„Palm“ vs. Buchsbaum

Die nähere Betrachtung eines kleinen Blumengestecks, dass die Kollegin Frau M. von unserem Chef als Geburtstagsgeschenk erhielt, führte zu einem Gespräch über den ,,Palm“. Frau M. schien überzeugt, dass die kleinen Buchsbaum-Zweige, die eingebunden waren, eben als ,,Palm“ bezeichnet werden. Eben der, welcher am Palmsonntag hinter die Türkreuze gesteckt wird. Ich habe sie dann insofern korrigiert, als die Bezeichnung zwar existiert, es sich aber botanisch gesehen um den Buchsbaum handelt, der nur wegen seiner Verwendung an Stelle und in geografischer Ermangelung von Palmblättern gebraucht wird. Dabei konnte ich über einige Details des entsprechenden Brauchtums berichten und ihr zur weiteren Illustration meinen Text zum Palmsonntag und die Symbolik der Palmen überreichen. Das finde ich sehr schön, wenn ich sozusagen mitten im Leben auf Wissen zurückgreifen kann, welches meiner Beschäftigung mit den Bäumen entstammt und welches wunderbar nutzbar ist, wenn es darum geht, den Alltag, seine Symbole, Rituale und Handlungsroutinen vor den Hintergrund einer umfassenden und historisch gewachsenen Symbolik zu stellen.

Aufeinander eingestimmt

So richtig trauen sie sich noch nicht, sich zu öffnen: Die Blütenknospen des Haselstrauchs. Ganz vorsichtig schieben sich einige der männlichen Blütenkätzchen aus dem Winterholz, noch ganz kurz und komprimiert, als ob sie den tiefsten Frost erst noch erwarten würden. Von den weiblichen ist noch gar nichts zu sehen. Und ich glaube sie haben Recht. Wenn ich meine eigene Wetterfühligkeit als Maßstab nehme, hat der Winter tatsächlich derzeit seine Reinphase. Da neigt man zur Zurückgezogenheit und zum Zweifel. Merkwürdig und faszinierend zugleich, wie sich Stimmungen und Einstellungen bei Bäumen und Menschen ähneln können. Wenn man richtig aufeinander eingestimmt ist. Aber damit habe ich ohnehin keine Probleme.

Der Baum als Symbol des Politischen

Heute erschienen in der sozialistischen Tageszeitung ,,Neues Deutschland“:

So baumlos ist die Zeit
Dem Verleger Wolf Jobst Siedler zum 80.

