Geistige Freiheit und die Sehnsucht nach dem Fraglosen

Endlich einmal wieder ein Arbeitstag, der an früher Selbstverständliches und Gewohntes anknüpfen konnte. Das ist für das Gefühl einer Kontinuität wichtig, auch und gerade wenn die Rahmenbedingungen, die gesamte Atmosphäre, in dem das Arbeiten stattfindet, mit Nichts aus der Vergangenheit vergleichbar scheint. Aber gefühlte Konstanten schaffen eben Sicherheit und geben Perspektiven, deshalb bin ich für jede Gelegenheit dankbar, die vermeintliche Normalität wieder herzustellen in der Lage ist. Das Konstante, Zeitlose ist es ja auch, was mich rund um die Bäume, ihre Biologie, Symbolik und Ästhetik so fasziniert. Unvergleichlich an den Bäumen ist, wie eindrucksvoll sie es schaffen, das Allgemeine, nämlich die Zugehörigkeit zu einer Art, in einer individuellen Einzigartigkeit zu verkörpern, wie es Hermann Hesse einmal sinngemäß dargestellt hat. Und das ist es auch, was wir gewissermaßen von den Bäumen lernen können. Die eigene individuelle Entwicklung vor dem sicheren Hintergrund, auf der Grundlage dessen laufend zu reflektieren, was uns allen als Menschen gemeinsam ist, was unsere gemeinsame Quelle im Übersinnlichen ausmacht. Diesen Zusammenhang im Detail zu durchdringen ist uns anders als den Bäumen aber immerhin grundsätzlich möglich. Schade nur, dass unsere Freiheit im Geiste auch den Verlust der Fraglosigkeit impliziert, die wir im Leben und der Ausstrahlung der Bäume noch so gut beobachten und bewundern können.

An tief liegende Kraftquellen heranreichen

Gut, dass ich das nächste Fotoshooting nicht vorverlegt habe. Denn heute Nachmittag wäre es sehr ungünstig für eine Außenaufnahme vor vegetabiler Kulisse im nahegelegenen Garten der Sinne gewesen, hat doch nach einigen sehr sonnenreichen Tagen die Kühle und Lichtarmut wieder Einzug gehalten. Das wäre dann auch im Freien etwas sehr wenig Sonnenlicht gewesen. Nicht gut für die Belichtung und auch nicht für die Lebendigkeit der Farbdarstellung. So hoffe ich auf eine Rückkehr des Frühsommers in den nächsten Tagen, und darauf, dass wir wieder mehr aufatmen können. Bei so viel Desillusionierung bei den Menschen auf der ganzen Welt, einem solchen Motivationstief brauchen wir die äußere Verstärkung, körperlich wahrnehmbare Unterstützung durch jahreszeitliche Normalität wenigstens beim Wetter. Vielleicht können wir mit Unterstützung des Sonnenlichts ja eher an tief liegende Kraftquellen heranreichen, um zarte Ansätze von positiver Zukunftsorientierung rasch wachsen lassen zu können. Es ist schwer geworden, an etwas Erfahrenes anzuknüpfen, auf bereits Erlebtes zurückzugreifen, um diese Krisenzeit zu meistern und diese Krisenstimmung zu überstehen.

Bewusste Ruhe in turbulenten Zeiten entwickeln

Jetzt geht’s schon dem Ende des Februars entgegen, so schnell ist das noch junge Jahr bereits verflogen, ohne dass man es richtig wahrgenommen hat. Das hat wohl auch mit Fluchttendenzen zu tun, die sich bei vielen breit machen und die darauf zielen, den Wahnsinn unserer Gegenwart nicht ständig durchdenken zu müssen. Am Ende aber kann man ihm doch nicht wirklich entgehen und muss doch individuelle Lösungen suchen, die meist den Charakter von Erfindungen tragen, da es kaum noch Referenzen und die Möglichkeit gibt, auf wirklich Erfahrenes zurückzugreifen. Mir scheint, die Kreativität der Menschen wird gerade überstrapaziert, in einer Weise, die nicht durchgehend Erfolg haben kann. Ich wünsche mir für alle, dass es uns gelingt, die Ruhe in uns selbst zu erzeugen, um auch nach Außen ruhiger und gelassener sein zu können. Wenn es nicht durch die Umwelt von selbst kommt, müssen wir uns wohl aktiv um die Ruhe bemühen. Aber nicht um quasi naive Ruhe, sondern eine, die sich der uns allen innewohnenden ursprünglichen Stärke bewusst ist. Einer Stärke, die von einer gemeinsamen geistigen Quelle zeugt. Die sollten wir in diesen Tagen verstärkt suchen und in uns neu zum Leben erwecken. Analog dem In-sich-Ruhen eines großen alten Baums, der sich seiner gewachsenen Individualität stets bewusst bleibt und doch seine Zugehörigkeit zu einer Art und damit zu einer Gemeinschaft nicht verleugnen kann und will.

