Zwei anmutige Birken

Ich dachte schon, es würde ein baumloser Tag. Aber auf der Rückfahrt aus W. am Abend hatte ich dann doch noch ein Erlebnis. Zwei schlanke und ungleich alte bzw. hohe Birken standen rechts und links der Straße, ganz nah an der Fahrbahn. Sie waren nicht genau gegenüber platziert, sondern um etwa fünf Meter versetzt. Und doch schienen sie zusammen zu gehören. Wie Mutter und Tochter sozusagen, leicht über die Fahrbahn zueinander geneigt, so als ob sie allein für diese Straße als Begleiter oder Beschützer oder einfach nur zur Verschönerung gemacht wären. In der Abendsonne haben sie ihre ganze elegante und lichte Majestät offenbart und ein glänzendes Bild abgegeben. Wenn ich nur einen Fotoapparat dabei gehabt hätte, das wäre eine schöne Aufnahme geworden. Vielleicht hole ich das ein andermal nach, sofern es möglich ist, denn der Eindruck lebt eben immer vom jeweiligen besonderen Moment und der eigenen Stimmung. Irgendwie ist keiner wiederholbar – schade eigentlich.

Hochzeits-Symbol

Der Ginkgo ist ein sehr schönes Symbol für die entzweite Zweisamkeit. Oder besser: Für das Einssein trotz deutlicher Differenzen. Für die Einheit der Differenz – würden Systemtheoretiker sagen. Jedenfalls habe ich mich heute des Ginkgos erinnert, als es darum ging, eine Glückwunschkarte zur Hochzeit eines Kollegen zu gestalten. Einen besseren Hintergrund hätte ich nicht finden können. Da kam mir die Fotografie eines herbstlich-gelb gefärbten Ginkgoblattes aus dem Stadtpark in M. sehr entgegen, welches ich im letzten Jahr erst aufgenommen hatte. Zumal es auch noch einen inhaltlichen Bezug zum eigentlichen Geschenk bedeutet. Eine wirklich runde Sache, mit der ich sehr zufrieden sein kann. Ich hoffe, der Beschenkte wird die Vielschichtigkeit realisieren.

Kunststoff-Holz

Ich habe selten so ein merkwürdiges Holz erlebt wie das der – vermeintlichen – Zeder. Ich muss noch genauer recherchieren, ob es sich wirklich um eine Zeder gehandelt hat, und wenn, um welche Art genau. Von dem Baum habe ich vor ca 2 Jahren gewaltig dicke Abschnitte erhalten, die ich sogleich zu unterschiedlich geformten Rohlingen verarbeitet habe. Von Anfang an haben mich das Voluminöse, die kräftige organge-rot-gelbliche Farbigkeit, die lebendige Struktur und der intensive von ätherischen Ölen schwangere Duft fasziniert. Seitdem die Teile auf dem Speicher lagern habe ich sie aber weiter nicht beachtet. Nun also doch ein Armband – bei der Arbeit schon war ich überrascht. Das extrem breitringige Holz hatte eine Konsistenz wie Kunststoff, wie mit Hochdruck zusammengepresster Zellstoff, ganz anders im Verhalten wie ,,normales“ Holz. Deshalb hatte ich gleich Zweifel, ob das was Vernünftiges werden kann. Auch schien mir der Rohling sehr stumpf. Nach dem Imprägnieren im Öl scheint es mir nun aber sehr attraktiv, zudem unempfindlich gegen Feuchtigkeit und mit einer sehr differenzierten Mikrostruktur versehen. Mal abwarten, wie es sich weiter verhält. Möglicherweise ist mir da doch ein überraschend guter Fang gelungen.

