Lebens-Sinn

R. hat mir heute von einem 72jährigen erzählt, der an einer dieser Wissens-Quiz-Sendungen im Fernsehen teilgenommen und dabei 500.000 Euro gewonnen hat. Auf die Frage, was er sich für die Zukunft noch vornehme, soll er neben seinem Seniorenstudium an der Universität auch den Wunsch geäußert haben, ein Buch über Bäume zu schreiben. Schade, ich habe es nicht gesehen, es hätte mich interessiert, welchen Aspekt der Bäume ihn besonders interessiert. Bemerkenswert daran finde ich aber einfach: in der Lebenszeit, die ihm bleibt, will er sich besonders intensiv gerade mit den Bäumen beschäftigen. Vielleicht, weil sie lebenslang für ihn ein Thema waren, vielleicht, weil er im Alter erst die symbolische Kraft der Bäume für sich entdeckt und schätzen gelernt hat. Ich weiß es nicht, jedenfalls spricht er in dieser Situation für seine Person nicht vom Geld Ausgeben. Schöner kann man wohl nicht zeigen, worin eigentlicher Lebenssinn liegt. Ich bin unheimlich froh, dass ich nicht erst 70 werden muss, um diesen Sinn zu erleben.

Baumwesen

Man glaubt nicht, wie viele Menschen sich den Bäumen verbunden fühlen. Und wie viele unterschiedliche Arten des Zugangs es gibt. Carmen Burre, eine Künstlerin aus Vlotho, hat sich fotografisch und mit begleitenden Texten dem Wesen der Bäume und vor allem den Wesen in den Bäumen gewidmet und daraus ein Buch gestaltet. ,,Baumwesen“ ist soeben erschienen und wird auf der gleichnamigen Website www.baumwesen.de vorgestellt. Ohne das Buch bisher gelesen zu haben, sehe ich darin einen ganz originellen Ansatz, sich den Naturgeistern am Beispiel der Bäume zu nähern, nämlich anhand äußerlicher Ähnlichkeiten bestimmter Strukturen – vor allem in den Wurzeln und Rinden der Bäume – mit gängigen menschlichen Vorstellungen vom Aussehen der Naturwesen. Diese Ähnlichkeiten aus der opulenten Oberfläche der Bäume überhaupt herauszulösen, das zeugt schon von einer außerordentlichen Beobachtungsgabe, aber auch von einer engen Beziehung zu den Bäumen als Lebewesen. Mit dem Buch werden sicher viele Menschen dazu angeregt, beim nächsten Spaziergang einmal genauer hinzusehen und hinzufühlen, und vielleicht eigene Entdeckungen im Reich der Baumwesen zu machen. Ich freue mich, dass Frau Burre mir einen ihrer Texte und eine illustrierende Fotografie zur Veröffentlichung auf meiner Seite zeitgenössischer Baum-Gedichte überlassen hat. Ich werde es in den nächsten Tagen online stellen.

Das größere Ganze

Winterlandschaft

Bäume als Ganzes zu fotografieren ist geradezu unmöglich. Deshalb bin ich um Pespektiven froh, in denen der Baum vor einem möglichst homogenen Landschaftshintergrund erscheint. Das ist z. B. bei hügeligen Feldlandschaften so. Oder bei geschlossener Schneedecke, wie beim heutigen Spaziergang. Dann ist er einigermaßen abgegrenzt und in seiner Form zu erfassen. Weil es so schwierig ist, habe ich mich bisher auch v. a. auf Makroaufnahmen konzentriert. Die Schwierigkeit, den Baum zu erfassen, zeigt aber auch, wie sehr er Teil eines größeren Ganzen, Element der Landschaft ist. Fotografien, in welcher Perspektive, in welchem Licht und mit welcher Technik auch immer realisiert, können deshalb niemals den Eindruck beim Er-Gehen der Landschaft ersetzen.