Von Hans-Dieter Schütt

Wolf Jobst Siedler. Das ist Fremdheit. Großbürgertum. Offiziersmesse. Kamingespräch. Es ist Dahlem, das Westberlin der Rathenaus und Wertheims. Es war die Gesellschaft und das Hausklima, wo man Gespräche mit Dienstmädchen vermied – denn die kamen aus dem Milieu derer, die zuerst der SA beitraten. Später wird Siedler dies als Gnade seiner Herkunft bezeichnen: nie verführbar gewesen zu sein durch Hitler, schon wegen des niederen Niveaus der Bewegung. Frühe Prophezeiung des Vaters: »Erst kommt die Siegesparade auf den Champs-Élysée, dann die der Russen auf den Linden.«
Als der Marinehelfer Wolf Jobst Siedler auf der Insel Spiekeroog gemeinsam mit seinem Freund Ernst Jünger, Sohn des Dichters, wegen Wehrkraftzersetzung in Haft gerät (das Todesurteil droht), kommt der Schriftsteller Jünger zu Besuch – in Uniform und mit allen Orden aus dem Ersten Weltkrieg. Gegen die Besorgnis des Gefängniskommandanten sagt Jünger: »Das ist in diesen Zeiten die einzige Gelegenheit, da man seine Orden anlegen darf: wenn man seine Söhne in der Zelle besucht.«
Die Tatsache, nach dem Krieg kein Elternhaus »bewältigen« oder hinterfragen zu müssen, hat Siedler stets beglückt. Denn die Brüche und Selbstquälereien jener – auch vieler Achtundsechziger -, die das Versagen der Väter nicht verzeihen konnten, führten in der Bundesrepublik zu einer neuen Form des Mitläufertums: zur Stromlinienförmigkeit aus gutem Willen, etwas wiedergutzumachen.
»Lob des Baums« heißt einer seiner schönsten Essays, und für Siedler ist der Baum gewissermaßen das bürgerlichste aller Gewächse. Weil er mit Licht und Schatten ausgewogen »handelt«, weil Blätterwerk einen Ausgleich assoziiert zwischen Ausladendem und Geborgenheit. Bäume lassen ihn über Zwischentöne nachdenken. Geschichtliches Agieren tendiert zur Baumlosigkeit – weil ihm Zwischentöne fremd sind.
Dieser Intellektuelle hatte daher stets ein melancholisches Misstrauen gegen jeden Fortschritt. Wegen des Fällens der Bäume, das damit verbunden ist. Ein Baum kann ein Baum sein oder anderes, dessen Wurzeln stören. Es kann heute ein Baum sein, morgen ein Palast (der Republik). Wo Freiraum geschaffen wird, geschieht es stets auch aus politischer Geilheit auf Leerstellen, die der jeweilige Holzfäller als Sieg missdeutet. Alle Systeme erzählen die gleiche Baumfäll-Geschichte: Was Paradeflächen und Schussfelder zuerst fordern, ist – Blickfreiheit.
Es gibt nicht wenige, die das Alte, Wahre, das Altenwahre zunehmend gegen die »verfluchte Passantenwelt« (Botho Strauß) verteidigen. Siedlers Stimme ließ sich diesem Chor nie zuschlagen. Weil er nie für Chöre taugte. Seinem Sohn, als der sich revolutionäre Literatur in Massen besorgte und das Zimmer mit Che-Guevara-Plakaten zuhängte, sagte er: »Mich irritiert nicht die linke Literatur, die du liest. Mich irritiert, dass du zu denken beginnst wie alle. Unterhaken, 16er Reihen auf dem Kurfürstendamm. Ich weiß nicht, was Wahrheit ist, ich weiß nur: Sei sofort misstrauisch, wenn andere deine Meinung haben.« Die Furcht des Fein- und Eigensinns vor der egalitären Gesellschaft.
Der Ton Siedlers ist über die Jahre gleich geblieben, gleich gravitätisch, selbstkontrolliert, nobel, gleich »vernünftig in seiner Trauer« (Reinhart Baumgart). Der Ton blieb, weil sich zwar vieles änderte, aber das Verlustempfinden nicht. Verluste unterschiedlichster Art: an Schönheit, an Preußentum, an Gesprächsweisen, an neunzehntem Jahrhundert, an nationalem Schmerzempfinden. Jenes Deutschland, das ein Stauffenberg nicht retten konnte, wurde ihm zu einem Deutschland, das niemand mehr vermisst; er nennt es »das Satyrspiel nach der Tragödie: Oktoberfest und Pauschalreise.«
Lauter Siegeszüge der Hässlichkeit, stellt Siedler, der Ästhet, beim Rundumblick fest. Glas und Beton etwa: Ausdruck eines Zeitalters, in dem rücksichtlos auch die Seele veröffentlicht wird, »und erst verspätet nahm man zur Kenntnis, daß mit dem Verlust der Diskretion auch im Selbstumgang die Häufigkeit der seelischen Leiden wuchs«.
