Immer grüner

Der Spitzahorn hat mir diesmal während der Mittagspause kaum Schatten gespendet. Deshalb habe ich darauf verzichtet, unter seiner Krone Platz zu nehmen. In früheren Sommern war das anders. Da sorgten die tief liegenden Äste noch für Abkühlung. Dieselben Äste, die im Winter der Baumsäge zum Opfer gefallen sind. Schatten adé, und auch Walnüsse adé, die an den unteren Ästen des großen Nussbaums griffbereit waren, und die nun unerreichbar geworden sind. Das habe ich also der Baumschnittwut des dortigen Gartenbauingenieurs zu verdanken, der seine Aufgabe sehr gründlich wahrnimmt und dabei sein Ingenieursein ausspielt. Für mich und andere bedeutet das: einmal wieder weniger Zauber, eine Art Verlust, die durch nichts zu ersetzen ist. Gott sei Dank tun sich an anderer Stelle neue Erfahrungsmöglichkeiten auf. Und, fairerweise gesagt, so viel Bäume, gerade im Innenstadtbereich, hat es nie gegeben. Es wird tatsächlich immer grüner, auch wenn das eine bürokratischere Denkart nach sich zieht.

Reife Kirschen und Moral

Die Kirschen in Nachbars Garten. Bisher war das kein wirkliches Thema. An den beiden Kirschbäumen, die in zwei diagonal gegenüber liegende Ecken des verwilderten Gartengrundstücks neben meiner Arbeitsstätte stehen, erfreue ich mich seit einigen Jahren. Zur Zeit der Blüte, des satten Sommergrüns und der Fruchtreife. Der eine der beiden großen Bäume ist immer 2-3 Wochen früher dran als der andere. So sind dessen Kirschen jetzt schon überreif und fallen bereits ab, während der zweite genau auf dem Höhepunkt angekommen ist, was man am Wohlgeschmack der Kirschen leicht ablesen kann. Die Kirschen zu pflücken, auf die Idee ist in den letzten Jahren wohl niemand gekommen. Schon gar nicht mit der Leiter, denn die unten hängenden sind in der Minderzahl und der Baum ist sehr hoch. Umso mehr tat es mir leid, auf Wunsch von K. den türkischen Anliegern nahe zu legen, auf das Pflücken zu verzichten, da er den Baum bereits seinem Freund K. versprochen hatte, der einige Tage später anrückte und einen Teil der Kirschen erntete, wohl um sie einzukochen. Heute nun hat er meinen Kollegen und mir den zweiten Baum ,,frei gegeben“, ohne dass es große Wirkungen gehabt hätte. Ich fände es irgendwie unmoralisch, nun ein Recht in Anspruch zu nehmen, das anderen, die dem Baum mindestens genau so nahe, wenn nicht näher sind, nicht zuerkannt wurde. So können sie von mir aus einfach abfallen. Der Anblick an sich ist sowieso das Beste, wie die beiden Fotos illustrieren mögen:

Süßkirschen

Süßkirschen

Alter Weg und neuer Eindruck

Die Wegschleife unten an der Saar ist in den letzten Wochen begradigt worden. Die Radfahrer haben es jetzt zwar einfacher, den steilen und scharf kurvigen Weg zu bewältigen, aber ein Stück weit ist der Zauber des Ortes nun auch verloren gegangen. Die Zwiesel-Hainbuche, vor einigen Wochen schon gefällt, ist nur noch durch ihren Stumpf repräsentiert. Überall am Rand liegen klein gesägte Abschnitte des mächtigen Baums. Wenn das Klima nicht so angenehm gewesen wäre, und der Gang entsprechend entspannend, hätte ich mich wohl möglich geärgert.

