Zeit des Esskastanien

V. hat heute die ersten Kastanien gesammelt. Vielleicht waren es auch schon die letzten. Er ist sich nicht sicher, ob sie schon ausgegangen sind oder erst noch kommen. Ansonsten war es wohl ähnlich wie im letzten Jahr. Nur an einem größeren Baum konnte man auch größere Kastanien finden, die anderen waren ziemlich mickrig. Es wird reichen, nach 3-4 mal hat man ohnehin genug, der Rest schrumpelt zwischenzeitlich erfahrungsgemäß ein und muss dann doch entsorgt werden. Na, mal sehen, ich würde gerne auch noch wenigstens einmal suchen gehen, gehört einfach zur Jahreszeit. Ich hoffe nur, dass die Wildschweine es bis dahin nicht übertrieben haben.

Warten auf die goldene Jahreszeit

Na ja, mit dem goldenen Herbst ist es bisher noch nicht weit her. Ich hoffe doch, dass er nicht, wie im vergangenen Jahr, ins Wasser fällt und die Blätter zu Boden fallen, bevor sie sich überhaupt verfärben konnten. Es wäre ein Verlust an landschaftlicher Schönheit, die nun mal damit verbunden ist. Hoffe also noch auf die romantischste Naturerscheinung des Jahres (oder ist es doch eher das Blühen des Frühlings?) Auch weil ich meine Galerie der Herbst-Fotografien gerne etwas erweitern möchte.

Romantische Kampfmethode

Nicht alles am Herbst und seiner typischen Stimmung ist romantischer Natur. Was für uns ein spektakuläres Naturschauspiel dieser Jahreszeit ist, die Laubfärbung nämlich, lässt sich aus Sicht der Bäume als biologische Kampfstrategie betrachten. Dies jedenfalls haben amerikanische Wissenschaftler herausgefunden. So ein heute erschienener Bericht auf www.wissenschaft.de:

11.10.2005 – Chemie
Wie ein Baum seine Konkurrenten rot sehen lässt

Ahornbäume produzieren im Herbst rote Farbstoffe, die für andere Pflanzen giftig sind

Die intensiven Herbstfarben einiger Bäume sehen nicht nur schön aus, sie dienen den Pflanzen auch als Waffen: Amerikanische Wissenschaftler haben entdeckt, dass die Pigmente, die beispielsweise Ahornblättern ihre dunkelrote Färbung verleihen, wie Unkrautvernichtungsmittel wirken. Fallen die gefärbten Blätter im Herbst zu Boden, gelangen die giftigen Farbstoffe nach und nach ins Erdreich und verhindern, dass sich im nächsten Frühjahr Konkurrenz in der direkten Nachbarschaft des Baums breitmacht. Über die Entdeckung von Frank Frey und Maggie Eldridge berichtet die Colgate-Universität in Hamilton.

Im Herbst beginnt sich der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll zu zersetzen und enthüllt dabei nach und nach andere Pigmente in den Blättern, deren Farben sonst von der grünen Färbung überdeckt sind. Meistens handelt es sich dabei um Carotinoide, die den Bäumen eine gelbliche bis orangefarbene Tönung verleihen. Anders sieht es bei Ahornbäumen und einer Handvoll anderer Arten aus: Sie erstrahlen im Herbst in dunklem, intensivem Rot. Verantwortlich dafür sind nicht ständig vorhandene Farbstoffe, sondern eigens hergestellte dunkelrote Pigmente, berichtet Studienleiter Frey. Diese so genannten Anthocyane verleihen beispielsweise auch dem Rotwein seine Farbe.

Warum die Bäume allerdings ausgerechnet im Herbst, wo sie alle verfügbaren Ressourcen für den harten Winter benötigen, solch aufwändigen Farbstoffe produzieren, konnten Wissenschaftler bislang nicht erklären. Um dieses Rätsel zu lösen, behandelten Frey und Eldridge Salatsamen mit Extrakten aus roten und grünen Ahornblättern sowie grünen und gelben Buchenblättern. Das Ergebnis: Während die grünen und gelben Extrakte den Samen nichts anhaben konnten, beeinträchtigte der rote Sud sowohl ihre Keimfähigkeit als auch das Wachstum der jungen Pflanzen.