Im Baum-Essay schreibt er über die »gleißende Helle der neuen Gründungen«. Fortschreitende Helligkeitszunahme, und »die Peitschenlampe ist ihr Symbol«. Die Elektrizität, die »auch als Hinrichtungsmethode dient, ist eines der wichtigsten Charakteristika« des 20. Jahrhunderts.
Die Grundstimmung Siedlers ist nicht böses Brüten, sondern illusionslose Einsicht: dass der Blick auf Geschichte der Blick auf Untergänge bleibt; das Gesetz der Geschichte ist einzig ihre Unumkehrbarkeit. »Es wäre (anders) gegangen«, sagte Siedler gern, »aber es ging nicht.« Und so sind seine Essays lauter Rezensionen von Abschiedsvorstellungen. Ohne Gegenstrategie, ohne Mission. Einfach nur dieser gleichmäßig wehende Buddenbrooks-Atem: Zeitenwende ist vor allem: Zeitenende. Zeitenwende muss sich gefallen lassen, dass man deren historische Unvermeidbarkeit zwar einsieht, sie aber nicht unbedingt lieben muss. Nicht einmal die deutsche Einheit hieß Siedler »hemmungslos« gut. Immer Skepsis, Bremsgefühle.
Im Innersten blieb er ein Zuspätgeborener. 1926? Das lief – nach Ende jenes Bürgerlich-Liberalen, das sich mit dem zurückgedrängt Höfischen dennoch gut verstand – auf ungute Zeiten zu, die nicht beendet sind. Dass er trotzdem ein Mann hohen Gegenwartsranges wurde, quittierte er so: »Ich schaffte es, mit meinem Geburtsdatum passabel fertig zu werden.«
Was ist noch bürgerlich? »Sind die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates von Konzernen wirklich noch Bürger?« Gerade extreme Summen von Einkommen sind ihm »fast ein Hinweis, dass das Bürgerliche verlorengegangen ist«. Jene ethische Empfindlichkeit also, jenes Edelbewusste gierloser Handwerkskunst, das etwa einen Bankier vom Banker unterscheidet. Siedler fragt sich, ob man überhaupt als Einzelner Bürger sein kann, ob dazu nicht etwas gehört, dem man sich anschließen kann. Einem Deutschland konnte er sich nie anschließen, von dem nach dem Zusammenbruch 1945 nur »eine amorphe, fleißige Masse blieb, die keinen Ehrgeiz hatte außer Volkswagen und Rimini«.
Fröhliche Arroganz hat diesen Autor und Verleger zum umstrittenen Menschen gemacht. Mit allem, was aus dem Osten kam, hatte er immer Schwierigkeiten. Ein Mann, der von Störungen der Geschmacklosigkeit schwer getroffen werden konnte. Bauernmöbel in einem Bungalow: schwer drückendes Sinnbild für schändliches Verhalten – gegenüber Bauern …
Auch an seiner Person ist freilich zu fragen, wie lange der verklärungsbetonte Blick von sehr weit oben und sehr weit früher sich halten kann, ohne dass ein Standpunkt außerhalb der Dinge in Gleichgültigkeit umschlägt – wenn auch in form- und ausdrucksvollendete Gleichgültigkeit.
Nie zurecht kam er mit Grass oder Böll; Arbeit im Hause Springer sorgte dafür, dass zeitgenössische Autoren Abstand zu ihm hielten. So könne, sagte er, sogar noch der Verruf einen Vorteil bringen. Manns »Zauberberg« und Koestlers »Sonnenfinsternis« waren ihm bedeutender als alle Nachkriegsliteratur; seiner Ansicht nach würden zu viele Tagestalente zu Jahrhundertgrößen erhoben.
Obwohl dieser Autor aus Überzeugung in die Gebrochenheit allen Handelns nie auf Utopie, sondern »nur« auf Anstand setzte, hat doch vieles, was er denkt, die Unbestechlichkeit einer linken Gesellschaftskritik. Paradox? Ein Hinweis ist dies auch auf die Tragik der linken Bewegung: Sie hat mit der sozialen Kräftigung des Proletarischen ein neues Recht in die Welt gesetzt, notwendiger Weise gegen das Großbürgertum. Aber die Arbeiterbewegung kappte mit ihren Selbstständigkeitskämpfen und Machtergreifungen zugleich die Wurzeln zu jenem Bürgerlichen und dessen Freiheitsgeboten, die nicht schlechthin Klassengepäck sind, sondern Menschheitskultur. Emanzipationswurzel. Und deshalb spürt man, jetzt Siedler lesend, einen großartigen Geist gegen eine global kapitalisierte Welt des entkernten Menschen.