Linde und Hag

Manchmal bewundere ich das Talent der Journalisten, ein Thema in erzählerischer Manier auszubreiten. Mein Talent liegt eher bei dem Gegenteil: Die Dinge auf den Punkt bringen. Das Buch ,,Linde und Hag“ von Carlheinz Gräter, welches schon seit Monaten auf meinem Schreibtisch steht, das ich aber erst heute lesen konnte, ist so ein Beispiel für eine unterhaltsam geschriebene Textsammlung, die dennoch inhaltlich sehr fundiert erscheint. Wie der Buchdeckel verrät, ist das Buch aus einer Sendereihe des Süddeutschen Rundfunks entstanden, deshalb die journalistische Anmutung. Der Autor bringt dabei seine Kenntnisse als gelernter Germanist und Historiker ein, wenn er 19 heimische Baumarten auf ihre mythologischen, volkskundlichen, künstlerischen und heilkundlichen Hintergründe hin abklopft. Auf den pro Baum verwendeten 4-5 Seiten kann das zwar nur elliptisch ausfallen. Die einzelnen Texte bieten dennoch wichtige Informationen und stellen zahlreiche ungeahnte Bezüge auch zu heute noch nachvollziehbaren Bedeutungen der Bäume her. Ein ebenso kurzweiliges wie inhaltlich gehaltvolles Lesevergnügen. Ich bin gespannt auf den Vorgängerband mit dem Titel ,,Der Wald. Immergrün“, der zurzeit leider vergriffen ist.

Kindheitsbäume

Eine der Schulen, die sich heute beim Puppentheater beworben haben, hatte ein schönes Zeichen auf ihrem Briefkopf: zwei laubfreie stilisierte Bäume. An den Platanen war es untertitelt und es war genau unter dem Namen der Schule platziert. Ich finde es sehr schön, wenn eine Schule sich mal nicht nach irgendwelchen Berühmtheiten wie Pestalozzi oder Gutenberg benennt, sondern ihre besondere Verbindung zu den Baumwesen in ihrem Umfeld zum Ausdruck bringt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das die Sensibilität der Schüler für ,,ihre“ Bäume schärft und diese zu augenfälligen Begleitern der Grundschulzeit macht. An meiner Schule gab es auch mächtige Bäume, die heute noch dort stehen und die ich heute als Bergahorne identifiziere. Damals waren es einfach nur Bäume für mich, und sie gehören zu den frühesten Erinnerungen, die ich überhaupt an meine Kindheit habe. Speziell erinnere ich den propellerartigen Abwärtsflug der reifen Früchte. Das gehört in die Kategorie ,,Lebensbaum und Lebenslauf“, mit der ich mich kürzlich beschäftigt habe. Die nächste Reminiszenz betrifft die sonntäglichen Herbstspaziergänge mit meinen Eltern und J. und das Zusammenscharren des raschelnden Laubs mit den Füßen. Es gibt noch ein Foto davon, das mich zusammen mit J. zeigt. Und dann waren da noch etwas später die Spaziergänge mit dem Großvater meines damals besten Freunds H.-P., der uns gezeigt hat, wie man aus Borkenstückchen kleine Schiffchen schnitzt. Ich habe das damals begeistert aufgegriffen und für einige Jahre Bekannte und Verwandte mit meinen kleinen Schiffkreationen, die tatsächlich schwammen, beeindruckt. Seltsam, manchmal haben scheinbar harmlose Erlebnisse große Wirkung für das ganze Leben, ohne dass dies während des Erlebens überhaupt bewusst wird.

Nachrichtenalarm

Auch über WEB.DE kann man sich aktuelle Nachrichten zu bestimmten Stichwörtern automatisch per eMail schicken lassen. Dort heißt es ,,WEB.DE Nachrichtenalarm“, das entspricht ungefähr der Google Alert-Funktion, und bringt, wie mir scheint, noch interessantere Ergebnisse, die sich zudem von denen bei Google unterscheiden. So habe ich jetzt schon früh morgens einen guten Überblick über Presse- oder Internet-Meldungen, die mit Bäumen zu tun haben. Durchaus eine Bereicherung, wenn man bedenkt, dass viel Interessantes nicht den mehrfach gefilterten Weg in die Bücher findet, und zudem auch enger als die in Buchform veröffentlichten Inhalte mit aktuellen Tagesereignissen verknüpft ist. Ich bin gespannt, wie sich die neuen Quellen auf mein Baumtagebuch auswirken werden.