Anthocyane sind während der vergangenen Jahre wegen ihrer antioxidativen und damit gesundheitsfördernden Eigenschaften berühmt geworden. Dass sie außerdem wie ein Unkrautvernichtungsmittel wirken, ist nach Ansicht von Frey jedoch nicht überraschend: Ihre Struktur ähnle schließlich der von Catechin, einem pflanzlichen Gerbstoff, der auch die Wurzelzellen verschiedener Pflanzen abtöten könne. Außerdem seien Anthocyane in der Lage, das Wachstum von Krebszellen zu hemmen, wie aktuelle Studien gezeigt hätten.

Mitteilung der Colgate-Universität, Hamilton

ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel

Totholz-Skulpturen

Und im Nass der Flachwasserzone zeigen sich die skurrilsten Totholz-Skulpturen. Dort wo vor Jahren noch Bäume standen, ragen mittlerweile abgefaulte Stümpfe aus dem Wasser, oftmals mit Moosen bedeckt, oder neu ausschlagend. Wenn sich solche Tot-Gewächse ineinander schachteln entstehen seltsame Gebilde, die besonders in der kälteren Jahreszeit auffallen, da sie eine unwirkliche Landschaft erzeugen.

Totholz

Im späteren Hochwinter wirkt das bei vereister Fläche besonders eindrücklich:

Totholz

Baum-Skulpturen

Anfang Oktober gibt es in Wald und Flur noch mehr zu entdecken als man vermuten würde. Vielleicht liegt es am sagenhaften Wetter mit unverhältnismäßig hohen Temperaturen, die dem Spaziergänger den Blick auf Blüten und Früchte verschärft. Aber immer wieder begegne ich den Bäumen auch in ihrer Gesamtgestalt, immer dann, wenn die Lichtverhältnisse das Individuelle über das Artgemäße hinausheben und es damit betonen. Auch heute bin ich wieder solchen Formen begegnet, an einer Baumgruppe am Rand der Flachwasserzone seitlich der Saar, die das besondere Licht geradezu anzuziehen scheint. Sie wird darin zur Baumskulptur, zur höchst eigenwilligen Form, die die Dynamik der Wachstums und das Zusammenspiel der Individuen eindrucksvoll in Szene setzt:

Baumensemble

Baumensemble

Großer Sägetag

Wir haben praktisch den ganzen Tag über gesägt. War aber auch eine ungeheure Menge, mindestens 4 m3 Holz aus dem Sägewerk. Schwartenware, d. h. das was das Gatter an den Rändern übrig lässt und nicht mehr als Brett oder Bohle brauchbar ist. Für Kleinholz zum Anfeuern ist das ganz gut geeignet, und der Sägewerker gibt das in dicken Bündeln für sehr wenig Geld ab. V. hat sich allerdings in der Menge ganz erheblich verschätzt. So viel Holz klein zu sägen ist eine ermüdende Angelegenheit. Wir haben dazu eine neue Kreissäge mit 3 KW Leistung genutzt und den Strom, da beim Bienenhaus nicht vorhanden, über ein Aggregat erzeugt. Na ja, jedenfalls hat das Wetter einigermaßen mitgespielt und außerdem haben wir jetzt genug Kleinholz für die nächsten Jahre. Auch wenn wir beide heute Abend ziemlich fertig sind. Glücklicherweise ist morgen Sonntag, also Ausruhtag, den wir in diesem Fall mal wörtlich nehmen werden.

Der Wunschbaum und die Wege zum Glück

Ich bin ganz hin und weg: Gleich in der zweiten Folge der neuen Telenovela ,,Julia – Wege zum Glück“ kam ein Wunschbaum vor. Und nicht irgendeiner, nein, genau der, in dessen Höhlung die beiden Hauptdarsteller nacheinander und jeweils ohne Wissen des anderen die jeweils eigene Hälfte einer Muschel hinterlassen haben, die sie zur Erinnerung an ihre erste Begegnung in Afrika mit sich getragen haben. So schließt sich ein Kreis, und an dieser Stelle wünschen sich beide natürlich dasselbe, nämlich ihre große Liebe wieder zu sehen. Vorher wurde der legendäre Hintergrund erläutert, die Geschichte vom alten Baum: Ein Liebespaar trennte sich, weil der Mann in der Fremde sein geschäftliches Glück suchen wollte, vorher aber vergräbt der Mann eine Eichel und weissagt, dass wenn daraus ein Baum wächst, sie wieder zusammen finden werden. Der Baum wächst tatsächlich, die Frau wartet lange Zeit und macht sich schließlich auf, ihren Geliebten in der ganzen Welt zu suchen. Als sie nach Jahren erfolglos nach Hause zurück kehrt, findet sie den Geliebten unter dem inzwischen groß gewachsenen Baum sitzend. Bei der Geschichte ist klar: Bei dem alten Baum hat man nur einen einzigen Wunsch frei, es ist der größte und wichtigste Wunsch des ganzen Lebens. Und diesen größten aller Wünsche artikulieren die beiden am selben Tag im Abstand von nur wenigen Stunden, indem sie das Symbol ihrer Verbundenheit, die Muschelhälfte, im Baum deponieren. Julia spricht bei diesem Ritual zum Baum, dass er nämlich ihren innigsten Wunsch in sich, in seine Blätter aufnehmen möge und über die Luft in der ganzen Welt verbreiten möge. Schöner und dramatischer könnte man ein Liebesdrama im Spiegel der Wunschbaum-Symbolik wohl nicht inszenieren. Also für mich steht jetzt schon fest – das wird wieder eine meiner Lieblingsgeschichten.