Hainbuchenstumpf

Auf dem weiteren Weg dann eine neue Überraschung. Ich hatte es mir schon vorgenommen, aber dass ich den genau richtigen Zeitpunkt erwischen würde, das konnte ich nicht wissen. Jedenfalls bin ich sehr froh, die Blüte der Gemeinen Waldrebe entdeckt zu haben. Tatsächlich war diese mir zuvor niemals aufgefallen. Schade, denn sie hat durchaus ihren Reiz, wie auch alles andere an dieser interessanten Kletterpflanze:

Blüte der Waldrebe

Schöner Sommer

Das sommerliche Juli-Blatt auf meinem Alleenkalender gibt ziemlich genau die Atmosphäre wieder, die diese Tage kennzeichnet. Heute früh in M. habe ich mich unvermittelt an die Urlaube, das ist 30 Jahre her, auf der Nordseeinsel Föhr erinnert. Damals herrschte genau dieses Klima, das ich mit dem Hochsommer verbinde. Haben die Miesepeter also doch unrecht gehabt, die aus dem elend langen Winter und dem durchwachsenen Frühjahr einen ebenso trostlosen Sommer glaubten vorhersagen zu können. Ich glaube, es wird ein sehr schöner Sommer. So wünsche ich uns allen viel Freude: an der Wärme, an dem Licht, den langen Tagen, der Zusatzenergie, die den bewussten Tag interessant und kreativ werden lässt. Die richtige Mischung aus kreativem Arbeiten und dem nicht minder kreativem Stillsein, bevorzugt inmitten sommerlicher Landschaften, ist mein erklärtes Ziel für die kommenden Monate.

Besondere Verbindung

Woher auch immer es herrührt, diese Freude und dieses außerordentliche Interesse an den Bäumen. Es verlässt mich auch in solchen Zeiten nicht, in denen das kollektive Unbewusste von sportlichen Wettbewerben wie der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land in Wallung gebracht wird. Auch daran kann ich mich freuen – was für ein dramatisches Spiel und welch spektakulärer Sieg am Ende für die Deutschen im Elfmeterschießen. Die Weltmeisterschaft wird in einer Woche beendet sein, die Bäume aber sind immer da, so etwas wie freundliche Lebensbegleiter. Und immer wieder treten neue Repräsentanten dieser beeindruckenden und mich anrührenden Wesen in mein Leben. Beschäftigen mich auf vielfältigste Weise, lassen mich nachdenklich, kreativ und aktiv werden. Beeinflussen meine Sicht auf die Welt. Bereichern mein Erleben, Denken und Fühlen. Und wo ich angesichts der Fußballeuphorie beim Thema Patriotismus bin: Möglicherweise ist meine Baum-Begeisterung ja ein typisch deutsches Phänomen. Der Wald ist uns heilig, die Bäume sicherlich auch. Jedenfalls genießen sie hier als Lebewesen mit eigenem Charakter und als Lebenssymbole für uns Menschen große Achtung. Meine Unterstützung sollen sie auch in Zukunft haben. Vor allem aber will ich möglichst viele an meiner besonderen Verbundenheit mit den Bäumen und dem, was ich daraus gewinne, teilhaben lassen.

Überraschend schön

So viele neue Entdeckungen im Bereich der Sträucher. An vielen zeigen sich jetzt schon die Früchte. Schade nur, dass ich bei manchen weder anhand der Blüte noch anhand der Frucht die Art bestimmen kann. Es ist aber recht interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Anmutung der Blüten und Früchte einer Art sein kann. Bei diesem Strauch mit den opulenten, wie kleine Orchideen wirkenden Blüten sind die Früchte ganz unscheinbar, eigentlich gar nicht als Früchte erkennbar, mehr eine Art Federbüschel, was man aus der Blüte niemals abgeleitet hätte:

Strauchfrucht

Schön ist auch dieses. Jedes einzelne ein kleines Wunder, das der Art ihren höchst individuellen Charakter verleiht.

Lichtfänger

Brombeerblüte

Was für ein Sommertag: Wunderbar hell, und diese erschöpfende Hitze, welche sich am späten Nachmittag schlagartig zuspitzt, um sich dann nach 19 Uhr wieder abzuschwächen. Die Brombeeren sind in dieser Zeit eine wahre Freude, weil sie sich sukzessive entwickeln, schon grüne Früchte tragen, während am selben Strauch die nächsten Blüten sich öffnen und ganz neue noch geschlossen sind. Das macht ein strahlendes Bild aus, in dem sich sommerliches Licht wunderbar spiegelt. Gleiches gilt für die jetzt voll ausgebildeten Fruchtstände der Kaukasischen Flügelnuss, die nicht nur ihr Urwald-Grün versprühen, sondern ihre einmalige Erscheinung zusätzlich mit den langen hängenden Früchten akzentuieren, die mit den glänzenden Flügeln so herrlich in der Sonne glänzen und in deren Hintergrund das strahlenartig durchscheinende Licht attraktive Muster bildet:

Flügelnussfrucht

Überraschungen

Zwei Überraschungen hatte ich in der heutigen allzu kurzen Mittagspause: Was ich vor einigen Tagen noch für die Frucht der roten Heckenkirsche hielt, muss etwas anderes sein. Denn heute habe ich an der Transparenz der reifen Früchte erkannt, dass dies die wirkliche Frucht dieser Art ist, und nicht die undurchsichtigen Früchte des anderen Gehölzes:

Rote Heckenkirsche

Und dann war da noch der Schneebeerenstrauch. Der einzige, den ich in den letzten Monaten überhaupt gefunden habe, und ein sehr junger dazu. Aber Blüten und junge Früchte trägt er schon. Hart an der Grenze zur Fotografierbarkeit mit meinem Apparat:

Blüte der Schneebeere

Ohne Maß

Gemeindeförster scheinen sich per se durch eine unwahrscheinliche Unzuverlässigkeit auszuzeichnen. Vor Jahren habe ich dies während unseres Skulpturenprojekts erfahren müssen, und V. hat dasselbe jetzt mit einem anderen Förster in Sachen ,,Brennholz-Los“ erlebt. Die Lose sollten schon Mitte Januar am Wegrand zum Abtransport liegen. Tatsächlich stehen sie jetzt erst zur Verfügung: mit halbjähriger Verspätung und nach mindestens fünf oder sechs Nachfragen, bei denen immer wieder dieselben unglaubwürdigen Erklärungen für die unzumutbare Verzögerung genannt wurden. Was mich nun weniger aufregt als die Tatsache, dass V. tatsächlich 15 Festmeter dieser Eichenstämme bestellt hat, viel mehr also als ursprünglich geplant. Eine Menge, von der er weiß, wie viel Arbeit sie ihm bereiten wird, müssen die gewaltigen Stammabschnitte doch klein gesägt, gespalten und anschließend noch zu ofentauglichen Abschnitten geschnitten werden. Das Bienenhausgrundstück wird zudem nach der Aktion zur Hälfte nur mit Brennholz zugestellt sein. Für mich ein Unding und wieder ein Beweis dafür, dass das Dazulernen nicht jedem gegeben ist. Die Dinge bewusst so extrem zu gestalten, dass man am Ende kaum noch darüber sieht, ist mir selber fremd und wenig wünschenswert. Vor allem aber schrecken mich die meist sinnlosen Kommunikationen, die sich daran anschließen und die die Bearbeitung des Irrsinns begleiten.

Animierter Mehrwert

Die animierte Darstellung meiner verschiedenen Baum-Texte war Gegenstand der heutigen Gestaltungsarbeit. Je länger ich an dem Projekt arbeite, desto ausufernder wird das Ganze. Ich hätte zu Beginn niemals gedacht, wie langwierig und teilweise schwierig die Aufgabe sein würde. Es ist so, als ob es kein Ende mehr nimmt. Trotzdem macht es Spaß, allein schon, weil die Rezeption der Inhalte später eine ganz andere sein wird als im üblichen html-Format. Am interessantesten aus meiner Sicht: Der Aufbau der Navigationsstruktur selber kann gezeigt werden. Damit kann der Betrachter schon vor in Augenscheinnahme der Inhalte die logische Struktur, die Gliederung der Seite rekonstruieren und findet möglicherweise einen leichteren Zugang. Dieses Ein- und Ausblenden von Flächen und Linien halte ich für eine der herausragenden Möglichkeiten von Flash, dem ich langsam aber sicher auf die Spur zu kommen scheine.