Konstanz und Veränderung

Krisenzeiten beflügeln mich – das war schon immer so. Es ist als ob ich darin eine Herausforderung sehe. Es hat aber auch damit zu tun, dass schwierige Lagen unkonventionelle Lösungen erfordern. Das fördert die Kreativität, senkt die Hemmschwelle zum Ausprobieren ganz neuer Ansätze, lässt die Dinge in einem anderen, vielleicht ungewohnten Licht erscheinen. In dieser Situation liegt es nah, sich auf die ureigenen Stärken zu besinnen, sich genau anzusehen: Wo stehe ich im Augenblick, und was von all dem, was ich gelernt habe, kann ich jetzt nutzen, um meine Lage zum Positiven zu wenden. Mag sein, dass die Projektpartner damit zunächst ihre Schwierigkeiten haben: ,,Der verhält sich ganz anders als sonst.“ Wenn man es aber durchhält, wird der Sinn irgendwann für jeden sichtbar. Dabei geht es nicht unbedingt darum, irgendwas aktiv zu bewegen. Häufig liegt der Anstoß zur Veränderung, die sich dann einfach einstellt, in einer veränderten Interpretation, in einer anderen Bewertung von Prozessen, Einstellungen und Charaktereigenschaften. Dennoch, ich brauche Konstanten, die eine gewisse Grundsicherheit und Orientierung geben. Die Beschäftigung mit den Bäumen hilft mir besonders, ,,auf dem Boden zu bleiben“, dieses grundlegende Aufgehobensein zu vergegenwärtigen. Denn zu wissen, was in jedem Fall sicher ist, was wirklich und immer zu mir gehört, das hilft enorm, wenn es um die Steuerung und Koordinierung von Veränderungsprozessen geht. Und auch dies kann man von den verwurzelten und in sich ruhenden Bäumen lernen: Für jede Umweltänderung findet sich ein Weg der Neuorganisation, ohne dass die Individualität zwangsläufig leidet.

Wann kommt der Frühling?

Mein Monatskalender zeigt für den März eine über 200 Jahre alte Rosskastanie bei Tonndorf in Thüringen, welche von prächtigen Kerzenblüten geschmückt ist. Umgeben ist sie von frühlingshaftem Licht. Einen krasseren Gegensatz zur aktuellen Witterung zu Beginn des März 2005 kann man sich nicht vorstellen. Wir haben zweifellos härtestes Winterwetter, und gegenwärtig fällt es schwer, sich den Frühling und das Blühen zu vergegenwärtigen. Ich habe eine heimliche Hoffnung: dass der vermutlich seit Jahrzehnten kälteste 1. März einen super heißen Sommer verheißt.