Die Idee des Lebensbaums

Heute wieder ein Armband – diesmal aus dem Holz der Eberesche. Besonders interessant: Es ist für ein Kleinkind (1 Jahr) bestimmt und als Lebensbegleiter gedacht. Dass es getragen wird, ist dabei unwesentlich, die Schenkerin fasst es als Erinnerungsstück für ihr Taufkind (so heißt das in Österreich) auf. Das kommt eigentlich der Idee des Lebensbaums sehr nahe. Denn in dieser Idee geht es ja eigentlich um eine geistige Beziehung, weniger um den Gebrauchsaspekt. Und wenn ein Kind, das zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt ist, über Bäume und der Symbolik nachzudenken, einige Jahre später mit seinem Lebensbaum konfrontiert wird und gleichzeitig erfährt, dass er bereits in seinem ersten Lebensjahr symbolisch ,,gepflanzt“ wurde, finde ich das sehr schön und eine sehr gelungene Anwendung des Gedankens.

Reiz der Arten

Nun hat mich die Begeisterung für einzelne Holzarten doch wieder gepackt. In den letzten Jahren war dieses Thema eher in den Hintergrund getreten, zu Gunsten der allgemeinen Baum-Themen. Aber die Beschäftigung mit bestimmten Arten hat eben doch ihren Reiz, besonders wenn es gelingt, wie im Falle der Armbänder, die Symbolik in eine präsentative Form zu packen. Als nächstes habe ich mir einige Arten vorgenommen, die nicht im Baumkreis enthalten sind: Libanon-Zeder, Kirschbaum und Platane. Auch den Zwetschgenbaum und den Birnbaum könnte ich mir mal wieder vornehmen. Und vielleicht einige Exoten, jedenfalls wenn ich das Holz auftreiben kann. Ich denke etwa an den Ginkgo, den Mammutbaum und verschiedene tropische Hölzer. Mal sehen, wie ich mich selber überraschen werde.

Die neue Flut

Ich bete für die Menschen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz, dass sie bald von den verheerenden Wassermassen befreit werden. Bedeutende Kulturgüter sind durch das Hochwasser in Gefahr geraten. Um sie ist man ebenso besorgt wie um die Unversehrtheit der Wohnhäuser und Wohnungen. Es soll Schwemmholz sein, welches vielerorts das schnelle Abfließen behindert. Und ganze Bäume, die sich querlegen, anderes Schwemmholz festhalten und somit weiteren Rückstau erzeugen. Wenn so etwas überhaupt irgendeinen Sinn macht, dann doch den, die Aufmerksamkeit einmal mehr auf die ökologischen Folgen menschlicher Eingriffe zu lenken. Und so ist die Frage natürlich berechtigt, ob Hochwasser und Überschwemmungen in so gehäufter Form denkbar wären, lebten wir heute noch in einer Wald-Kultur.

Immer weiter

Der Impuls zur Weiterentwicklung der Internet-Seiten kommt immer wieder wie von selbst. Ich könnte nicht sagen, was jeweils den Anstoß gibt. Aber ich bin dann selbstbetrachtend doch überrascht, wie das eine oder andere Thema sich in den Vordergrund schiebt. Die neueste Aktualisierung betrifft den Armbandshop, den ich neu strukturiert und um ein neues Produkt erweitert habe. Und schon fällt mir alles wieder ein, was ebenfalls längere Zeit brach gelegen hat und nun wieder in Angriff genommen werden müsste. Es geht eben nur nacheinander und mit phasenweisem Engagment. Das ist die Art, wie ich das Projekt voranbringe.

Blickfänge

Manche Menschen haben von ihrer Wohnung aus eine traumhafte Aussicht. So auch Peter M., den ich heute zum vierten Mal aufgesucht habe. Bei der Planung des neuen Hauses hat der Däne (das habe ich heute ebenfalls erfahren) viel Gespür für die Landschaft gezeigt. Der Behandlungsraum der Praxis am Ortsrand eröffnet durch bis zum Boden gehende Glaswände einen herrlichen Blick auf die umgebende Hügellandschaft. Ein wirklich beeindruckender Arbeitsplatz, da könnte man glatt neidisch werden. Und ebenso angenehm und entspannend natürlich auch für die Patienten. Bei der Rückfahrt durch diese mir bisher ziemlich unbekannte Gegend ist mir etwas Interessantes aufgefallen. Auch baumarme Landschaften können einen besonderen Reiz haben. Ich glaube, der liegt in der Weite, die ohne die bäumischen Marken intensiver wahrnehmbar ist. Der Blick wird dann von den Linien des Horizonts, der Feld- und Wiesenbegrenzungen in verschiedene Richtungen gelenkt. Wo aber Bäume vorherrschen, beanspruchen sie sofort die primäre Aufmerksamkeit.

