Erkenntnisse verinnerlichen

Meine Lektüre der Vortragsmitschriften und Werke Rudolf Steiners habe ich in diesem Jahr sehr vernachlässigt. Es fehlte wohl an der dafür notwendigen Ruhe, ohne die gerade dieser Texte nicht richtig aufnehmbar und verarbeitbar sind. Aber Ms Aufforderung nachkommend habe ich jetzt wieder zwei neue Bände wiederum mit Vortragsmitschriften bestellt, deren Inhaltsbeschreibung spannende Themen verspricht. Ich hoffe, ab der Zeit zwischen den Jahren endlich wieder die Zeit und Muße zu finden, mich in diese Texte zu vertiefen. Ich meine, dass das gerade heute wieder helfen kann, den Horizont zu erweitern. Jedenfalls stelle ich immer wieder fest, dass die z. T. über hundert Jahre alten Äußerungen enorm modern wirken und ähnlich auch heute noch hätten geäußert werden können. Auch wenn man die spezielle Sprache Steiners vielleicht als altmodisch werten würde. Die Themen sind es sicher nicht. In den neuen Texten, die ich demnächst erhalte, geht es wieder um seine Kunstauffassungen und um andere spannende Themen, die mehr mit der Menschen- und Welterkenntnis im Allgemeineren und mit speziellen Fragen in der spirituellen Erkenntnis im Besonderen zu tun haben.

Was wir im Angesicht des Weihnachtsbaums erfahren

Ganztägige Ausflüge wie gestern wirken sich dann gleich auf die Aufgabenplanung aus. Natürlich sind solche Anlässe schön und wichtig, aber nachher gibt’s dann vieles nachzuholen, das Wochenende wird damit überladener, als man sich das um diese Zeit des Jahres wünschen würde. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass wir die Aufgaben, die uns die Wochen vor Weihnachten noch stellen, auch in guter Qualität und bewusst wahrnehmen und erfüllen werden. Weihnachten ist für unsere Familie in dieser Zeit auf verschiedenen Ebenen ein auch die Gespräche bestimmendes Thema. Darüber bin ich sehr froh, weil es meine Affinität zum bewussten Wahrnehmen und Einsetzen symbolischer Formen unterstützt. Weil im Wahrnehmen dieser Formen so etwas wie eine Familientradition begründet ist. Das verbindet untereinander und mit allen, die ähnlich ausgerichtet sind. Es verbindet aber vor allem mit den geistigen Grundlagen dahinter und damit jeden Einzelnen von uns mit der ihm zugeordneten geistigen Quelle. Es ist eigentlich das, was wir oft ganz unbewusst, aber auch unbewusst sehr sicher im Angesicht des Weihnachtsbaums später in uns erspüren, diesen Funken, den die Lichter und der Glanz des Weihnachtsbaums, insbesondere in den längsten Nächten des Jahres, in uns entfachen und der uns ganz besonders in diesen Feiertagen und -nächten wieder ursprünglich und ganz werden lässt.

Spirituelle Nähe und Kontrast

Die heute fertiggestellte Partner-Kombination von Eibe und Pappel verspricht ein sehr dekoratives Ergebnis zu bringen. Auch ein wichtiger Punkt. Aber es ist natürlich die Zusammenstellung der beiden Bäume und ihres Holzes, das besonders spannend erscheint. Zwei Arten, die eindeutige Bezüge zur spirituellen Ebene aufweisen und diese Bezüge auf unterschiedliche Art ausfüllen. Interessant, dass sie äußerlich so unterschiedlich sind, fast weiß und intensiv orange-braun. Ein toller Kontrast, der besonders in der alternierenden Anordnung zur Geltung kommt und aber die deutliche Nähe der Arten zueinander nicht kaschieren will.

