Zwischen optischem Gleichklang und symbolischer Spannung

Die Linde hat mir heute doch mehr Anstrengung abverlangt als erwartet. Zum einen waren mir die Kanteln ausgegangen, so dass ich zunächst neue aus einem gut abgetrockneten Block heraussägen und auszeichnen musste. Und dann hat sich die Holzart diesmal wieder tückisch gezeigt. Das war in der Vergangenheit verschiedentlich schon so, da sie sich zwar durch diese unglaublich weiche Konsistenz auszeichnet, durch die damit verbundene und unvermeidliche Schwingung beim Drechseln aber leicht im Mittelteil des Stabs kleine Abplatzungen an der Oberfläche entstehen, die dann im Zuge des Abschleifens abzutragen sind. Präzisionsarbeit ist in dem Fall noch stärker gefragt als ohnehin schon bei diesem Arbeitsgang. Letztlich sind es genügend Stäbe geworden, um die größere Anzahl von Perlen daraus gewinnen zu können. Und spannend war anschließend auch der Stab aus Efeuholz, die ungleich besser für diese Art der Bearbeitung geeignet ist. Fast schon ideal ist die Art für solche Bearbeitung und Verwendung. Schade nur, dass es nicht mehr Gelegenheit gibt, daraus etwas zu machen. In diesem aktuellen Projekt ist die Verbindung von Lind und Efeu etwas durchaus Originelles mit anregenden Assoziationen. Denn die Holzarten haben Gemeinsamkeiten und liegen oberflächlich durchaus auf einer Ebene. Aber hinter dieser Ähnlichkeit der Oberfläche steckt eben auch eine symbolische Beziehung. Auch da sehe ich gewisse Ähnlichkeiten der Baumarten, aber auch Unterschiede, die sie weit voneinander abgrenzen. Wenn eine solche spannungsreiche Kombination mit einem oberflächlich dezenten optischen Kontrast einhergeht, finde ich das immer besonders interessant. Ich kann mir auch vorstellen, dass die subtile Einheit der Differenz von Harmonie und Kontrast am Ergebnis deutlich ables- und verstehbar sein wird.

Die Einheit des Differenten vergegenwärtigen

Für mich gibt es keine bessere Strategie bei miesem Wetter, als das fehlende Licht und den Mangel an Wärme durch Holzarbeit im Haus auszugleichen. Die ohnehin ablenkungsfreie Arbeit ist an solchen Tagen noch intensiver. Da kann ich mich ganz dem Material, seinen Eigenschaften und der Art seiner Bearbeitung widmen. Ein Abtauchen in die Material-, Energie- und Symbolwelt der Hölzer und zugehörigen Bäume. Eine Art Meditation, die sehr geeignet ist, auf den Nullpunkt zurückzukehren. Manche nennen das Erdung, die für mich durch nichts so authentisch und intensiv wirkt wie in der Arbeit mit Hölzer und Bäumen. Es ist dies eine der spannendsten Dimensionen der Winterzeit, weil es die andere Seite des Offensichtlichen offenbart. Dass im Kalten und Dunklen immer auch das Warme und Helle angelegt ist, das zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen wieder zu Vorschein kommt. Obwohl wir das eigentlich wissen, ist doch immer wieder notwendig, sich diese Vorstellung einer Einheit des Differenten zu vergegenwärtigen. Wir sehen dann letztlich uns selbst, unsere menschliche Verfassung in dieser Erkenntnis gespiegelt.