Die Zutaten für den Kräuterstrauß

Die Kräuter für die beiden Sträuße an Mariä Himmelfahrt haben wir am Nachmittag schon gesammelt. Nächste Woche wäre es schwierig einzurichten gewesen. Außerdem sind zeitweise Gewitter vorausgesagt, die uns damit einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Wie zu erwarten war, ist die Auswahl diesmal nicht sehr üppig, einfach weil vieles, was für diese Jahreszeit eigentlich typisch ist und normalerweise in den Strauß gehört, auf Grund des extremen Hochsommers schon verblüht oder vollständig vertrocknet ist. Prominentestes Beispiel ist die Königskerze, die zwar in diesem Jahr überall zahlreich und üppig gewachsen ist, aber eben schon abgeblüht ist. Man findet nur noch braune, vertrocknete Stängel, ohne Spuren der gelben Blütenblätter. Bei anderen Arten mussten wir länger suchen. So sind wir froh, vom Rainfarn auf einer Wiese nach ausgedehntem Suchen doch noch genügend Zweige gefunden zu haben, die sich zum Einbinden eignen, weil die sonnengelben Blütenstände noch frisch sind. Auch von der wilden Möhre waren noch einige ganz schöne Exemplare ausfindig zu machen. Eine Rarität, die ich auf einem ansonsten fast vollständig verdorrten Wegrand entdeckt habe, ist der Zweig einer Heckenrose mit einem Schlafapfel. Irgendwie passt das gut, denn auch dem Schlafapfel wird ja nachgesagt, dass den gesunden Schlaf fördert, so man ihn unters Kopfkissen legt. Also auch ein Heilkraut, wenn man so will. Am Ende werden es etwas ungewöhnlich zusammengesetzt Sträuße werden, in denen auch jeweils eine unserer Strohblumen, wahrscheinlich je ein Zweig vom Grünen Heinrich und einer anderen lila blühenden Pflanze aus unserem Garten, deren Bezeichnung ich nicht kenne, vorkommen werden. M. hat schon mal begonnen, alles etwas zu sortieren, damit wir es in den Folgetagen gleichmäßig verteilen und zwei schöne Sträuße daraus binden können.

Menschen und Pflanzen – eine Entwicklungspartnerschaft

Sehr froh bin ich, während dieser Feiertage genügend Zeit und Ruhe für die Lektüre der Beiträge Rudolf Steiners zu den Jahreskreisfesten gefunden zu haben. Da u. a. auch Ostern thematisiert wird, war das zudem zeitlich sehr passend und besonders eindrücklich, am deutlichsten dabei der Vortrag zum Thema Ostern, der ebenfalls am Ostersonntag, 1. April, nur eben 95 Jahre zuvor in Dornach, Schweiz, von Steiner vor Mitglieder der anthroposophischen Gesellschaft gehalten wurde. Die zuletzt gelesenen Texte von 1923 gehören in den Bereich des Spätwerks, wenn man so will, bzw. der ausgereiften und sehr ausgefeilten und von Erfahrung gesättigten Lehren Steiners. Darin deutlich spürbar ist ein gewisser pädagogischer Ton, der Anspruch, Spuren zu hinterlassen, alltagstaugliche Anleitungen zur praktischen Weiterentwicklung der anthroposophischen Weltanschauung und Lebensweise zu geben. Ich finde das besonders anrührend, weil ein echtes Interesse, an wirkliches Überzeugtsein von der eigenen Lehre darin zum Vorschein kommt. Mit Themen, die auch zu seiner Zeit nicht sehr populär gewesen sein dürften. Und derart detailreich und thematisch weitgreifend, riesige Bögen spannend, ungeahnte Zusammenhänge aufdeckend, dass es einen mit Ehrfurcht und Bewunderung erfüllen muss. Er muss zwei Jahre vor seinem Tod bereits geahnt haben, dass es mit der Weiterführung seiner Lehre zumindest schwierig werden würde. Dass möglicherweise nicht so viel von seinen Erkenntnissen in die Lebenspraxis seiner Zuhörer und Gefolgsleute bis dahin eingeflossen war. Umso dringlicher die Appelle, Anthroposophie praktisch zu verstehen und eine tatsächliche geistige Entwicklung, einen Fortschritt durch disziplinierte Anstrengung auf anthroposophischem Gebiet anzustreben. Vieles davon erscheint mir 100 Jahre später nicht weniger wichtig und aktuell wie damals. Selbst die Sprache Steiners in diesen letzten Lebensjahren war merkwürdig modern und von heutiger kaum noch zu unterscheiden. Wenn dann gerade in diesen zuletzt gelesenen Vortragsmitschriften u. a. von einer Art Lebens- und Entwicklungspartnerschaft zwischen Menschen und Pflanzen ihrer Lebenswelt zu Rede ist, sehe ich mich einmal mehr in der Beschäftigung mit diesem historischen Gedankengut bestätigt. Dass die eigenen geistigen Entwicklungsbemühungen auch Auswirkungen auf die Pflanzen hat, denen menschliche Aufmerksamkeit und Beobachtung zuteil werden, das ist mir intuitiv aus meinen Wunschbaum-Projekten seit vielen Jahren vertraut. Eine geisteswissenschaftliche Hintermauerung zu studieren kann helfen, die eigenen Betrachtungsweisen, Erkenntniswege und Entwicklungen zu bestärken und ein Stück weit zu kontrollieren.