Frühlingshafte Fahrt durch ein unbekanntes Land

Eine interessante Fahrt durch ein für mich bisher von Orten direkt hinter der Grenze bekanntes Land füllt diesen schönen, warmen und sonnigen Frühlingstag aus. Viel Autobahnfahrt, aber nicht so viel wie erwartet, denn die endete auf halber Strecke und ging dann in Landstraßen über, was mir das Land und seinen Charakter natürlich eindrücklicher vermitteln konnte. Auch der Zweck des Besuchs konnte vollständig und zufriedenstellend erfüllt werden. Bei dem kurzen Abstecher im Anschluss an den Termin zum nahegelegenen am Waldrand liegenden Kloster ging es mir um meinen Namenspatron, den heiligen Bernhard von Clairvaux. Allerdings muss ich noch herausfinden, ob das Kloster etwas mit dem Heiligen zu tun hat oder unabhängig davon existiert. Ich vermute eher letzteres, denn ein Gefühl der persönlichen Anrührung hat sich bei diesem Besuch, der eine Besichtigung von außen war, nicht wirklich eingestellt. Ein sehr ruhig gelegener Ort am Wald, aus dem die Vögel zwitscherten – da könnte man schon an Bernhard v. Clairvaux denken, da ja durch seine vielfältigen Sinnsprüche bekannt ist, die sich auf Bauernkalendern, in Gedichtbänden und spirituellen Anthologien finden. Aber wie gesagt, wie da was räumlich zusammenhängt, das werde ich im Nachhinein noch genauer beleuchten.

Was uns die Weihnacht in Krisenzeit bedeuten kann

Nach dem Festtag gestern war dieser heutige Vorweihnachtstag eher unruhig. Auch wenn die Menschen sich bereits eingeigelt zu haben scheinen, wegen des erzwungenen engen Bewegungsradius und der empfohlenen Beschränkung von Kontakten, liegt doch eine unzufriedene Unruhe in der Luft. Nicht nur wegen der zurückliegenden Monate, die für alle etwas Erschöpfendes hatten. Auch wegen der Auflagen über die Feiertage kann sich Weihnachten 2020 nicht wie sonst anfühlen. Man kommt wohl nicht umhin, auch an diesem besonderen Feiertag die sozialen Beziehungen in einer Weise im Blick zu behalten, die Weihnachten nicht angemessen scheint. So werden wir einen Weg finden müssen, eine solche Traditionsbremse auszuhalten und die starke Symbolik, emotionale Tiefe und spirituelle Essenz des Festes trotzdem und gerade deshalb in uns stark werden zu lassen. Es würde ansonsten etwas Wichtiges fehlen, das gerade mit Blick auf den Neustart im kommenden Jahr für die Seelen von so großer Bedeutung ist. Möge die vielen Weihnachtsbäume in den Wohnstuben, die vielen vegetabilen Zeugen der Weihnachten in unserem Umfeld dazu beitragen, dass uns diese an die Tage um die Wintersonnenwende geknüpfte Verinnerlichung gelingen kann.

Eine ermutigende Beobachtung

Das mit den Erkältungen ist für diesen Winter noch nicht ausgestanden. Dabei ahnt man schon, dass die ganz kalten Tage und Nächte schon hinter uns liegen. Es wird wohl wechselhaft weitergehen, mit einigen Ausbrüchen nach unten und oben, aber tendenziell ist die Jahreszeit im Wechsel begriffen. Das kann man atmosphärisch spüren. Und so glaube ich auch eine gewisse produktive Unruhe bei vielen feststellen zu können, bevor die Bäume erstes Grün tragen. Es scheint, dass die Menschen in Sachen Intuition und Vorahnung dazugelernt haben und wir solches nicht mehr allein am Zugverhalten der Vögel oder dem Aufleben der Frühblüher ablesen müssen. Ohne solche Beobachtungen wäre ich zuletzt eher geneigt gewesen, die aktuelle Menschheitsentwicklung als fortschreitenden Rückschritt einzuschätzen.

