Zweiter Super-Sommer?

Die Menschen stöhnen unter der Hitze. Ich frage mich, wie sich die Bäume bei dem länger anhaltenden Sommerhoch nun fühlen. Man kann vermuten, dass wir so etwas ähnliches bekommen wie vor zwei Jahren, was mir damals eigentlich, obwohl in dieser Heftigkeit sehr überraschend, ganz gut gefallen hat. Ein strahlender Sommer mit wirklich hohen Temperaturen erinnert mich eher an meine Kindheit, als Sommer noch sommerlich, und Winter noch winterlich waren. Die Jahreszeiten als solche spüren und beobachten, gehört zu den Reizen unserer gemäßigten Breiten, und ich wünsche mir dies wieder in größerer Deutlichkeit. Jedenfalls wenn alle Lebewesen darunter nicht leiden müssen.

Fruchtlos

Beim Rundgang am Bienenhaus hat sich bestätigt, was vor Wochen schon sich andeutete: Dieses Jahr gibt es so gut wie kein Obst. Die Mispeln sind nur vereinzelt zu sehen, Mirabellen sind gänzlich Fehlanzeige, ebenso die Quitten, Äpfel und Birnen. All dieses Obst war im vergangenen Jahr sehr reichlich vorhanden gewesen. Schuld ist wohl wieder einmal der Frost im Frühjahr. Wenn es der Frost vor einigen Monaten war, dessen Auswirkungen man jetzt an fehlender Fruchtbildung beobachten kann, so sind es die anhaltend hohen Temperaturen der letzten beiden Wochen, die den Bäumen gegenwärtig besonders zu schaffen machen. Alles ist in einem ziemlich trostlosen Zustand. Vor allem die Ebereschen bräuchten anscheinend mehr Wasser, die wenigen Fiederblätter der noch jungen Bäume sind teilweise schon verdorrt. Unser Bienenbaum, den wir vor zwei Jahren als Setzling erworben haben, kommt überhaupt nicht voran und setzt jetzt erst wieder neue Blattknospen direkt am dünnen Stämmchen an. Und auch das Blatt-Grün der übrigen Bäume lässt die gewohnt leuchtende Transparenz vermissen. Nur Nicht-Bäumisches präsentiert sich mit mächtigem Stolz. So unsere Herkules-Staude, ein nicht ganz so prächtiges Exemplare haben wir auch hinterm Haus. Ich bin erstaunt über die Höhe der Pflanze, und über ihre baumartige Gestalt. Hier sind ein paar Aufnahmen:

Herkules-Staude

Herkules-Staude

Herkules-Staude

Waldsterben

Das Waldsterben ist ein wohl typisch deutscher Mythos. Eines der Wörter, die unübersetzt internationale Karriere gemacht haben und auch im Ausland zur Beschreibung einer Schadensentwicklung bei den Bäumen benutzt wird. Freilich hat sich der Inhalt der Diskussion irgendwann verselbständigt, bis irgendwann Zweifel aufkamen über die vordem wie selbstverständlich und allgemeingültig dahin gestellten Thesen vom sauren Boden und der Schadstoffbelastung der Luft, die die Bäume absterben lassen. Der Expertenstreit in dieser Sache wird wohl nie aufhören. Jetzt kursiert in den Nachrichten ein neues Thema, welches die bisherigen Thesen relativiert. Ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz soll neben den bekannten Faktoren, zumindest bei den bisher daraufhin untersuchten Laubbäumen, wesentlich zum Sterben vieler Bäume beitragen. Dieser Pilz lässt den Nachrichten zu Folge das Feingeflecht der Wurzeln verkümmern und ruft in den Rindenschichten eine krank machende Infektion hervor. So wäre wie in vielen Fällen von weltweit kursierenden Krankheiten und Epidemien, die Globalisierung, der weltweite Handel und Tourismus einmal mehr dafür verantwortlich, dass sich beträchtliche Umweltgefährdungen überall auf der Welt ausbreiten, obwohl der ,,Übeltäter“ ursprünglich nur in einer bestimmten Region zu Hause ist. Ich bin gespannt, ob diese neue Nachricht etwas mehr Bewegung in die Diskussion um Ausmaß und ökologische Bedeutung des Waldsterbens bringen wird.