Ostern, Jahreskreis und geistige Verortung

Bis auf das Wetter, das so gar nicht passte, durften wir einen schönen Osterfeiertag verbringen. Schön für mich, weil er die Ruhe und Feierlichkeit mit sich brachte, die ich traditionell mit christlichen Feiertagen verbinde. Die fühlen sich für mich grundsätzlich anders an als normale Tage und auch wie nicht feiertägliche Sonntage. Wenn ich Rudolf Steiners zahlreiche Vorträge zu eben diesem Zusammenhang nachlese, nämlich zur Bedeutung von Fest- und Feiertagen im Jahresverlauf, der uns das bewusste Erleben und Miterleben der Veränderungen in der Natur und unserer Rolle im dem Ganzen ermöglicht, dann sehe ich mich mit diesem Langzeitthema bestätigt, das ich so häufig und auch gerne im Baumtagebuch, in Gesprächen und auch in meiner Projektarbeit aufgreife, ausarbeite und für die je aktuelle Situation fruchtbar zu machen suche. So ist es kein Zufall, dass ich vor vielen Jahren die Bäume als Lebenssymbol für mich entdeckt habe und daraus ein eigenes Lebensthema gemacht habe. Sie stehen als prominente Repräsentanten und Spiegel dieser Prozesse und Zusammenhänge, aus denen wir bei bewusster Wahrnehmung sehr viel über uns selbst und unsere geistige Verortung und Entwicklung hinzulernen – oder besser: wieder neu verstehen lernen – können.

Karfreitag, Jahreskreisfeste und Anthroposophie

Es war ein Karfreitag, der auch im Außen die Bedeutung des Tages augenfällig werden ließ. Und der genügend Ruhe und Zeit ließ, um ihm gerecht zu werden. Sehr froh bin ich deshalb, dass ich mit der erneuten Lektüre von Vortragsmitschriften Rudolf Steiners anregende Ausführungen zum geistigen Hintergrund von Ostern verinnerlichen konnte. Die Vorträge zu „Ostern als Mysterium der Zukunft“ stammen aus dem Jahr 1908 und wurden ebenfalls in der damaligen Osterzeit gehalten, vor genau 110 Jahren, kaum zu glauben. Und ein Vortragszyklus zu den jahreszeitlichen Festen von 1923, vor genau 95 Jahren, startete am Karsamstag, der 1923, wie der diesjährige, ebenfalls auf den 31. März fiel. Wenn das kein gutes Timing ist. Dieser erste Vortrag handelt vom Jahreskreislauf als Atmungsvorgang der Erde. Eine ganz interessante Betrachtungsweise, die den gesamten komplexen Zusammenhang der jahreszeitlichen Feste aus den geistigen Grundlagen der anthroposophischen Weltanschauung herleitet. Morgen will ich dann den zweiten dieses Zyklus lesen, der das Osterfest selbst in den Mittelpunkt stellt. Diese Betrachtungen Rudolf Steiners spannen den ganz weiten Bogen und schaffen es in der unerreichten Steiner‘schen Art, alles aufeinander zu beziehen, was für die geistige Entwicklung von Mensch und Erde von Bedeutung ist. Wenn das an unserem Erleben der Jahreszeiten und unserem Leben in Abhängigkeit von der jeweiligen Jahreszeit und ihren Festen eng geführt wird, wirkt es auf mich immer schon besonders anschaulich und gut nachvollziehbar. Nicht umsonst hatte ich vor Jahren bereits die Bedeutung der Baumsymbolik bei verschiedenen christlichen Festen, wie Weihnachten, Palmsonntag und Pfingsten zum Gegenstand eigener Texte gemacht. Das Baumthema entfaltet darin seine besonders intensive Lebenssymbolik und zeigt uns, wie sehr uns äußere Symbole in der nicht menschlichen Natur helfen, unsere eigene äußere und innere Natur, unsere Bestimmung und Entwicklung im Zeitverlauf besser zu beobachten und zu verstehen.