Missbrauchte Platanen

Es gibt verschiedene Arten, die Platanen zu schneiden. Merkwürdigerweise finde ich die radikal gestutzten, die wie lebende Skulpturen wirken und einen sehr begrenzten Blätterschmuck tragen, am markantesten und beeindruckendsten. So wie sie in Innenstädten als Begrenzung von Marktplätzen oder in Alleeform gepflegt werden. Wenn man den Baum seinem natürlichen Wachstum überlässt, wird er dagegen sehr ausladend und relativ hoch, so dass man ihn leicht mit anderen Arten, z. B. dem Spitzahorn verwechseln kann. Für mich aber ist es, vermutlich weil ich ihn meistens in dieser Umgebung wahrnehme, vornehmlich ein Stadtbaum, dessen Charakter vom menschlichen Eingriff geprägt ist. Auf eine Weise, bei der man denkt, es liegt in der Natur des Baumes, solche Eingriffe zuzulassen und sich dabei sogar noch wohl zu fühlen. Vielleicht ist das tatsächlich so. Allzu zweckdienlich eingesetzt aber haben die Platanen gelegentlich eine geradezu ordinäre Ausstrahlung. So heute gesehen in der Fußgängerzone in S., wo die Bäume schon in sehr jungem Alter knapp gehalten wurden und bei ihrer geringen Höhe und den kurzen Ästen übermäßig große Blätter tragen. Dem Zweck dienlich, den Passanten und Cafebesuchern den sommerlichen Schatten zu spenden, aber in einer Weise missbraucht, die selbst den Platanen nicht sympathisch sein kann.

Luxus-Autos und Edelhölzer

Manchmal kann einen sogar Zeitschriftenwerbung noch überraschen. Habe heute im Wartezimmer von M. den Spiegel durchgeblättert und dort eine dreiseitige Anzeige von VW zum ,,Phaeton“ gesehen. Die erste Seite stellte den neuen Phaeton im Bild dar, versehen nur mit ein paar Worten, die den Text auf der folgenden 2. und 3. Seite der Anzeige einleiten. Diese beiden gegenüberliegenden Seiten bestehen nur aus Text, der sich ausschließlich um die Nussbaum-Wurzelholz-Verkleidungen und Armaturen im Innenraum des Wagens dreht. In großer Ausführlichkeit wird erläutert, wo und in welchen verschiedenen Schritten die Nussbaumholz-Maserknollen aus Kalifornien ausgewählt werden, wie sie verarbeitet und wie sorgfältig dabei auf ein stimmiges Gesamtbild und die Vermeidung aufeinander stoßender Maserungs-Strukturen geachtet wird. Auch stellt der Text dar, wie die Furniere in mehreren weiteren Arbeitsschritten gebeizt, lackiert, mit anderen Trägermaterialien verleimt und in plastische Formen gepresst werden. Alles in Handarbeit, wie besonders deutlich hervorgehoben wird. Interessanter Ansatz, diese Werbung. Sie zielt auf ein besonderes ästhetisches Merkmal dieses Wagens der gehobenen Klasse an und nimmt die Sorgfalt in diesem Bereich als Verkaufsargument für die (vermutlich vermögenden) poteniellen Kunden. Aber auch für die, welche sich solche Autos nicht leisten können, gibt sie interessante Einblicke in das Herstellungsverfahren und in die Denkart des Automobil-Marketing. Spannend finde ich dabei vor allem die Konfrontation eines hochtechnisierten, mit Elektronik voll gestopften Kunstprodukts mit einem Naturmaterial, das mit ebenso großem technischen Aufwand der Logik des Produkts angepasst wird, nur um einen kleinen Teil seines Wertes, nämlich eine gewisse ästhetische Anmutung zu transportieren.