Bianca – Wege zum Glück

Das völlig unerwartete ist passiert: Judith ist gestorben, kurz nachdem sie von dem Verhältnis Olivers mit Bianca erfahren hatte und eine ganze Welt in ihr zusammengebrochen war. Das sind die Dramen, die in der Telenovela ,,Bianca“ täglich um 16.15 über die deutschen Fernsehbildschirme laufen. Ich weiß, dass viele, über alle Altersklassen verteilt, völlig begeistert schon seit Monaten dieses Fernsehereignis verfolgen, mich selber eingeschlossen. Und es ist kein Wunder, denn die Serie ist ganz einfach klasse gemacht. Ich bewundere vor allem den Drehbuchautor bzw. das Autorenteam, das sich durch eine geradezu grenzenlose Phantasie auszeichnet und auch die verschlungensten Zusammenhänge geschickt miteinander arrangiert. Dass das mit den Alltagserfahrungen des Normalbürgers nichts zu tun hat, ist sicherlich eine der Voraussetzungen des Erfolgs. Dennoch werden Emotionen angesprochen, die in abstrakter Form jedem geläufig und verständlich sind. Insofern sehe ich diese Telenovela als echtes Kunstwerk an, das die Eigenkreativität des Rezipienten fordert und gleichzeitig emotional den Rezipienten mobilisiert. Am Schluss der heutigen Folge war es wieder einmal ein Baum, nämlich der Liebes- und Treffen-Baum von Oliver und Judith, der diese Emotion zu transportieren half.

Alte Bäume und moderne Medizin

Ein wirklich beeindruckendes ehemaliges ,,Anstaltsgelände“, in das das neue Krankenhaus geschickt integriert wurde. Inklusive der alten Sandsteinbauten, die das moderne Haus u-förmig einschließen. Dazwischen ein parkartiger Innenhof, in den einige noch junge Bäume gepflanzt wurden und der zum schlendern einlädt. Am spannendsten aber sind die Parkstreifen an den Außenseiten entlang, in denen gewaltige alte Bäume, darunter mächtige Linden, Buchen, Spitzahorn und Tulpenbäume zu finden sind. Heute bin ich etwas weiter gegangen und am Rande des Areals auf das haus von M. und C. gestoßen. In deren Garten stehen ja auch diese wahnsinnig dicken Platanen. Bewundernswert jedenfalls, wenn sie es schaffen würden, die Renovierung des Hauses endlich abzuschließen. Es könnte ein Schmuckstück in idyllischer Umgebung sein.

Experten-Image

Zumindest in den Augen meines Zimmergenossen habe ich so eine Art Expertenstatus in Sachen ,,Bäume“. Wohl, weil ich bei dem gemeinsamen kleinen Erkundungsgang vorgestern über mein Lieblingsthema erzählt und einige Bäume benannt habe. Jedenfalls hat er heute seiner Frau von diesen meinen Kenntnissen berichtet, und dass ich sie vielleicht bei der symbolträchtigen Auswahl eines hausnahen Lebensbaums beraten könnte. Diese meinte daraufhin, meine Sicherheit im Bestimmen der Bäume sei doch eine Idee für ,,Wetten dass!“. Das Erkennen der Holzart, ausgehend vom Geruch des Holzstaubs, eine weitere kuriose Fähigkeit meinerseits, sei da wohl die attraktivere Wette, war meine Erwiderung. Einige Stunden vorher hatte ich den vermeintlichen Expertenstatus untermauert, indem ich einen kleinen Baum im Innenhof auf Wunsch des Zimmergenossen als Zierkirschbaum bestimmt hatte. Der Tag geht mit einem strahlenden Sommerlicht und wohltuendem leichtem Windhauch zu Ende, während das Licht sich in den grau-silbrigen Unterseiten der Lindenbaumblätter reflektiert und sich Patienten und Besucher im Hof und auf der Caféterrasse sommerlich entspannen.

