Das Holen des Weihnachtsbaums

Morgen ist der dritte Advent. Zeit für den Weihnachtsbaum, den wir wie jedes Jahr in unserem Baumstück oberhalb von F. schlagen. V. und ich haben ihn am Vormittag geholt, genau den, den wir zwei Wochen vorher ausgesucht hatten. Mit schien er auch jetzt noch als die beste Wahl. Trotzdem kam es, wie es kommen musste, zumal es heute Vormittag und eigentlich den ganzen Tag über sehr kalt und die Äste entsprechend glasig gefroren waren: beim Aufprall wurden einige Äste gebrochen. Ein Umstand, der angesichts der enormen Höhe der Fichten auch bei Temperaturen oberhalb der Null Grad kaum noch zu vermeiden ist. Ich meine deshalb, dass wir uns künftig etwas anderes überlegen müssen. Die Bäume sind inzwischen so riesig, dass nur noch die oberste Spitze verwendbar ist, der Rest wird Brennholz. Weil sie aber so hoch sind, kann man von unten ihr Aussehen eigentlich nur ahnen. Und so viele Bäume umlegen, bis ein wirklich schöner dabei ist, ist wohl auch nicht verantwortbar. Nun gut, der Baum hat nun ein Loch, das wir im Wohnzimmer zur Wand drehen werden. Leider ist er aber auch abgesehen von den gebrochenen Ästen nicht besonders begeisternd. Obwohl ich mich vorher bei ihm für das Fällen entschuldigt und sein Schicksal damit begründet habe, dass er ganz bestimmt ein schöner Weihnachtsbaum werden wird. Vielleicht aber findet er sich selbst schön (wie das bei Bäumen so ist, die einfach sind, was sie sind, und nie auf die Idee kämen, etwas anderes zu wollen). Und vielleicht gelingt es mir, durch das Schmücken, meiner eigenen Vorstellung von einem schönen Weihnachtsbaum (der letztjährige entsprach dem ziemlich genau) nahe zu kommen.
Neben dem Weihnachtsbaum haben wir auch noch die Einzelteile des Apfelbaums gleich mitgenommen, die seit zwei Monaten dort oben lagen. Das Stammstück war unglaublich schwer und konnte nur mit der elektrischen Seilwinde auf den Anhänger bewegt werden. Hat aber letztendlich geklappt. Am Bienenhaus haben wir ihn geviertelt, alles andere hat sich in der Vergangenheit als nicht machbar erwiesen, weil das Risiko unkontrollierter Risse einfach zu groß ist. Jetzt kann er bei den Frosttemperaturen erst mal antrocknen. Im Frühjahr kommen die Teile woanders hin. Der Kern macht zwar nur etwa die Hälfte des Volumens aus, scheint aber, von den Enden abgesehen, gesund zu sein. Ich hoffe, entdlich wieder einmal ein paar rötlich-braune Kernabschnitte des Apfelbaums zu bekommen – für die Armbänder.

Unsensibler Kahlschlag

An der Autobahnausfahrt SLS-Mitte wurden alle Bäume an der Böschung abgeholzt. Nur noch die Stümpfe sind zu sehen. Solche Radikal-Kahlschläge, gerade bei Bäumen und Büschen an Rändern von Landstraßen habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder beobachtet. Eigentlich ist nie zu erkennen, warum die Bäume eigentlich entfernt wurden. Vermutlich aber eine Maßnahme, um das maschinelle Mähen der Grünstreifen zu erleichtern. Wie auch immer man das sieht, mich erschreckt immer wieder die technische Kälte, die daraus spricht und die entsprechende Rückschlüsse auf die dahinter stehende Denkart zulässt.

Baum-Nummerierung

Am Teich in D. wurden jetzt alle Baumstützen entfernt. Tatsächlich sind die meisten der jüngeren Bäume inzwischen so stark, dass sie ohne Hilfe sicher stehen können. Im Winter fallen solche Veränderungen besonders auf. Jetzt sieht man auch deutlich die angenagelten oder mit Drahtschlingen angebrachten Zahlenschildchen, mit denen fast jeder Baum in Stadtraum nummeriert wurde. So etwas habe ich noch nie anderswo gesehen. Vielleicht finde ich noch heraus, was hinter dieser Identifizierungswut steckt. Seltsam auch, dass einige Bäume ausgenommen sind. Handelt es sich dabei um solche, die nicht gepflanzt wurden und quasi zufällig gewachsen sind? Werden Bäume und Sträucher unterschieden und wo ist die Grenze? Rätsel, die jeden Mittagspausenspaziergang umso spannender machen.

Stirbt der Wald wirklich?