Herbstliche Ruhe

Die Atmosphäre ist aggressiv derzeit. So wünsche ich mir eine baldige Rückkehr zu einem normalen Alltag und zu meinen Lieblingsthemen. Es ist nicht schön, sich ständig mit gesundheitlichen Fragen, Ärzten, Therapeuten und sich permament widersprechenden Ansichten auseinanderzusetzen. Und das in einer Situation, in der man einfach auf fremden Rat und externe Hilfe angewiesen ist. Der Herbst möge Ruhe und Klarheit bringen und die Dinge wieder in ihre gewohnten Bahnen zurück lenken. Und er möge mir die Zeit bringen, die vielen noch nicht ausformulierten Baum-Themen weiter zu entwickeln und die vielen noch nicht fotografieren Motive zu erfassen. Und die vielen anderen gestalterischen Projekte mit Lust und Ausdauer angehen zu können.

Frühherbst-Impressionen

Heute konnte ich eine Reihe weiterer Tot-Holz-Aufnahmen machen. Vielleicht ist es ein Zeichen für den nahenden Herbst, dass mir solche Motive plötzlich ins Auge springen. Auch sonst gab es eine Menge an den beiden Seiten herumzubasteln. In einigen Teilen, denke ich, ist ohnehin eine Revision notwendig. In punkto Herbst begeistern mich am meisten die vielen blühenden Wiesenkräuter und -blumen, die in meinen Augen für den ausgehenden Sommer stehen.

Fruchtstand der Wilden Möhre

Besonders toll: die Fruchtstände der wilden Möhre. Aber auch die Blätter färben sich schon. Wie immer ist als einer der ersten der Hartriegel dran, dessen Blätter sich vom Rand her rötlich verfärben und sich zunehmend in schwarz-blaue Punke zersetzen.

Hartriegel im Herbst

Ginkgo ?biloba?

Efeu-Fraktal

Der Ginkgo ist schon ein merkwürdiger Baum. Ich weiß nicht, ob er mich ohne das Hintergrundwissen um seinen botanischen und symbolischen Sonderstatus auf Grund seiner Erscheinung allein beeindrucken würde. Er tritt in verschiedenen Gestalten auf, häufig bohnenstangenartig mit kurzen seitlich abstehenden oder verdrehten Seitenästen, gelegentlich aber auch breitkronig und ausladender. Auffällig immer seine gefurchte markante Rinde – und natürlich die Blätter mit der faszinierenden Parallel-Nerven-Struktur. Weibliche Bäume mit den mirabellenartigen Früchten scheint es hierzulande gar nicht zu geben. Jedenfalls ist mir noch keiner unter die Augen gekommen. Der hohe, aber schmale Ginkgo am alten Schwimmbad scheint schon ein gewisses Alter zu haben. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Blattform in Abhängigkeit vom Alter varriiert. Dieser Baum nämlich trägt die bekannten zweilappigen Blätter (,,biloba“), auf die sein botanischer Name zurückgeht, und gleichzeitig solche, die fächer- oder spachtelartig geformt sind, bei denen also die trennende Einkerbung fehlt. Die Fotos zeigen die beiden Versionen.

Efeu-Geheimnisse

Ich hatte es vor einigen Tagen schon festgestellt: Der Efeu trägt zwei Arten von Blättern. Die normalen fünflappigen und die herzförmigen, die an den Blütentrieben erscheinen. Heute aber ist mir erst klar geworden, warum mir das nie aufgefallen war. Es hat mit dem Alter des Efeu zu tun. Obwohl der Bewuchs an der Grotte hinter dem Haus schon über 45 Jahre alt ist, haben wir im letzten Jahr erstmals Blüten und Früchte festgestellt. Letztere lassen sich übrigens wunderbar in Adventskränze einbinden. Erst wenn sie ein fortgeschrittenes Alter erreicht haben, beginnen die Pflanzen zu blühen und Früchte auszubilden. Das kann allerdings nicht immer 45 Jahre dauern. In D. z. B. sind einige Parklaternen mit Efeu umrankt, der üppig blüht. Und da der Park höchstens 15 Jahre alt ist, muss die Blühbereitschaft noch von anderen Faktoren beeinflusst sein. Vielleicht komme ich noch dahinter.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.