Der seelische Ausgleich

Passend zum Sommeranfang eine absolute schwül-drückende Hitze. Vermutlich ist es da für mich besser im Zimmer zu bleiben, ich will den Kollabs jedenfalls nicht provozieren. Im übrigen dieselbe unklar-unwahrscheinliche Situation wie bei früheren Aufenthalten. Dass ich trotz des unbefriedigenden Zustands noch relativ gelassen bin, hängt wohl mit der Routine in diesen Dingen zusammen. Sicherlich aber auch mit dem seelischen Ausgleich, den mir die Beschäftigung mit zweck-losen Themen wie der Symbolik der Bäume beschert. Hier finde ich eine Ruhe und Bescheidenheit, wie ich sie in keiner Kommunikation erfahren kann.

Bäumische Attraktionen

Die Linde war auch heute wieder Schauplatz und Anlass reger Diskussionen. Vom ruhigen und schattigen Versammlungsplatz hat sie sich am Nachmittag zum Anziehungspunkt für Neugierige gewandelt. Der Grund war ein großer Bienenschwarm, der das Zentrum des blühenden Baumriesen umschwärmte. Nach wenigen Stunden zahlreicher Gespräche über dieses Ereignis löste er sich wieder auf. Und die Bank unter ihm wurde langsam wieder bevölkert. Am Abend dann der überraschende Vorschlag von L., unter einem Baum des umgebenden Parks etwas kühlere Entspannung zu suchen. So brachen wir zu dritt auf und fanden auch tatsächlich eine freie Bank unter einer inzwischen abgeschatteten Baumgruppe. Im Rücken und an der Seite zwei Rosskastanien, und direkt über der Bank ein heiterer Spitzahorn. Im Gespräch ging es um die Vergangenheit des Ortes und ob die Vergangenheit auf die gegenwärtige Nutzung Einluss habe. Und natürlich – aus gegebenem Anlass – um die Bäume. Vielleicht konnte ich G. in Sachen Lebensbaum einige Anregungen geben. Und vielleicht ist die Symbolik der Bäume nun für einen weiteren Menschen ein zumindest nachdenkenswerter Begriff.

Wunderlinden

Die großen Bäume im Innenhof des K. kannte ich bereits von den Besuchen bei J. Als ich sie das erste Mal sah, beeindruckten sie mich wegen ihrer majestätischen Wuchsform und Höhe. Da es aber im Winter war, konnte ich sie nicht identifizieren, am ehesten hätte ich auf Grund der Rinde auf eine exotische, in unseren Breiten normalerweise nicht heimische Art getippt. Umso überraschter war ich, als ich sie einige Monate später als Linden erkannte. Tatsächlich waren mir solche Linden mit einer Verzweigung des Stammes schon zwei Meter über dem Boden noch nie unter die Augen gekommen. Jetzt, wenige Tage vor Sommerbeginn, strahlen ihre Blüten im hellen Sonnenlicht. Und die Bänke unter ihren Dächern laden, wie sich das für Linden gehört, zum Ausruhen im wohltuenden Schatten ein. Hier zeigt sich einmal wieder, wie stark und positiv Bäume ihre Umgebung beeinflussen und zum Wohlbefinden beitragen können.

Zauberlos

Als ich das letzte Mal den Park der Andersdenkenden besucht habe, ging es mir wesentlich besser. Dabei war heute ein wunderschöner Sonnentag. Leider haben dieses Hochdruckwetter und die Aura des Ortes ihren Zauber nicht auf mich übertragen können. Auch die alten Bäume und die Anlage des Parks nicht. Ich wünsche mir gegenwärtig nichts mehr, als dass ich aus diesem Zustand klug werden kann. Und dass man mir dabei behilflich ist.

Baumkunde

Bei der routinemäßigen Baum-Themensuche in google bin ich auf die Seite www.baumkunde.de gestoßen. Eine Seite zweier engagierter Baum-Freunde, die sich eine Archivierung und Beschreibung möglichst vieler Baumarten vorgenommen haben. Dass die beiden in baum-fremden Berufen tätig sind und ihre Ergebnisse in recht schlichtem Design präsentieren, tut der Qualität und Attraktivität des Angebotes keinen Abbruch. So stellt sich die Seite als Fundgrube auch exotischer Baumarten dar, die mit fotografischen Abbildungen der Blüten, Früchte, Blätter, Knospen, Zweige und der Gesamterscheinung sowie stichwortartigen textlichen Beschreibungen illustriert sind. Dass diese Art der Beschäftigung mit Bäumen große Resonanz findet und auch kommunikativ außerordentlich anschlussfähig ist, zeigen die vielen Gästebucheinträge und Forumsbeiträge von Besuchern. Soviel Interaktion ist bewundernswert. Trotzdem scheue ich mich nach wie vor, unter wunschbaum.de ein Forum zur Symbolik der Bäume einzurichten – aus zeitlichen Gründen, aber auch, weil sich dieses Themenfeld möglicherweise nicht so gut fokussieren lässt. Da könnte der Faden schon eher mal abreißen.