Nach dem neuen Waldschadensbericht der Bundesregierung ist der deutsche Wald kränker als jemals zuvor. Zurückgeführt wird die Situation zum einen auf den extrem trockenen Sommer in 2003, der die Bäume anfällig für Schädlinge gemacht hat, und zum anderen auf die Schadstoffbelastung der Luft und des Wassers. Bei letzterem (Ozon-Belastung) will man politisch wohl ansetzen, soweit das im nationalen Rahmen Sinn macht und im internationalen Rahmen erreichbar ist. Diese Diskussion kommt praktisch jährlich wieder neu auf – seit es das Wort vom ,,Waldsterben“ überhaupt gibt. Zwischendurch habe ich aber auch immer wieder von Studien gelesen, die zu weniger dramatischen oder gar gegenteiligen Einschätzungen gelangen. Mir scheint es häufig, dass bestimmte Nachrichten einfach politisch gewollt sind. Was seltener gesagt wird: Die Waldfläche in Deutschland nimmt stetig zu, weil mehr nachwächst als geschlagen wird. Wenn also an der Krankheitsmeldung etwas dran ist, wünsche ich mir effektive Maßnahmen, damit wir auch noch in 20 Jahren das immer grüner werdende Land genießen können. Vor allem aber, damit die Bäume nicht leiden und es ihnen wirklich gut gehen kann.

Friedwald

Nach einem Bericht in der SZ soll heute eine Entscheidung des Saarbrücker Stadtrats darüber fallen, ob im Netzbachtal ein Friedwald entstehen darf. Das wäre wohl das erste saarländische Friedwaldprojekt, das überhaupt erst dadurch möglich wird, dass der Landtag in 2003 ein neues Bestattungsgesetz erlassen hat. Die Chancen stehen gut, da die Stadt und alle Fraktionen bereits ihr Einverständnis erklärt haben. Der erste Friedwald, verwaltet in Kooperation mit der Stadt Saarbrücken von der Darmstädter Friedwald GmbH (da scheint sich schon eine neue Branche etabliert zu haben) könnte Anfang 2005 im Bereich des ,,Urwaldes vor den Toren der Stadt“ ins Leben gerufen werden.

Steuerbares Glückssymbol

Meine Arbeitskollegin hat sich über die beiden Barbarazweige gefreut, die ich ihr mitgebracht habe. Jetzt stehen die restlichen Zweige in einer Vase auf der Fensterbank im Büro, genau mir gegenüber. Ich finde das immer sehr spannend. Nicht jeder kennt den Brauch, heute habe ich ihn schon gleich einem Kollegen erklären müssen. Der Hausmeister, der früher Bergmann war, wusste natürlich Bescheid. Was ich niemandem verrate: Das Glück lässt sich beeinflussen. Wenn die Knospen zu schnell aufgehen, stellen wir die Vase einfach mal ein paar Tage in einen kühleren Raum. So wird es garantiert blühen, wann es soll, pünktlich zum heiligen Abend.

Neuer Lebensbaum-Stoff

Das Lebensbaum-Thema lässt mich nicht mehr los. Wenn ich nur mehr Zeit hätte, es in seinen unzähligen Facetten auszuarbeiten. So versuche ich es in kleinen Schritten. Zurzeit: der christliche Lebensbaum. Zentral ist hier die Verbindung zwischen den Bäumen der Schöpfungsgeschichte und dem Kreuzbaum, den ich denke ich ganz gut herausarbeiten kann. Habe mir gerade ein weiteres Buch zu diesem Thema bestellt: ,,Die zwei Bäume im Paradies“ von Rick Joyner. Bin mal gespannt, was sich dahinter verbirgt, und ob es mir neue Anhaltspunke gibt. Vielleicht schaffe ich es noch vor Weihnachten eine erste Fassung des Textes zu erstellen?

Barbarabrauch

Barbaratag! Am Vortag haben wir noch rechtzeitig daran gedacht. V. hat Kirschbaumzweige geschnitten, einige darunter waren eher Äste, hoffentlich gehen die später auf. Im letzten Jahr haben wir es auch mit Haselruten versucht, aber die weiblichen Blüten sind bekanntermaßen winzig und das ganze entsprechend unspektakulär. Kirschbaumblüten dagegen sind sehr schön und versinnbildlichen den herbeigesehnten Frühling viel besser. Ich habe die Enden abgeschrägt und eingeschnitten, damit sie das Wasser besser aufnehmen. Dann haben wir die Zweige nach Größe und Form sortiert und auf 3 Vasen verteilt. Einige werde ich nächste Woche mit zur Arbeit nehmen. Dort steht zwar der Kirschbaum direkt vor der Haustür, aber es ist eben auf einen Samstag gefallen und deshalb gings nicht vor Ort. Im vergangenen Jahr haben die Zweige pünktlich zu Heilig Abend geblüht, ich bin wieder sehr gespannt. Eigentlich wollte ich schon im letzten Jahr einen Text zum Brauchtum am Barbaratag schreiben. Es wird wohl auch in diesem Jahr noch nichts damit. Es ist einer jener Bräuche, deren Verbindung zur überlieferten Geschichte (der heiligen Barbara) eher beiläufig erscheint. Und der zudem regional sehr unterschiedlich praktiziert wird (verschiedene Baumarten werden bevorzugt). Für mich ist er deshalb interessant, weil er die Symbolik der späteren Frühjahrs- und Pfingstbräuche bereits zu Beginn des Winters vorwegnimmt. Vor allem aber, weil das ersehnte Ereignis, das Blühen der Zweige an Weihnachten so wunderbar plastisch den weihnachtlichen Gedanken von Neuanfang und Hoffnung zum Ausdruck bringt.