Sternenbaum

Songül hat mir heute ein neues Baum-Gedicht geschickt. Es ist fast wie ein Vorbote des Weihnachtsfestes, an das ich tatsächlich in den letzten Tagen öfters gedacht habe. Insofern freue ich mich besonders. Ich möchte das Gedicht an dieser Stelle wiedergeben, da es für die Gedichtseite etwas zu lang ist:

Der Sternenbaum

In einem fremden Dorf, das kaum einer kennt,
weil niemand seinen Namen nennt,
wohnt eine Familie leider sehr arm,
sie haben zwar kaum zu Essen, aber dafür im Winter sehr warm.

Zwei Kinder die noch zur Schule gehen,
können einfach nicht verstehen,
warum es ihnen schlechter als den anderen Familien geht,
an Weihnachten bei ihnen nicht die traditionelle Gans auf dem Tisch steht.
Doch eines hatten sie gelernt; niemals die Hoffnung zu verlieren,
denn Liebe, Glaube und Hoffnung sind es, die diese Familie regieren!

Es war an einem schönen Winterabend gewesen,
die Mutter hatte den Kindern eine schöne Geschichte vorgelesen.
Markus und Nadine dachten noch sehr lange darüber nach,
bis plötzlich ein Gedanke über die beiden hereinbrach!

Da beschlossen sie etwas spazieren zu gehen,
ihnen war, als bliebe ihr Herz stehen.
Auf einmal standen sie vor einem seltsamen Baum,
es ist die Wirklichkeit, viel schöner als jeder Traum!

Sie bewunderten ihn noch eine ganze Weile,
schließlich hatten sie Zeit und waren nicht in Eile.
Irgendwie konnten sie sich von diesem Baum nicht loseisen,
ihnen war, als würden sie auf wundersame Weise verreisen!

Die Kinder blieben stehen
und doch spürten sie ein „Fortgehen“.
Jetzt ist alles anscheinend wieder normal,
aber was dann geschah, befreite die ganze Familie von der Qual:

Plötzlich sprach der Baum zu den Kindern,
schon heute Nacht würde sich ihr Leben komplett verändern!
Denn sie standen wahrhaftig vor dem Sternenbaum,
man sagt er erfüllt den Menschen ihren größten Traum!

Die Sterne, wie sie leuchteten waren den Kindern zum Greifen nah‘,
das Licht in ihnen ist so hell, ein Strahlen was noch niemand zuvor sah!
Der Baum sprach weiterhin zu ihnen,
sie mögen sich doch bitte an ihm bedienen!

Später sprachen die Kinder ihre Wünsche aus,
danach mussten sie leider nach Haus‘.
Auf ihrem Heimweg hatten sie ebenfalls eine Veränderung vorgefunden,
es schneite ja seit Stunden!?
Dabei war doch gar kein Schnee vorauszusehen,
ist da etwa noch ein Wunder geschehen?

Als die Kinder zu Hause ankamen,
erzählten sie ihren Eltern alles, während diese sie in ihre Arme nahmen,
denn nichts ist mehr wie es vorher war,
ihr neues Leben ist einfach wunderbar!

Die Zeit der Armut ist endgültig vorbei,
auch von lästigem Kleinkram ist die Familie frei.
Jetzt können sie in Frieden leben,
brauchen gar nichts aufzugeben!