Gespräche und Anregungen

Ich hätte ein Opfer für meine Baum-Fotografien gefunden, meinte M. gestern, als ich einer Bekannten dieselben vorstellte. Mag sein, dass die Ironie berechtigt ist, aber ich glaube sagen zu können, dass ich mich in dieser Hinsicht sehr zurückhalte. Einfach, weil ich sehr schnell erkenne, ob jemand einen Draht zur Thematik hat oder sie ihn eher langweilt. In zweiten Fall macht ein Gespräch keinen Sinn und ist ohnehin sehr schnell beendet. Im ersten Fall kann ein Austausch dagegen sehr anregend sein. Und manchmal erfährt man dann auch mal etwas Neues. Das direkte Gespräch ist eine Möglichkeit, die präsentativen Formen eine andere. Deshalb finde ich die Lebensbaum-Armband-Idee nach wie vor sehr gut und freue mich jedes Mal über einen Auftrag. Die Partner-Armbänder ,,Apfelbaum-Kiefer“ sind ganz hervorragend gelungen und ähneln im Übrigen dem Standard-Modell aus ,,Zwetschgenbaum-Eberesche“ sehr, nur dass die Kiefer diese wunderbar dekorativen Streifen aufweist. Ich bin sicher, das Empfänger-Paar wird jede Menge Freude damit haben. Während dieses wunderbaren Sommers, und hoffentlich auch darüber hinaus.

Kommunikation und Raum

Unter Bäumen können die Gedanken manchmal besser fließen. Die Tulpenbäume am Kreisplatz in D. sind zwar noch nicht sehr groß, aber als Kulisse eines klärenden Gesprächs haben sie heute doch getaugt. So wie an ,,normalen“ Arbeitstagen zum Leer-Werden und zum Aufladen der Speicher. Dann aber gehe ich im Kreis, diesmal war das Sitzen unvermeidlich, wenn auch nicht hinderlich. Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass der Raum enorme Bedeutung für die Kommunikation hat, wesentliche Elemente derselben steuert und eine wichtige Voraussetzung für die Verständigung darstellt. Entsprechend kann die Wahl des Raums der Steuerung von Gesprächen nützlich sein. Mir selber ist das seit langem bekannt, übrigens auch in Bezug auf Innenräume, die für mich sehr unterschiedliche Qualität besitzen und sich zu unterschiedlichen kommunikativen Zwecken eignen. Vielleicht gelingt es mir, ein bisschen etwas von dieser Kenntnis weiterzugeben.

Das Eigentliche

Kontrastprogramm und ein recht müder Tag. Als spannendstes Ereignis noch das Gespräch mit Herrn B. über das Halten und den Umgang mit Obstbäumen, die damit verbundene Arbeit und das Verhältnis zwischen zeitlichem Einsatz und Ertrag. Interessant, wie genau dessen Erfahrungen und Einschätzungen mit den meinen übereinzustimmen scheinen, wo er doch schätzungsweise 25 Jahre älter ist, eine andere Generation. Und doch kommt er zu ähnlichen Schlüssen: Die Beschäftigung mit Garten und Nutzpflanzen kann sehr schön sein, schon wegen der Lebendigkeit dieser Beschäftigung und dessen, was man pflegt. Aber jedes ,,Zu viel“ kann die Sache eben auch zum Umkippen bringen. Wenn alles nur noch in Nerv tötende und Kräfte zehrende Arbeit ausartet und man die Dinge nicht mehr genießen kann. Die Folge ist dann: Reduktion, Vermeiden unnötiger Belastungen und der Versuch, das Eigentliche dieser Beschäftigung in den Vordergrund zu rücken. Das ist genau meine Einstellung. Das Nachdenken, das Planen, das In-Angriff-Nehmen ist das eigentlich Anregende, nicht die Durchführung nach Effizienzgesichtspunkten und im Hinblick auf Ergebnisse.

Gute Ausbeute

In der Mittagspause gehe ich meistens denselben Weg. Der allerdings hat gewisse Varianten, die ich je nach Laune auswähle. Bei einer eher selten genutzten Wegvariante bin ich heute zufällig auf die beginnende Blüte des Schneebeerenstrauchs gestoßen. Die fehlt mir noch in meiner Sammlung. Allerdings muss ich noch ein paar Tage warten, bis sie ganz geöffnet ist. Tja, und dann war noch eine neue Unbekannte:

Strauchblüte

Und die schon fast alle von den Vögeln gefressenen Früchte der roten Heckenkirsche:

Felsenbirnen

Ganz gute Ausbeute für einen ansonsten nicht gerade berauschenden Tag. Sommersonnenwendenstimmung ist jedenfalls bei mir nicht aufgekommen.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.