Spirituelle Evolution

Die Bücher von James Redfield sind immer wieder spannend zu lesen, weil sie große Bögen spannen über große Themenfelder und unterschiedlichste Ansätze, ohne sich im Detail zu verlieren. So bot mir die Celestine-Trilogie, allen voran ,,Die Prophezeiungen von Celestine“, einen guten und mitreißenden Einstieg in die esoterischen Fragen. Auch die Hintergrund- und Begleitpublikationen dazu finde ich sehr empfehlenswert. Vor allem letztere zeigen das große kommunikative Talent Redfields, der es schafft, Menschen unterschiedlichster Provenienz zusammen zu bringen und mit diesen weltweit beachtete Bücher und Aktionen zu realisieren. Am Wochenende habe ich einen mir bisher nicht bekannten Band gelesen, der jetzt als Taschenbuch vorliegt und für den Michael Murphy und Sylvia Timbers als Co-Autoren zeichnen: ,,Gott und die Evolution des Universums. Der nächste Entwicklungsschritt für die Menschheit“ (Originaltitel: ,,God and the evolving universe“). Stärker noch als bei früheren Arbeiten rückt Redfield mit seinen Co-Autoren hier in die Nähe wissenschaftlicher Ansätze, deren Relevanz für die Konstruktion einer Evolutionsvorstellung aufgezeigt wird, welche die spirituelle Weiterentwicklung des Menschen als Fortsetzung und Erweiterung biologischer und sozialer bzw. kultureller Evolutionsphasen auffasst. Die umfangreiche kommentierte Literaturliste im Anhang zeigt, dass die Autoren wirklich wissen, wovon sie sprechen, wenn sie die Masse geisteswissenschaftlicher, psychologischer, naturwissenschaftlicher, philosophischer, theologischer und künstlerischer Ansätze aus drei Jahrtausenden durchforsten, um die Entwicklung der menschlichen Kultur und mit ihr des Menschen als Individuum als zielgerichteten Prozess zu interpretieren. Am Ende dieses Prozesses könnte die Rückkehr zur göttlichen Quelle stehen, wenn es die Menschen schaffen, sich heute schon abzeichnende Entwicklungsschritte hin zu höherer Mobilität und Reichweite ihres spirituellen Bewusstseins und ihres göttlichen Seins zu gehen. Wie vieles hat sich in diesen drei Jahrtausenden bewegt, welche ungeheueren Entwicklungen, wenn auch nicht immer Fortschritte, können wir im historischen Rückblick beobachten! Und doch gibt es Konstanten, Wegmarken, die zeigen, dass das Eine, die Quelle, der wir so fieberhaft nachspüren, immer schon gegenwärtig ist. Die deutlichsten Konstanten dieser Art sind für mich die Bäume. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf die Tatsache, dass viele Baumarten sich in tausenden, wenn nicht zehntausenden Jahren biologisch nicht oder kaum verändert haben. Es ist vor allem die von Hermann Hesse in seinem kurzen Text ,,Bäume“ so trefflich umschriebene Eigenschaft der Bäume, für das Ewige und Einmalige zugleich zu stehen, diese Ausstrahlung auf den Menschen, die die Bäume zu völlig zeitlosen Begleitern der Evolution auf allen Ebenen macht. Ich möchte sie nicht missen, denn sie vermitteln mir Gelassenheit und Ruhe, wo der Alltag vor Schnelligkeit und Veränderungsdruck sich zu überschlagen droht. Sie zeigen mir durch ihre bloße Präsenz, dass die Dinge sich beständig verändern mögen, letztlich aber auf einfache Wahrheiten und einen wesentlichen Kern zurück geführt werden können. Denn sie, die Bäume verkörpern diesen Kern, indem sie einfach sind, was sie sind, ohne Zweifel und mit großem Stolz auf die verwurzelte Ausgestaltung ihrer je eigenen Individualität.

Winterlicht

Winterlandschaft

Endlich mal wieder ein schöner heller Wintertag! Wenn diese frostigen Temperaturen schon bis Ende Februar anhalten, dann soll wenigstens die Sonne scheinen. Und das Winterlicht hat zweifellos seine besonderen Reize, hat gut getan nach tagelanger Düsternis. Die Wanderung auf dem Maria-Croon-Weg war trotz des sehr kalten Windes sehr schön. Endlich konnten meine neuen Wanderschuhe mal so richtig zum Einsatz kommen, mit dem tiefen Profil geradezu ideal für Schnee, halten auch schön dicht und warm. Was mir auffiel: Die Landschaft ist mit der weißen Decke total verändert. Auch die Wege nicht mehr so gut zu identifizieren, und so habe ich mich einmal sogar verlaufen. Immerhin sind mir noch ein paar gute Fotos gelungen, vielleicht die letzten Schneebilder für diesen Winter.

Universalbaum

,,Der klarste Weg ins Universum führt durch den wilden Wald.“
JOHN MUIR

Für mich ist es aber nicht nur die unverstellte Naturwahrnehmung, z. B. der lebende Baum, der dies vermitteln kann. Es sind v. a. auch die symbolischen Formen, welche von Natur ausgehend diese aufgreifen und in den unterschiedlichsten Kontexten uns Menschen zur Selbstbeschreibung und Selbstvergewisserung dienen können. Eine solche Form ist ein kleiner vergoldeter Weihnachtsbaum aus Metall, der das ganze Jahr über in meinem Fenster hängt. Er steht stellvertretend für alle Bäume, und jedes Mal, wenn ich ihn betrachte und er funkelnd das einfallende Sonnenlicht reflektiert, fühle ich meine große Nähe zu den Bäumen da draußen – und, wenn man so will, zum Universum, das sich in ihrer Form zum Ausdruck bringt.