WOLF JOBST SIEDLER war nach dem Krieg lange Jahre Feuilletonchef des »Tagesspiegel«. Danach bei Ullstein Chef des Propyläen-Verlages. Seit 1980 Verleger; der Siedler-Verlag gehört zu Random House. Siedler verlegte Memoiren von Schmidt, Strauß, Brandt, Wehner. Eigene Bücher u.a.: »Phoenix im Sand. Glanz und Elend der Hauptstadt«, »Ein Leben wird besichtigt – In der Welt der Eltern«, »Wir waren noch einmal davongekommen«.

Only for humans

So ging es weiter, trostlos und lähmend. Die Gespräche über Politik und die Unmöglichkeit, sie noch irgendwie ernst zu nehmen, mehren sich. Und selbst dieses Gespräch lähmt nur noch. Die Menschen brauchen ihren Glauben zurück. An sich selber, an den Sinn dessen, was bislang selbstverständlich schien und es nicht mehr ist. An den Wert von Engagement und Aufrichtigkeit. Nehmt euch ein Beispiel an den Bäumen! Fragen dieser Art kannten sie nie.

Regungslos

Enten auf der winterlichen Saar

Das war ein fürchterlich frostiger Tag. Nicht so sehr wegen der zwar im Minusbereich sich bewegenden Temperaturen. Vielmehr wegen der froststarrenden Stille, der überall wahrnehmbaren Regungslosigkeit. Da wirkten die Jogger am Saarweg geradezu skurril, kein Lächeln kam über ihre gefrierenden Lippen. Und selbst die Enten schienen sich in schwarzes schwimmendes Treibgut verwandelt zu haben. Besonders die Bäume waren still, kein Austausch, kein Zeichen der sonst so evidenten Verbindung. Er ist also noch nicht vorüber, der Winter, der auf der anderen Seite nie so richtig zur Hochform aufgelaufen ist. Alles anders als ich es aus der Zeit meiner Kindheit in Erinnerung habe.

Weihnachten for ever

In M. gibt es ein Geschäft, welches das ganze Jahr über Weihnachtsartikel verkauft. Besonders skurril wirkt das auf mich immer im Hochsommer, aber jetzt, kurz nach dem Weihnachtsfest, fiel es mir nicht schwer, den kleinen Porzellan-Weihnachtsbaum in Form einer Deko-Dose von V& B zu erwerben, der ab sofort meine Weihnachtsbaum-Sammlung bereichern wird. Meine Recherchen in Sachen Swarovski-Kristallweihnachtsbaum waren leider weniger erfolgreich. ,,Felix der Weihnachtsbaum“ ist nirgendwo mehr vorrätig und über den Versandhandel nicht mehr zu bekommen. Und der grüne Weihnachtsbaum-Pin mit den roten Kugelpunkten ist gänzlich vergriffen. Ich hoffe, dass er noch einmal neu aufgelegt wird. Die funkelnden Sachen sind einfach am schönsten!

Zusammen Führen

Es gibt so viele Themen, die mich außerhalb des großen Themenfeldes ,,Bäume“ beschäftigen oder in der Vergangenheit beschäftigt haben. Ich habe mir vorgenommen, all dies in einer gesonderten Website zusammen zu fassen. Gedacht ist dies zunächst als persönliche ,,Bestandsaufnahme“, die aber wie alle Rückblicke mit der Vorwegnahme neuer Entwicklungen und Projekte verknüpft ist. So eine konkrete Selbstspiegelung kann, wie ich weiß, ungeahnte Dimensionen aus der Tiefe holen und eine Bereicherung darstellen, weil sie die aktuelle Selbstbetrachtung relativiert, erweitert und mich ein Stück weit zu einer souveräneren Gesamtsicht führt.

Wirre Zeit

12.01.2006 – Wirre Zeit
Nicht viel zu sagen: Der Alltag hat mich eingeholt. Ich schwanke zwischen dem Drang, Neues auszuprobieren, dem Reflektieren des Vergangenen und dem Hinterfragen des Ganzen. Das sind ziemlich wirre, orientierungslose Zeiten. Ich versuche darin eine Chance zu sehen, mein Eigenstes hervorzuholen und zu neuer Blüte zu bringen. Bevor die Bäume ihr eigenes Leben wieder aufnehmen und mich stärker beanspruchen als in diesen Tagen.

Kampf dem Winter

Der Winter hat jetzt eigentlich seinen Höhepunkt erreicht. Ich mache das am Zustand der Vegetation fest. Kaum noch irgendetwas schmückt die kahlen Gerüste der Bäume. Selbst die blauschwarz schimmernden Früchte des Liguster sind nur noch vereinzelt an den Sträuchern zu sehen. Lediglich solche Bäume, die wie die Schwarzerle und der Hasel schon im Vorjahr ihre Blütenstände ausgebildet haben, die jetzt noch in kälteresistenter Dichte stehen und erst in einigen Wochen sich ausdehnen werden, erinnern daran, dass irgendwann auch das Aufblühen und Knospen wieder einsetzen muss. Bis dahin ist jeder Spaziergang eine Art Kampf, der daran erinnern mag, wie ausgeliefert man den Naturkräften wäre, lägen nicht Jahrtausende Kulturentwicklung und Schutztechnik gegenüber dem hinter uns, was für uns schädliches vom freien Spiel der Elemente ausgehen mag.