Wunderbare Bäume

,,Wunder der Welt – Bäume“ – Der Titel war mir zwar etwas suspekt, aber es ist ein großformatiger Bildband und er kostete noch keine 15 Euro. So fiel es mir am Wochenende in T. nicht schwer, den Wühltisch-Band mitzunehmen. Meine Einschätzung der Qualität war nur bedingt zutreffend. Tatsächlich ist das Buch ziemlich inhaltsleer und lebt vor allen Dingen von den großflächigen Abbildungen. Aber ganz uninteressant ist der erläuternde Text auch nicht, nur eben sehr verkürzt, wobei alle behandelten Themen nur knapp angerissen werden. Auch die fotografische Qualität der Bilder ist nicht in allen Fällen überragend. Man merkt, dass es ein Band ist, der für eine hohe Druckauflage produziert wurde und auf den Schnäppchen-Trieb der Buchkäufer und Naturfreunde abzielt. Dennoch, das Durchblättern macht Spaß, vor allem im Kapitel zu den Bäumen der Tropen, da ich hier einige mir bisher noch nicht bekannte Arten gefunden habe, die den Horizont in Richtung tropischer Vielfalt ein Stück weit ausdehnen.

Sichtschutz-Bäume

Mein Vorschlag, ihre Gartenlücke mit Pfaffenhütchensträuchern zu füllen, ist bei J. nicht sehr positiv aufgenommen worden. Die Tendenz geht wohl doch eher zu einem Obstbäumchen. Oder zum Zier-Schneeball, der zurzeit noch bei uns hinterm Haus steht, und der im Frühjahr nach G. transportiert werden soll. Der könnte die entfernten Zypressen durchaus auch ersetzen, vor allem wenn man die neuen Triebe nicht gleich kappt, sondern sich entwickeln lässt, damit der Strauch etwas höher und als Sichtschutz tauglich wird. Wie auch immer, in diesem Winter passiert sowieso nichts mehr. Und der Nachbar war dem Vorhaben insofern schon zuvorgekommen, dass er selber zwei schlanke Bäumchen auf seiner Gartenseite neu gepflanzt hat. So wird in einigen Jahren möglicherweise diese Stelle zur undurchsichtigsten des Gartens überhaupt werden. Und das scheint von beiden Seiten in dieser etwas unterkühlten Nachbarschaft für gut befunden zu werden.

Baum-Riesen

Jetzt am Abend wird am Horizont das ,,Engel-backen-Kuchen-Leuchten“ sichtbar. Ich meine damit dieses rot-orange Durchleuchten der Sonne, wenn sie auf- oder wie in diesem Fall untergeht. Dabei war der ganze Tag bedeckt, mit den entsprechenden Auswirkungen auf meine Befindlichkeit. Ich glaube tatsächlich, dass es das Licht ist, was den Körper am deutlichsten beeinflusst. Weniger die Temperatur, die Sonnenstrahlen sind es, zu denen man als Mensch Kontakt haben muss, ohne depressiv oder sonst wie krank zu werden. Ich schätze, bei mir ist das besonders stark ausgeprägt. Ich weiß nicht, wie das Menschen am Polarkreis oder in Sibirien aushalten, wo sie immer nur Schnee sehen, die Tage teilweise sehr kurz und die Dunkelheit dafür umso länger ist. Und wo zudem auch andere Licht liebende Lebewesen wie die Bäume eher selten sind. Wenn ich Reisemagazine im Fernsehen verfolge, sortiere ich die potentiellen Reiseziele spontan danach, ob es dort Bäume gibt oder nicht. Ein Land, das kaum Bäume kennt, wäre für mich einfach nicht bereisbar, dort würde ich es nicht allzu lange aushalten. Jedenfalls wäre für mich eine Erholung dort nicht möglich.

Neue Wunschbaum-Karten

Auffallend sind zurzeit tatsächlich nur die immergrünen Pflanzen, die sich um diese Jahreszeit dadurch auszeichnen, dass sie blühen oder Frucht tragen. Eine Hochzeit hat der Efeu, der in manchen Hecken von lauter geöffneten Blüten geradezu überquillt. Die Stechpalmen fallen durch ihre inzwischen knallroten Früchte auf. Und die Gemeine Waldrebe hat ihre medusenartigen Früchte allerorten ausgebreitet. Nicht zu vergessen die Hagebutten, die zwar nicht immergrün, so aber in meiner Sicht zu den Winterpflanzen gehören. Denn niemals sind sie dominanter und das Erscheinungsbild der Landschaft bestimmender als im Herbst und frühen Winter, eben solange noch die Früchte hängen und ihr wachsartiges Rot abstrahlen. Den etwas trüben Nachmittag habe ich genutzt, um endlich einmal neue Wunschbaum-Visitenkarten zu entwerfen.