Kontakt mit den natürlichen Grundlagen suchen

Es wird so viel über die Krise und ihre Stimmung gesprochen. Und das ist berechtigt, scheint die Situation doch gerade auf ihrem vorläufigen Höhepunkt angekommen zu sein, wenn man von der verbreiteten Lethargie ausgehen will. Wir müssen das jetzt dennoch bewältigen. Und wir müssen versuchen, auf alles zurückzugreifen, was wir im positiven Sinne in den letzten Jahrzehnten hinzugelernt haben. Persönlich, aber auch als Gesellschaft. Vielleicht erfordert es eine ungeahnte Form von Kreativität, bereits Erfahrenes und Verstandenes zum Auflösen von Situationen zu nutzen, die man so nie gekannt hat. Ich wünsche mir, dass das möglichst vielen von uns gelingt und bald so etwas wie eine kritische Masse der besonders Mutigen zur Verfügung steht. Versuchen wir, den Kontakt zu unseren natürlichen Grundlagen nicht zu verlieren und gerade an diese natürlichen Quellen anzuknüpfen, wie sie sich uns z. B. in der Begegnung mit den Bäumen unserer Lebenswelt offenbaren.

Weihnachtslichter und geistiger Quell

Die weihnachtlich beleuchteten Dekorationen an Weihnachtsbäumen, Adventskränzen und -gestecken sind ein wirkliches Highlight in diesen Anfangstagen der Adventszeit. Tatsächlich gibt’s nicht vieles, was dem an Sinnhaftigkeit gleichkäme, sind die Menschen doch fast komplett abwesend, scheinbar krisenirritiert und verzetteln sich im Unbestimmten. Symbolformen, ganz besonders so starke wie solche, die den Sinn der Weihnacht transportieren und im Alltag sicht- und verstehbar machen, sind in der Situation geradezu lebenswichtig. Denn neben den realen körperlichen Bedrohungen sind nach fast zwei Jahren Krise auch die Kommunikationskultur und die innere Verarbeitungskapazität des Erlebten in Gefahr und verlangen uns viel Energie ab, die wir nur aus unserem Innersten heraus holen können, aus dem geistigen Quell, in dem wir alle einen gemeinsamen Ursprung erkennen.

Ein entschlossenes Sowohl-als-auch

Ein Parteienforscher hat es im Zusammenhang mit der Analyse des Wahlergebnisses wieder festgestellt, was wir alle ohnehin wissen: In Deutschland hat sich eine Art coronabedingte Lethargie breitgemacht, die eine Entscheidung noch schwerer macht. Weiter so wie bisher oder ein moderater Richtungswechsel. Oder wie es ein anderer Kommentator aus Österreich formuliert hat, ein entschiedenes Sowohl-als-auch ist eine für Deutsche typische Grundhaltung. Ich schätze, die Unentschlossenheit und Unklarheit bezüglich der Orientierung werden noch eine ganze Weile andauern, auch das kann man nicht überraschend aus dem Wahlergebnis ableiten. Es ist die psychische Verfassung und dahinter stehend die geistige Entwicklung der Menschen, die für mich die eigentliche Baustelle sein und bleiben muss. Und ich bleibe dabei, wenn aus den tagesaktuellen Themen und Herausforderung die Anstöße ausbleiben, sind es gerade die Grundlagenthemen, die stärker und vor allem kontinuierlich Aufmerksamkeit verdienen. An der Arbeit mit diesen Themen, den natürlichen Grundlagen unseres Lebens, den geistigen Quellen des Individuellen, können wir wachsen und uns wirklich weiterentwickeln. Mindestens aber sollten wir an erreichte höhere Entwicklungsstände anknüpfen und die Rückschritte und endlosen Umwege und Schleifen der letzten Jahre hinter uns lassen.

Den gemeinsamen Ursprung erinnern

Zum Ende des Jahres höre ich von verschiedenen Menschen, die ich teils seit Jahren nicht gesehen oder gesprochen habe. Schön zu sehen, wie das Weihnachtsfest seine verbindenden Energien vorausschickt und ein übergreifendes Gefühl von Heimat und Zusammengehörigkeit vermittelt. Tatsächlich ist die Adventszeit, vor allem die Tage unmittelbar vor den Festtagen, für viele die einzige Zeitphase im Jahr überhaupt, die sozusagen ungestraftes Loslassen und zur Ruhe kommen erlaubt. Oder zu der sie sich diese Ruhe glauben erlauben zu dürfen. Die vielen weihnachtlichen Symbole, die von der Lebens- und Wachstumssymbolik der immergrünen Zweige und anderer für die Weihnacht stehenden Pflanzen sowie durch künstliche Lichter, Kerzen und verschiedene christliche Zeichen rund um die Geburt Christi geprägt ausgefüllt sind, bringen die Menschen zusammen. Sie erinnern sie an den gemeinsamen Ursprung als Geistwesen, eng geführt und versinnbildlicht durch das Erinnern der Geburt des Jesus Christus, der als Gott und Mensch zugleich in die Welt gekommen ist, um uns an diesen schon fast vergessenen Ursprung zu erinnern.