Den Frühling an den Bäumen erkennen

Es war ein Einundzwanzigster, aber vor lauter Geschäftigkeit habe ich gar nicht auf die herausragenden Geschehnisse oder Anmutungen des Tages achten können. Auch ist mir nicht wirklich aufgefallen, dass es viel weniger Sonne gab als an den Tagen zuvor. Eigentlich schien es mir durchgehend hell und sonnig, aber wahrscheinlich waren heute mehr wolkige Himmelsabschnitte dabei, oder zumindest ein dichterer Hochnebel, der immer einiges an Strahlungsintensität wegnimmt. Dennoch war es ein Tag, der vermutlich wegen der unverhofft angekommenen Wärme viele Menschen nach draußen zog. In M. war um die Mittagszeit erstaunlich viel los. Wie wenn alle nur auf die Gelegenheit gewartet hätten, sich wieder mehr im Freien aufhalten zu können. Einer dort hat es gleich übertrieben und lief mit nacktem Oberkörper über die Straße. Na ja, ganz so sommerlich war es dann wohl doch noch nicht. Jetzt warte ich auf die ersten Frühlingszeichen der Bäume und hoffe, die Ahorne werden beginnen mit ihren irren gelb-grünen Blütenständen, die von Weitem wie Blätter wirken. Bald darauf kann man sie auch von den oft zeitgleich auftauchenden Blättern nur mit Mühe unterscheiden. Alles an den Spitzahornen steht aber für den frühen Baumfrühling, deutlicher, als es die Erlen und Haselsträucher anzudeuten vermögen, da deren weiblichen Blüten sehr unscheinbar und die männlichen unbunt wirken und deshalb als solche nicht wahrgenommen werden. An den Baumarten, die als Blüten erkennbare, v. a. farbintensive Blüten tragen, erkennen wir den Frühling. Eine Wahrnehmung, die ohne die früh blühenden Baumarten in derselben Intensität nicht denkbar wäre.

Der erste große Frühlingschritt

Zumindest was die Sonnenstunden betrifft, hat dieser Tag den ersten großen Schritt in Richtung Frühling getan. Die Zahl der Sonnenstunden kann sogar schon mit einem durchschnittlichen Sommertag mithalten. Nur die Temperaturen sind natürlich noch nicht dementsprechend. Über Nacht klirrend kalt und tagsüber wirds jetzt aber schon milder. Das ist genau die Zeit, in der die frühen Baumarten ihre Hochzeit starten. Ich rechne bei den Spitzahornen damit, dass sie ihre Blüten und Blätter, nacheinander oder auch gleichzeitig demnächst auseinanderfalten und dann dieses typische gelb-grüne Frühlingsbild in ihre Kronen zaubern. Für mich steht das synonym für den Frühlingsanfang, da es tatsächlich mit die ersten Bäume sind, die sich regen. Von den Haselsträuchern und Erlen einmal abgesehen. Aber bei denen sind es eben die männlichen Blütenkätzchen, die von der neuen Vegetationsperiode zeugen. Und die sind farbliche wenig spektakulär, so unauffällig, dass sie den meisten Vorübergehenden gar nicht auffallen, wenn sie schon seit Winteranfang des Vorjahres an den Sträuchern und Bäumen zu sehen sind. Am Anfang noch ganz dünn und fest, jetzt aber bald lang und flauschiger, das sie ja ihre Samen freilassen wollen. Das erste Grün der Spitzahorn, das meist von den gelbgrünen Blütenständen und nicht von den Blättern stammt, ist zusammen mit dem Erstarken des Sonnenlichts gerade wichtig, damit die Menschen in dieser schwierigen Zeit mit Dysbalancen und Katastrophen ein wenig natürliche Verstärkung von außen erhalten.