Schönes Baumgedicht

Habe heute Abend meine Postkarten noch mal durchgesehen. Wusste schon gar nicht mehr, wie viele Baum-Karten ich inzwischen gesammelt habe. In den Weihnachtsferien ist endlich Zeit, alles wieder zu sortieren. Darunter war auch eine Grußkarte mit dem auf der Rückseite abgedruckten Text von Lothar Zenetti:

Sein wie die Erde, ein Boden,
nahrhaft und dunkel genug,
dass ein Baum daraus wachse …

Oder ein Baum sein, der
aufrecht und voller Kraft
seine Zweige breitet und Blätter …

Vielleicht nur ein Zweig,
demütig genug, das bitte ich,

um das Lied eines Vogels zu tragen …

Ein kleines Lied, das dich lobt
früh, wenn es tagt,
und am Abend, ehe es dunkelt …

Konnte leider nicht herausfinden, ob der Text korrekt wiedergegeben ist. Wenn ich eine Zuordnung finde, nehme ich es unten den Baum-Gedichten auf.

Fast kahl

Die Bäume sind fast vollständig blattlos. Aber es gibt noch einige Relikte. Zum Beispiel die Eschenfrüchte, die vollkommen vertrocknet immer noch am Baum hängen. Die Erlenzapfen sowieso, irgendwie scheinen die nie abzufallen. Am erstaunlichsten und typischsten für den Winter finde ich die Efeufrüchte – oder soll ich sagen Blüten. Heute habe ich tatsächlich beobachtet, dass an derselben Pflanze nebeneinander – Anfang Dezember – noch nicht geöffnete Blüten, geöffnete Blüten und Früchte in verschiedenen Reifegraden vorkommen. Der Efeu scheint die Temperaturen einfach zu ignorieren und das zu tun, was die Bäume am besten können: ihr je eigenes Programm zu spielen.

Faszination des Weihnachtsbaums

Wieder ein Zeitungsbericht: Zeppelin unterm Baum. Gemeint waren besonders luxuriöse Weihnachtsgeschenke für Superreiche, die durch eine amerikanische Firma im Katalog angeboten werden, darunter ein Luftschiff. Der Ausdruck ,,unterm (Weihnachts-)Baum“ verweist auf eine neuzeitliche Erfindung, die die Weihnachtsbaumsymbolik um einen weiteren Aspekt bereichert. Für viele ist das vielleicht sogar zum bestimmenden Merkmal des Weihnachtsbaums geworden. Als Kind nimmt man aber alles als einheitlichen ,,Zauber“ war. Die verpackten Geschenke sind nur eine kleine Facette der Faszination, die in der Bedeutung des Weihnachtsfestes selber begründet ist.

Grenzenloser Weihnachtsbaum

Ein rührendes Bild in der Zeitung: Eine Frau, die der christlichen Minderheit im Irak angehört, hält einen Weihnachtsbaum in Händen, den sie zuvor erworben hat. Für mich ein sehr schönes Zeichen dafür, dass das Symbol ,,Weihnachtsbaum“ auch über Kulturgrenzen hinweg überall in der Welt seine enorme Kraft entfaltet, auch und gerade in Regionen, die von Chaos und Gewalt heimgesucht sind. Ein ganz wunderbares Symbol der Hoffnung und des Friedens und in diesem Fall der spirituellen Heimat. Und wieder die Beobachtung beim abendlichen Heimweg: Noch nie zuvor haben die Menschen so viele Lichterketten an und um ihre Häuser angebracht, besonders schön, wenn sie einen einzeln stehenden Baum schmücken.

1. Advent

M. hat keine Ruhe gegeben, bis die aus Grünstadt mitgebrachte Fichtenspitze mit den vielen kleinen alten und neuen Zapfen ihren Platz auf dem Balkon gefunden hat. V. hat sie in den Kübel gesteckt und zusätzlich mit Schnüren am Geländer verspannt. Das fällt im Dunkeln kaum auf und so bildet der Baum mit der Lichterkette einen schönen dekorativen Kegel. Beim Abendspaziergang habe ich viele Lichterketten an Bäumen und Hecken der Vorgärten gesehen. Die Menschen sind schon in Weihnachtsstimmung, zumindest nach Außen hin wollen sie es demonstrieren. Was würden sie da ohne die Bäume nur tun? Bin auch an dem alten Haus vorbeigekommen, vor dem bis vor Monaten der große wächterartige Wacholder stand. Bin jedes Mal wieder von neuem bestürzt darüber, wie man nur einen so schönen Baum fällen konnte. Das Haus wird umgebaut, selbst der Wurzelstumpf ist inzwischen entfernt worden. Jetzt erinnert nichts mehr an ihn, in meinem Gedächtnis aber bleibt er fest verankert.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.