Menschen und Pflanzen – eine Entwicklungspartnerschaft

Sehr froh bin ich, während dieser Feiertage genügend Zeit und Ruhe für die Lektüre der Beiträge Rudolf Steiners zu den Jahreskreisfesten gefunden zu haben. Da u. a. auch Ostern thematisiert wird, war das zudem zeitlich sehr passend und besonders eindrücklich, am deutlichsten dabei der Vortrag zum Thema Ostern, der ebenfalls am Ostersonntag, 1. April, nur eben 95 Jahre zuvor in Dornach, Schweiz, von Steiner vor Mitglieder der anthroposophischen Gesellschaft gehalten wurde. Die zuletzt gelesenen Texte von 1923 gehören in den Bereich des Spätwerks, wenn man so will, bzw. der ausgereiften und sehr ausgefeilten und von Erfahrung gesättigten Lehren Steiners. Darin deutlich spürbar ist ein gewisser pädagogischer Ton, der Anspruch, Spuren zu hinterlassen, alltagstaugliche Anleitungen zur praktischen Weiterentwicklung der anthroposophischen Weltanschauung und Lebensweise zu geben. Ich finde das besonders anrührend, weil ein echtes Interesse, an wirkliches Überzeugtsein von der eigenen Lehre darin zum Vorschein kommt. Mit Themen, die auch zu seiner Zeit nicht sehr populär gewesen sein dürften. Und derart detailreich und thematisch weitgreifend, riesige Bögen spannend, ungeahnte Zusammenhänge aufdeckend, dass es einen mit Ehrfurcht und Bewunderung erfüllen muss. Er muss zwei Jahre vor seinem Tod bereits geahnt haben, dass es mit der Weiterführung seiner Lehre zumindest schwierig werden würde. Dass möglicherweise nicht so viel von seinen Erkenntnissen in die Lebenspraxis seiner Zuhörer und Gefolgsleute bis dahin eingeflossen war. Umso dringlicher die Appelle, Anthroposophie praktisch zu verstehen und eine tatsächliche geistige Entwicklung, einen Fortschritt durch disziplinierte Anstrengung auf anthroposophischem Gebiet anzustreben. Vieles davon erscheint mir 100 Jahre später nicht weniger wichtig und aktuell wie damals. Selbst die Sprache Steiners in diesen letzten Lebensjahren war merkwürdig modern und von heutiger kaum noch zu unterscheiden. Wenn dann gerade in diesen zuletzt gelesenen Vortragsmitschriften u. a. von einer Art Lebens- und Entwicklungspartnerschaft zwischen Menschen und Pflanzen ihrer Lebenswelt zu Rede ist, sehe ich mich einmal mehr in der Beschäftigung mit diesem historischen Gedankengut bestätigt. Dass die eigenen geistigen Entwicklungsbemühungen auch Auswirkungen auf die Pflanzen hat, denen menschliche Aufmerksamkeit und Beobachtung zuteil werden, das ist mir intuitiv aus meinen Wunschbaum-Projekten seit vielen Jahren vertraut. Eine geisteswissenschaftliche Hintermauerung zu studieren kann helfen, die eigenen Betrachtungsweisen, Erkenntniswege und Entwicklungen zu bestärken und ein Stück weit zu kontrollieren.

Ostern, Jahreskreis und geistige Verortung

Bis auf das Wetter, das so gar nicht passte, durften wir einen schönen Osterfeiertag verbringen. Schön für mich, weil er die Ruhe und Feierlichkeit mit sich brachte, die ich traditionell mit christlichen Feiertagen verbinde. Die fühlen sich für mich grundsätzlich anders an als normale Tage und auch wie nicht feiertägliche Sonntage. Wenn ich Rudolf Steiners zahlreiche Vorträge zu eben diesem Zusammenhang nachlese, nämlich zur Bedeutung von Fest- und Feiertagen im Jahresverlauf, der uns das bewusste Erleben und Miterleben der Veränderungen in der Natur und unserer Rolle im dem Ganzen ermöglicht, dann sehe ich mich mit diesem Langzeitthema bestätigt, das ich so häufig und auch gerne im Baumtagebuch, in Gesprächen und auch in meiner Projektarbeit aufgreife, ausarbeite und für die je aktuelle Situation fruchtbar zu machen suche. So ist es kein Zufall, dass ich vor vielen Jahren die Bäume als Lebenssymbol für mich entdeckt habe und daraus ein eigenes Lebensthema gemacht habe. Sie stehen als prominente Repräsentanten und Spiegel dieser Prozesse und Zusammenhänge, aus denen wir bei bewusster Wahrnehmung sehr viel über uns selbst und unsere geistige Verortung und Entwicklung hinzulernen – oder besser: wieder neu verstehen lernen – können.