Vergoldeter Weihnachtsbaum

Schnee- und Eishüllen

Arktische Luft Ende Februar. Das ist wohl einmal und zeigt einmal mehr, wie unberechenbar die Wetterverhältnisse in unseren Breiten geworden sind. Es war wieder tagelang ein Wechsel zwischen Schneeinferno und Tauwetter, mit den entsprechenden Temperaturschwankungen. Könnte ich nur auf dem Weg zur Arbeit anhalten, und wäre morgens um 8 doch das Licht zum Fotografieren tauglich, es wäre eine neue Serie von Bildern entstanden, die die schneeweißen Hüllen der Winterbäume zum Thema haben. Diese erscheinen mir wie unwirkliche Zeichen einer fünften Jahreszeit, die die Landschaft in märchenhafte Kulissen versetzt. Nur ein jahreszeitliches Thema könnte mich noch mehr reizen: Die glitzernden Eishüllen, die entstehen, wenn bei den arktischen Temperaturen dennoch Regen fällt und augenblicklich die Bäume mit unverhoffter Glasur versieht. Schade, das ist bei uns schon seit Jahren nicht mehr vorgekommen.

Vergleiche

Eigentlich versuche ich es zu vermeiden. Aber manchmal sind Vergleiche auch ganz hilfreich. Ich meine solche zwischen der eigenen Arbeit mit der anderer, welche sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. So habe ich heute mal wieder festgestellt, dass meine Texte zur Symbolik der Bäume einen gewissen Ausnahmestatus haben. Viele äußern sich zwar zu ihrem Verhältnis zu Bäumen, was ich sehr schön finde, aber meist geht das nicht über entweder rein subjektive Erlebnisschilderungen oder aber sehr elliptisch anmutende theoretische Betrachtungen hinaus. Gerade so als ob die Anstrengung einer eingehenden Beschäftigung und der Versuch, ein etwas höheres Auflösungsvermögen zu erreichen, unbedingt vermieden werden müsste. Mit macht es jedenfalls Spaß, mich eine Zeit lang in ein Thema wirklich zu vertiefen, um auf diese Weise weitere Mosaiksteinchen im großen und vielgliedrigen Bild der Baumsymbolik zu modellieren. Nur immer alles zu überfliegen, bringt mir nicht viel. Überhaupt meine ich, dass die Formulierung eines Textes die Voraussetzung dafür bildet, überhaupt etwas mit Erinnerungswert dazu zu lernen. Die Kehrseite allerdings: Es wird wohl ein Lebensprojekt, auch nur ansatzweise so etwas wie einen Überblick zu gewinnen. Ich will es dennoch versuchen, und wenn es einige gibt, die die Ergebnisse nutzen können und vielleicht auf diese Art ihre Liebe zu den Bäumen wieder entdecken oder erst neu entdecken, ist meine Baum-Arbeit richtig und nicht nur für mich selber stimmig.

Baumleidenschaften

Im Google Alert ,,Bäume“ habe ich heute zwei interessante Links gefunden: Einen Artikel in der Neuen Westfälischen über den zeitgenössischen Komponisten Krzysztof Penderecki und einen Artikel in der Südostbayerischen Rundschau über den Gartenbauingenieur und Hopfenkenner Thomas Janscheck, der auch als Buchautor kreativ ist. Ich finde es schön zu sehen, dass es auch andere Menschen gibt, die, obwohl einem inhaltlich anders ausgerichteten Hauptberuf folgend, sich dennoch intensiv mit den Bäumen beschäftigen. Nach dem ersten Artikel sind Bäume Pendereckis große Leidenschaft neben der Musik. Da bleibt es nicht aus, dass sich beides durchdringt. So schreibt er etwa gerade an einem Liedwerk über Bäume. Und so komponiert er häufig in seinem Landhaus, umgeben von 30 Hektar Baumlandschaft mit ca. 1.500 Baumarten, wobei ihn, wie er sagt, vor allem die Jahreszeiten, weniger die einzelnen Bäume beim Komponieren beeinflussen. Da kann man wirklich ins schwärmen kommen. So viele eigene Bäume und eine so wunderbare Verbindung von Beruf und privater Leidenschaft! Den Artikel von Sepp Bernauer über die Arbeit Thomas Janscheks erlaube ich mir an dieser Stelle vollständig wiederzugeben, da er, wie ich meine, einen für journalistische Verhältnisse sehr schönen Überblick über das weite Feld der Baumsymbolik bzw. die Verbindung von Mensch und Baum gibt:

,,Laufen: Von Friedenslinden uns Siegeseichen 23.02.2005
Laufen. Diesmal hatte die Laufener Alpenvereins-Sektion keinen Bergspezialisten bei ihrer Monatsversammlung zu Gast. Der Gartenbauingenieur und Hopfenkenner Thomas Janscheck entführte die zahlreichen Zuhörer in die Welt der Mythologie, in die Welt der Bäume mit ihren Märchen, Bräuchen und wundersamen Begebenheiten. „Von Baum zu Baum“, so hatte der Referent schlicht seinen Vortrag angekündigt.

Thomas Janscheck bot einen außergewöhnlichen Vortrag, mit viel Engagement und Sachverstand dargebracht. Dabei zitierte er Weltmänner und Geistesgrößen wie Alexander von Humboldt: „Habt Ehrfurcht vor dem Baum. Er ist ein einziges großes Wunder und euren Vorfahren war er heilig. Die Feindschaft gegen den Baum ist ein Zeichen der Minderwertigkeit eines Volkes und niederer Gesinnung des Einzelnen“. Und der große Heilige Bernhard von Clairvaux schrieb einst: „Du wirst mehr in den Wäldern finden als in Büchern. Die Bäume werden dich Dinge lehren, die dir kein Mensch sagen wird“.

Bereits über 100 „Baumgeschichten“ sammelte Janscheck aus unserem Alpenvorland. All diese Geschichten geben Zeugnis über die vielfältigen Beziehungsformen des Menschen zum Baum. Vor Jahren hat er eine Diplomarbeit über dieses Thema geschrieben, das ihn seitdem nicht mehr loslässt. Schon seit Anbeginn der Menschheit steht der Mensch voller Hochachtung vor besonderen Bäumen, vor gewaltigen Baumriesen, achtet und ehrt Gedenk- und Jubiläumsbäume. Der Wertstoff Holz begleitet ihn von der Wiege bis zur Bahre.
Die Beziehung des Menschen zum Lebewesen Baum ist uralt, scheint laut Janscheck aber heutzutage gestört. Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Baum auch in unseren Breiten ein geachteter Begleiter des Menschen war und nicht nur als seelenlose Nutzpflanze angesehen wird. In den uns umgeben- den Bäumen schlummert ein gewisser Zauber. War der Baum als Gerichtsbaum einst Anlaufpunkt zum Schlichten, so stellt er laut Janscheck heute oft selbst den Anstoß des Streites dar. Die Bäume sind zum Problem in unserer dicht besiedelten Wohnfläche geworden. Unzählige erwürdige Bäume und ganze Alleezüge mussten in den vergangenen Jahrzehnten ihr Leben lassen. Das Ausmaß dieser Fällungen kann als Gradmesser des hektischen Tempos und der Naturentfremdung unserer Zeit gesehen werden.

Schon jetzt kann die junge Generation die einzelnen Autotypen besser auseinander halten als unsere heimischen Baumarten. Thomas Janscheck verstand es hervorragend, seine aufmerksamen Zuhörer mitzunehmen auf eine faszinierende Reise in die geheimnisvolle Mythologie der Bäume. Zahlreiche Geschichten gab er zum Besten, allesamt erfasst in seinem zum Radwandern gedachten Buch.

Einige wenige davon: die „Galgenlinde von Oberaudorf`, die Tassilolinde auf der Fraueninsel, die Franzosenlinde von Albaching, die Herrgottseiche von Aibling, der Buchenwald von Baumburg, die Mozarteiche von Seeon, die Siegeseiche von Ising, die Friedenslinde von Tettelham, der legendäre Birnbaum von Maria Mühlberg bei Waging und – wer kennt nicht die kürzlich durch Sturm gestürzte Kaiserbuche auf dem Haunsberg? All diesen spannenden, gruseligen oder auch amüsanten Geschichten liegen meist Moritaten, oft aber auch wahre Begebenheiten zugrunde. Viele Nationen und Kulturen sind mit „ihren“ Bäumen tief verwurzelt und verwachsen. Dabei steht so manche Baumart geradezu als nationales Symbol. Und obwohl die Eiche seit jeher stark im Bewusstsein der Deutschen verankert ist, erinnerte sich der Deutsche Bundestag an die „linden“ deutschen Wurzeln und erkor zur Feier der Deutschen Einheit die Linde zum Symbolbaum der Deutschen.