Wunschbaum-Visitenkarte

Mit dem Ergebnis bin ich recht zufrieden, da es mit gelungen ist, sowohl den interaktiven Aspekt als auch den thematischen Schwerpunkt präsentativ begreifbar zu machen. Problematisch allerdings immer wieder das Einkalkulieren des Druckrandes, und so hoffe ich, dass die fertigen Karten später dem gedachten Erscheinungsbild entsprechen.

Unverrückte Individuen

Der erste Tag des Oktober ist außerordentlich unwirtlich. Obwohl es nicht übermäßig kalt ist, meint man zu frieren, wegen des ständigen Regens und weil kein Sonnenstrahl ungefiltert zur Erde dringt. Noch ein paar Grad weniger, und hätte gesagt: typischer Novembertag. Mein Organismus braucht jetzt wieder eine Weile, bis er sich an diese neue Atmosphäre gewöhnt hat. Bis dahin sind die Spannungen unvermeidbar. Nicht selten denke ich in solchen Phasen der Veränderung an die Bäume und überlege, wie sie sich wohl als Baumwesen fühlen, ob sie die Veränderungen ähnlich wahrnehmen und ob sie in einer uns Menschen vergleichbaren Form körperlichem Stress ausgesetzt sind. Auch kommen mir solche Überlegungen, wenn ich früh morgens das Fenster öffne und in den nebelverhangenen kühl dampfenden Horizont blicke. Ein Baum steht immer draußen, in Wäldern etwas geschützter und wärmer als auf freiem Feld, doch unverrückbar an seinen jeweiligen Standort gebunden. Es ist schon etwas Großartiges zu sehen, wie ein Baum-Individuum unter diesen doch extrem eingeschränkten Lebensbedingungen seine ganz eigene Persönlichkeit ausbildet. Und das, wie Hermann Hesse das in seinem berühmten Text über die Bäume dargelegt hat, zudem noch als ihre ureigene selbstverständliche Aufgabe sehen.

Bäume und Erdgeschichte

Wir haben eine relativ romantische Einstellung gegenüber den Bäumen und Wäldern unserer Lebenswelt. Wenn wir den Bäumen begegnen, und sei es auch nur gedanklich, knüpfen wir viele Emotionen an diese oft so beeindruckenden Mit-Lebewesen. Im erdgeschichtlichen Rahmen betrachtet erscheinen Bäume und Wälder aber in einem noch ganz anderen Licht. Dass es vor Millionen Jahren bereits Bäume gab, die den heutigen sehr ähnlich waren, zumindest den gleichen Typen zuzuordnen waren, ist ein Grund mehr, sie mit Respekt zu behandeln. Waren sie doch schon sehr lange vor uns Menschen auf der Welt-Bühne präsent. Und haben sie doch das Entstehen des Mensch-Seins und die Kulturentwicklung des Menschen stark beeinflusst, im grundlegend biologischen Sinne zusammen mit anderen Grünpflanzen sogar erst ermöglicht. Was mich in diesem Zusammenhang absolut fasziniert und was unsere doch künstliche und kurzsichtige Einstellung den Bäumen gegenüber entlarvt, ist die wissenschaftlich fundierte Tatsache, dass die Typen vieler der Bäume, denen wir im Wald oder in Parks begegnen, im Zeitalter des Tertiär (vor 65 Millionen bis 1,8 Millionen Jahre) bereits entstanden sind, und dass diese in der Schlussphase des Tertiärs bereits den heutigen glichen. So haben etwa Magnolienbäume oder Tulpenbäume, welche wir in Deutschland heute eher als exotische Ziergehölze auffassen und deshalb fast nur in Gärten oder Parkanlagen antreffen, bereits vor mehreren Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Mitteleuropa zur heimischen Vegetation gehört, lange bevor sie von einem Menschen überhaupt erblickt werden konnten. Wie jämmerlich muss man sich als Mensch vor diesem Hintergrund vorkommen, wenn man einem Lebewesen begegnet, dessen kollektives Art-Gedächtnis das des Menschen um riesige Zeitspannen überdauert.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.