Arbeitsmarktpolitik und kommunale Grünanlagen

Die Reformen in der Arbeitsmarktpolitik haben wenigstens ein Gutes: Die Grünanlagen der Städte und Gemeinden werden auf Grund der vielen 1-Euro-Jobs besser gepflegt als in den vergangenen Jahren. Das soll nun aber kein sarkastischer Scherz sein: Tatsächlich habe ich großen Respekt vor Menschen, die Gelegenheiten, wie die 1-Euro-Jobs wahrnehmen, um trotz extrem widriger Arbeitsmarktverhältnisse irgendwie noch partizipieren zu können. Jeder weiß heute, dass er morgen mit dieser Frage konfrontiert sein kann. Und jeder sieht, dass neuerdings Menschen in den Grünanlagen tätig sind, die man vor Jahren in solchem Rahmen niemals angetroffen hätte. Ein Beitrag für das Gemeinwohl, weil die Bäume und Pflanzen auf diese Art besser gepflegt werden. Aber vor allem ein Armutszeugnis für die deutsche Politik, die Konstellationen schafft, die aus der Sicht des Einzelnen keinerlei Perspektiven eröffnen und mit den persönlichen Qualifikationen oder Neigungen in der Regel rein gar nichts zu tun haben. Wenn überhaupt jemand, dann hätten sich die politisch Verantwortlichen für die Umstände zu entschuldigen. Sollten Sie es nicht tun, so werden sie sich hoffentlich wenigstens schämen.

Neue Triebe

Während des Frühsommers zeigen die Bäume häufig einen zweiten Laubaustrieb. Man sieht dann sehr deutlich, wie sich die neuen Triebe von den bereits einige Wochen alten absetzen. Gestern konnte ich das beim Feldahorn beobachten. Bei diesem hatte es aber wohl noch einen anderen Grund: Der Großteil der Blätter ist derart von den Raupen zerfressen, dass die Bäume wohl so etwas wie eine Ausgleichsreaktion nötig haben, um die nur noch teilweise funktionierende Photosynthese neu anzukurbeln. Heute sind mir die Neutriebe vor allem bei den Hainbuchen aufgefallen. Nie zuvor hatte hatte ich bemerkt, wie deutlich sich die jungen, sich entfaltenden Blätter farblich von den älteren unterscheiden. Sie sind dunkelrot und scheinen sich erst später ins Grün zu wandeln. Vielleicht erfahre ich irgendwann einmal, wie dies zustande kommt bzw. warum die anderen Blattfarbstoffe zunächst dominieren.

Raupenfraß

Die Raupen scheinen in diesem Jahr tatsächlich ein Problem zu sein. Die Nachrichten zum Stichwort Bäume häufen sich, welche über die Raupenplage gerade an den Eichen berichten. Wie ich gelesen habe, kommt so etwas nur alle paar Jahr vor und dann kehrt sich das Gleichgewicht der Raupenpopulationen wieder ins Gegenteil. Tragisch ist es für solche Bäume, die es nicht mehr schaffen, neues Laub auszubilden. Die können tatsächlich eingehen, während es wohl für die meisten eher ein ästhetisches Problem darstellt, welches die Bäume, unter einem gewissen Stress zwar, aber dennoch ohne größere Probleme überleben. So hat jedes Jahr seine Besonderheiten, die den Eindruck der Jahreszeiten mitprägen. Möglicherweise wird sich das Licht-Grün dieses Sommers anders zeigen als in den Vorjahren, wenn die Transparenz der chlorophyllgetränkten Blätter durch Raupenfrass durchbrochen ist. Ich hoffe, dass wir wenigstens viel Licht bekommen und es nicht wieder so durchwachsen wird.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.