Weitere Ausführungen Janschecks: „Jeder Baum ist ein Abbild des Friedens und ein Sinnbild des Beständigen. Ein Bewahrer von Zeit und Raum. Vielleicht passt er deshalb so wenig in unseren heutigen „Zeitgeist“. Vielleicht kann der Mensch aber auch seine Gegenwart unterbewusst nicht mehr ertragen, weil er uns an Größe und Alter überragt. Im Laufe eines Baumlebens ist ein Menschendasein nur eine Episode. Wer heute einen Baum pflanzt, denkt für Enkel und Urenkel und nicht für sein eigenes Auskommen im Hier und Jetzt. Bäume zu pflanzen heißt, für eine Zeit nach uns zu sorgen. Ein solches Handeln setzt ein Bewusstsein voraus, das über das eigene Leben und Sterben hinaus geht“.

Schon zu allen Zeiten pflanzten Menschen bei einer Geburt einen Baum, tanzten in Frühlingslaune um den Maibaum oder versammelten sich in Freundschaft um die Dorflinde. Sogar die Kinder der heutigen Tage toben mit Begeisterung beim Spiel auf ihren Baumhäusern.

Der große Franz von Assisi dankte dem Schöpfer in seinem Sonnengesang für dessen Mutter Erde mit ihrer Vielfalt der Formen und Bäume. Der große deutsche Dichter und Essayist Hermann Hesse schreibt beispielsweise: „Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen vermag und ihnen zuzuhören weiß, der ernährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen das Urgesetz des Lebens“.

Tagtäglich begegnet uns das Mysterium Baum. Sei es als Firstbaum beim Hausbau, als „Stammbaum“ bei der Familienchronik. Bereits die Bibel spricht von einem „Baum der Erkenntnis“ („Baum des Lebens“), die Germanen verehrten ihre „Wodans-Eiche“ und hielten unter alten Linden Gericht. Diese Thinglinden waren der Göttin Freya geweiht. Bei den Germanen war sie die Göttin der Gerechtigkeit und der Freiheit. Der Libanon ist bekannt für seine einzigartigen Zedern und wer hat nicht schon gestaunt über die übermächtig großen Mammutbäume Nordamerikas oder über die berühmten 2000-jährigen Urlärchen des Südtiroler Ultentales? Wer hat als Junge nicht schon mal mit einer selbst gebauten Wünschelrute aus dem Haselstrauch nach einer Wasserader gesucht?
Auch in der Psychoanalyse bedient man sich erfolgreich durch Zeichnen eines Baumes bei der Heilung seelisch bedingter Krankheiten. Laut Janscheck kann eine knorrige Eiche bis zu 1000 Jahre alt werden. Mit ihrer dicken Borke kann sie sogar Waldbrände überstehen. Die Stadt Venedig wurde auf tausenden von Eichenstelzen errichtet. Vor über 1.000 Jahren glaubten die Menschen in Mittel- und Nordeuropa, dass der gesamte Kosmos von der riesigen Weltenesche Yggdrasil zusammen gehalten würde. Um die Weltenesche kreisten Sonne und Mond und in ihrem Wipfel thront Gott Odin.

1. Vorsitzender Hannes Höfer bedankte sich sehr herzlich für den ausgezeichneten Vortrag. Der Referent bat, das Mitgeschöpf Baum nicht nur vom Kosten/Nutzen-Effekt aus zu betrachten, sondern seine Baumgeschichten auf zehn Radtouren, wie in seinem Buch beschrieben, in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein zu „erfahren“ und zu erleben mit einem Lied auf den Lippen: “ Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum!“.

Sepp Bernauer“

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.