Klimawandel und erschüttertes Urvertrauen

V. hat jetzt auf seinem Bienenhausstück doch noch eine etwas größere Menge reifer Weintrauben vorgefunden und begonnen, sie zu lesen. Ich schätze, das wird eine der letzten Baumobsternten dieses Jahres sein. Es gibt nur noch einen recht gut tragenden Birnbaum, dessen Früchte erst gepflückt werden müssen. Dann wird ein langer Winter folgen, währenddessen das Thema der Baumgehölzpflege und Baumobsterträge immer weiter verblassen wird. Es ist diese zyklische Bewegung hinaus in Richtung des Kosmos im Verlauf des Frühjahrs und Sommers im Wechsel mit der Rückzugbewegung – ins Haus und bei den Pflanzen in die Erde bzw. die Wurzelbereiche. Uns würde etwas Wesentliches fehlen, könnten wir diesen vegetabilen Kreislauf, in dem sich Erde und Kosmos aufeinander beziehen, nicht mehr erleben. Tatsächlich stellt der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung auch für diese früher so selbstverständliche Wahrnehmung der Jahreszeiten dar. Die Unterscheidbarkeit der Jahreszeiten geht allmählich verloren. Und innerhalb einer der Zeiten zeigen sich immer öfter Extremereignisse oder Erscheinungen, die traditionell nicht zu der Zeit passen. Das Verschwinden oder Verwischen der Jahreszeiten sehe ich als eines der größten Katastrophen unserer Zeit an. Weil es mehr ist als nur ein Klimaphänomen. Unsere Selbstwahrnehmung und unsere kulturellen Grundlagen sind dadurch ebenso gefährdet und in ihrem einstigen Urvertrauen erschüttert.

Vom Prozess des Naturlebens abgekoppelt

Das ist ein extremer August, der so gar keine Ähnlichkeit selbst mit den durchaus markanten Augustmonaten der Vergangenheit hat, z. B. während meiner Kindheit. Die regnerisch-gewittrigen Kapriolen mit Kälteeinbrüchen sind nicht nur häufiger, sie sind auch mit deutlicheren Schwankungen verbunden und verlangen der vegetabilen Umwelt genauso viel Anpassung und Flexibilität ab wie uns Menschen. Natürlich wird von solcherart unberechenbar gewordener Ausformung der Jahreszeit auch unsere Naturwahrnehmung selbst, das Verständnis für erwartbare Umbrüche und Wechsel, stark beeinflusst. Es ist das, was ich hier schon häufiger mit dem „Verschwinden der Jahreszeiten“ bezeichnet habe. Auch die Bäume z. B. als Mitlebewesen nehmen wir unter solchen Bedingungen anders war, eher schon in ihrer existenziellen Abhängigkeit von ihrer Umwelt, weniger in ihrer eigenen Entwicklung und dem Entwicklungsstand jetzt am Ende des Hochsommers. Auch da wirken die Bäume als Spiegel, noch stärkere Spiegel als sonst, denn sie werfen ihr eigenes Ausgeliefertsein als Eindruck auf die menschlichen Mitlebewesen zurück und führen diese auf die Spur der immer wieder verwunderten Selbstbeobachtung als Naturwesen, die sich immer mehr von ihrer überlieferten Einbettung in den natürlichen Prozess des Lebens abgekoppelt sehen.

Weihnachten und seine Symbole nicht aus dem Blick verlieren

Nun fliegt die Adventszeit doch wieder davon, wie in den Vorjahren, schon der dritte Advent und eigentlich eine schöne weihnachtliche Stimmung. Wenn nicht dieses eine alles beherrschende Thema wäre. Das wirkt dann nachträglich als atmosphärische Bremse und lässt inzwischen jeden mit Ratlosigkeit zurück. Schwer, in der Situation in die Zukunft hinein zu planen, Vorhaben mit Elan weiterzubringen, Neues zu beginnen, wenn man das Gefühl hat, es gibt gerade Grundlegenderes. Ob das so ist kann auch außerhalb von Verschwörungsgedankengut sicher einschränkend bezweifelt werden. Mir scheint, das Grundlegende liegt doch auf einer anderen Ebene und ist eher in der weihnachtlichen Tradition und ihren Symbolen zu finden, in allem, was dies für unser geistiges Leben und unseren Lebensplan, die Selbstwahrnehmung und persönliche Entwicklung bedeutet. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren, sondern sogar verstärkt in den Blick nehmen. Eine meiner persönlichen symbolischen Vermittler ist immer schon der Weihnachtsbaum gewesen. Ich hoffe, ihn noch vor dem angekündigten Herunterfahren der Wirtschaft besorgen zu können. Sonst stehe ich möglicherweise auch noch beim Weihnachtsbaumhändler vor verschlossenen Türen – kaum vorstellbar.