Der zweite Feiertag ist ein Geschenk

Schön, dass wir zwei Feiertage haben. Ich bedaure z. B. die Amerikaner, bei denen schon nach dem einen Weihnachtsfeiertag der Alltag beginnt. Dank des zweiten Feiertags kann man die weihnachtliche Atmosphäre besser sich entfalten und auf sich wirken lassen, zumal eigentlich immer Besuche und Begegnungen auf dem Plan stehen, die mit zum Weihnachtsfest gehören, aber einer Kontemplation eben auch entgegen stehen. Ich freue mich deshalb immer gerade auf die Momente der wirklichen Ruhe, die es ermöglichen, das Licht der Weihnachten im eigenen Inneren aufscheinen zu lassen. Dieser Tag war für mich dazu sehr geeignet. In diesen Rahmen passte auch die neuerliche Lektüre der Vorträge Rudolf Steiners von 1910 und 1911, denn den Klassiker von 1909 über den Weihnachtsbaum als Symbolum habe ich vor einigen Tagen schon gelesen. Und die aus den Folgejahren veröffentlichten Weihnachtsvorträge, deren Einzelausgabe ich zu meiner kleinen Sammlung zähle, will ich in den nächsten Tagen folgen lassen. Das gehört mit zu den Vorhaben der Zeit zwischen den Jahren, zusammen mit einer Reihe von Versuchen, das weihnachtliche Licht möglichst authentisch in stimmungsvoller fotografischer Unschärfe wiederzugeben.

Das geistige Licht der Feiertage

Allerheiligen ist für uns in den letzten Jahren Anlass zur Familienzusammenkunft geworden. Auch eine Form, dem christlichen Feiertag gerecht zu werden, wenn auch etwas weiter entfernt von den Ritualen und dem Gedenken an die Verstorbenen, was für mich seit Kindertagen besonders im Vordergrund stand und auch ästhetisch bleibende Eindrücke hinterlassen hat. Die Totenlichter auf den Friedhöfen bei Dunkelheit, wenn wir vom Besuch eines externen Friedhofs mit verstorbenen Angehörigen nach Hause zurückkamen. Das war unbeschreiblich und hat dieses Licht in mir entfacht, das mit dem vergleichbar ist, dem wir an Weihnachten im Angesicht des Weihnachtsbaums entgegentreten, dem wir in Form den erleuchteten Baums gegenübertreten. Und in dem wir quasi versinken, das eigene Geistige vergegenwärtigen und sich neue innere Horizonte auftuen, die freilich immer schon vorhanden sind, nur meist verdeckt oder verschleiert erscheinen. Es ist diese mehr oder weniger bewusste Verbundenheit mit der Urquelle, die auch das Gemeinsame unter allen Mitgliedern einer Lebensgemeinschaft deutlicher werden lässt und uns innehalten lässt – zum Kraft und Energie tanken während der weniger geistesgegenwärtigen Zeiten.

All Hallows‘ Eve

All Hallows‘ Eve. Immerhin spricht die Bezeichnung noch das eigentliche, am folgenden Tag folgende Fest Allerheiligen an. Ansonsten habe ich die Übernahme der Rituale bei jüngeren Generationen in Deutschland nicht wirklich verstanden. Heute Abend haben Kinder geklingelt und wollten mit dem Spruch „Süßes und Saures“ etwas haben. Eine Mode, die uns erst vor einigen Jahren erstmals begegnet ist. Ich bedaure einfach die zunehmende Loslösung von lokaler Tradition und das verblassende Bewusstsein und die Kenntnis tatsächlicher Bedeutungen. So wird Allerheiligen für mich das eigentliche Fest bleiben, für dessen Vergegenwärtigung ich meine ganz eigenen Rituale entwickelt habe, die an der Bedeutung des Festes orientiert sind. Verändert hat sich das für uns allerdings durch den Wegfall des Grabs unserer Tante, das wir bis vor wenigen Jahren noch besuchen konnten.

Fan zeitloser Zeiten

Gefühlt ist in diesen Tagen der Höhepunkt der Urlaubszeit erreicht. Nicht für mich und die Familie, aber doch offensichtlich für die meisten anderen. Es ist diese eigentümliche Zeitlosigkeit, die sich dann breit macht und viele sonst dominierende Kommunikationen aufs Wartegleis stellt. Anderes tritt bei den zuhause Gebliebenen dagegen in den Vordergrund. Die Freude am simplen Gespräch, an dieser Art von Gespräch, das keinem besonderen Zweck außer sich selbst dient. So etwas finde ich klasse, denn man vermisst das in den nicht zeitlosen Phasen zunehmend. Die scheinbare Rationalität sämtlicher Lebensabläufe scheint dann alles zu bestimmen – und dem Alltag jenen Zauber zu rauben, der diesen Alltag erst lebenswert macht, eigentlich. So bin ich in den letzten Jahren zu einem echten Fan zeitloser Zeiten geworden. Von den einzelnen Feiertagen über die Feiertagsvorbereitungszeiten, allen voran die Adventszeit, bis zu profanen Feierzeiten wie der Fastnacht. Die Ferienzeiten im Sommer stehen in dieser Reihe, nicht sinnhaft, aber doch an ihrer Rolle und ihren Auswirkungen gemessen. Schön dann die Gärten und Parks in ihrer ganzen Üppigkeit und sonnendurchtränkten Kraft erleben zu können. Und schön für mich, die Bäume in der Zeit ihrer Ausdehnung und größten Vitalität beobachten, dokumentieren und als Lebenssymbole reflektieren zu können.