Eigentlich bin ich ganz froh, dass V. sich zurzeit so zäh in Bezug auf die Routinearbeiten rund um den Holzofen zeigt. Immerhin die grünen, kürzlich erst geschnittenen Äste des Nashi und der Gleditschie sind dank Vs Beharrlichkeit jetzt schon im Holzofen verfeuert und müssen nicht mehr über die Biotonne entsorgt werden. Aber die neuerdings als notwendig erachteten Vorratseimer mit Brennholz habe ich in den letzten Tagen selbst befüllt und bereitgestellt. Das ist für mich schon auch eine Sache, die ich bewusst verfolge, weil in wenigen Tagen schon diese Geschichte beendet sein wird. Das Brennholz machen, im Wald oder auf einer unserer Streuobstwiesen, der Transport des Materials und vor allem das Kleinsägen und Spalten sind schon traditionelle Arbeiten bei uns gewesen, die wir über Jahrzehnte zusammen ausgeführt und irgendwie auch als spannend geschätzt haben. Natürlich ist mir bei jedem Stück Brennholz auch unser Beitrag dazu in Erinnerung und all die Arbeiten, die das ganze Jahr über diesbezüglich zu erledigen sind. Das letzte dazu diesmal war meine Sägeaktion im Sommer, bei der ich den jetzt zuneige gehenden Holzvorrat aufgehäuft und aufgestapelt hatte. Schade, dass das jetzt bald Geschichte ist. Zumindest was das Brennholz betrifft. Das Holz und seine Verarbeitung werden mir natürlich in der Vorbereitung der Wunschbaum-Manufaktur noch länger erhalten bleiben. Dann aber in vielfältigerer Form, mit der Bearbeitung von über 40 verschiedenen Baum- und Holzarten, und nicht nur beschränkt auf die grob zerkleinerten Ofenstücke, die sich auf 5-6 Holzarten im Wesentlichen reduzieren ließen.

Wetterfühlende Eigenschaften

Wetterfühlige haben es in diesen Spätwintertagen nicht gerade leicht. Vor allem, weil es, anders als der Ausdruck vermuten lässt, beim „Fühlen“ allein nicht bleibt. Die heftige Reaktion auf Witterungsbedingungen und v a. -schwankungen ist etwas ganz konkret Greifbares, was sich körperlich, meist schmerzhaft oder bewegungseinschränkend auswirkt. So ist es in unserer Familie derzeit bei allen, denn diese wetterfühlenden Eigenschaften teilen wir. Umso mehr sehnen wir den Frühling herbei, der nicht nur wieder Farbe und Helligkeit ins Gemüt wehen lässt. Er wirkt über die Biologie auch stark symbolisch und steht für Aufbruch und Lebensfreude. Eben für das, was uns nach langen Wintermonaten abhanden zu kommen droht, was nochmal reaktiviert werden will. Am einfachsten mit Unterstützung von außen. So hoffe ich auf das erste Grün bei den Bäumen und anderen Gehölzen. Auf die ersten Blüten jenseits von Hasel, Birke und Erle und auf die ersten wirklichen Farbakzente in der Baumlandschaft, die etwas später zu erwarten sind, die dann aber das Angekommen-Sein des Frühlings anzeigen.

Triste Baumlandschaft in Erwartung der Frühjahrsblüte

Eine gute Atmosphäre herrschte beim heutigen Porträtshooting. Das ist einer der Lichtblicke, die sich mir inmitten des ansonsten eher depressiv daherkommenden Winters bieten. Nicht nur wegen der zufriedenstellenden Ergebnisse, auch weil die Kommunikation unter dem Zeichen des guten Willens und der Offenheit gut funktioniert hat und das wiederum auf die Qualität der Ergebnisse durchschlägt. Solche personenbezogenen Fotoarbeiten sind eigentlich ganz passend für diese Zeit des Jahres, in der man weniger auf die Idee kommt, sich in die Landschaft aufzumachen. In einem Wintermonat, der weder Grün noch Farbakzente an den Bäumen zu bieten hat und in dem sich die Bäume ohnehin weitgehend noch unsichtbar zeigen, wohlwissend, dass ihre Zeit der Neuaufbruchs erst noch kommt, derzeit noch in weitere Ferne gerückt, wenn man sich die Witterung betrachtet. Natürlich sind die Baumblüten schon zu sehen, die teils schon im Spätherbst des Vorjahres an den Bäumen entstehen, v. a. vom Haselstrauch und den Erlen. Eben jenen Arten, die auch am frühesten zum aktiven Blühen kommen. Aber diese aktive Phase hat eben noch nicht begonnen. Ich gehe davon aus, dass die Bäume sehr feine Sensoren dafür haben, wann sie es wagen können, ihre Blüte dem Luftraum preiszugeben. Zurzeit sind da alle Arten noch nicht sicher genug.