Biologie und Bewusstsein

Ein ziemlich trüber Tag, obwohl es ganz anders gemeldet war. Ich warte immer noch auf die so wohltuende winterliche Sonneneinstrahlung, während der es mir einfach besser geht. Die Kombination von Hochnebel und Frost dagegen drückt aufs Gemüt und schwächt den Organismus. Jedenfalls bei mir und anderen wetterfühligen Menschen. Die Witterung muss sich einfach ändern, soll so etwas wie Aufbruchstimmung entstehen. Selbst die Bäume kann ich bei solchem Wetter nicht wirklich wahrnehmen, wie ich beim heutigen Mittagsspaziergang erschreckt feststellen musste. Darin sehe ich einen Hinweis auf etwas, was man, glaube ich, gar nicht so richtig vergegenwärtigt. Dass nämlich unsere biologischen Grundlagen, unsere körperliche Substanz nicht nur die körperliche Befindlichkeit, sondern auch die Wahrnehmung und die Aufnahmefähigkeit, nicht zuletzt unsere Kreativität wesentlich beeinflussen. Vielleicht stärker als alle noch als alles, was unsere wie auch immer ausgeformte Kultur bewirkt. In Abwandlung von Marx: Die Biologie bestimmt das Bewusstsein. Es ist schön, dass man das nicht absolut sehen kann und muss. Wie anders könnten Menschen z. B. auf diese Seite finden? Oder auf die Idee kommen, ein Baumtagebuch zu schreiben?

Grußkarten und Lebensbäume

Zum Ordnung machen gehört auch das Einsortieren der unzähligen Weihnachts- und Geburtstagskarten. Wir haben zu diesem Zweck zwei Archiv-Boxen eingerichtet, in denen auch Unterlagen zu allen möglichen weiteren Themen untergebracht sind. Auch wenn wir nur selten danach sehen, im Einzelfall kann es eben doch nützlich sein, auf eine alte Karte oder ein altes Dokument zurück greifen zu können. Besonders wenn es mit einem Menschen zusammen hängt, der sich viel Mühe gegeben hat, wie etwa Herr und Frau L. aus Th., die uns seit vielen Jahren Grußkarten mit eigenen Fotografien, bevorzugt von Schneeimpressionen schicken. Oder Herr W. aus N., den ich zwar das ganze Jahr über nicht sehe, der aber immer ein paar sympathische Worte zu Weihnachten schreibt. Ein Plus der Beschäftigung und Archivierung von Grußkarten: Ganz häufig bilden sie Bäume ab. Weihnachtsbäume oder Bäume in der Landschaft, die andere symbolische Werte transportieren. Anders als bei den Einladungskarten zu Kunstausstellungen, die ich jahrelang gesammelt und dann doch irgendwann entsorgt habe, könnte ich mir hier vorstellen, irgendwann einmal eine Bestandsaufnahme unter dem Motiv-Kriterium ,,Baumdarstellung“ zu machen. Im Zusammenhang meiner Versuche, dem Geheimnis des Lebensbaums auf die Spur zu kommen.

Neue Ordnung

Das ist normalerweise eine Arbeit für die Zeit zwischen den Feiertagen. Diesmal aber habe ich es verschoben. Und heute war er einfach fällig: Der Aufräum- und Putztag. Es hatte sich einmal wieder eine Unmenge an Material in meinem Arbeitszimmer angesammelt, das sortiert, entsorgt oder neu organisiert werden musste. Das war ganz anregend, da es mir ermöglicht hat, bestimmte Dinge in neue Zusammenhänge zu stellen. Mal abgesehen davon, dass der Raum jetzt einfach übersichtlicher ist. Die beiden größten Erfolge: Das Glasregal mit den Baum-Büchern erstrahlt jetzt wieder in staublosem Glanz. Und die Weihnachtsdekorationen sowie die bisher noch kleine Sammlung von Weihnachtsbaum-Symbolen sind jetzt endlich einmal in seperaten Kartons verstaut und somit im kommenden Jahr gleich griffbereit. Ein erster Schritt aus dem Chaos heraus, das sich vor lauter Beschäftigung mit den verschiedenen Symbolen in den letzten Monaten ausgebildet hatte.

Entweihnachtet

Das Abschmücken des Weihnachtsbaums hat etwas Meditatives und ist fast genauso schön, wenn auch anders, als das Schmücken. Ich ließ mir heute deshalb die nötige Zeit. Die ist abgesehen von dem Erlebniswert auch notwendig, sollen die unterschiedlichen Arten von Schmuck auch im nächsten Jahr noch heil sein, und vor allem auffindbar sein. Problematischer als das Verstauen der Strohsterne, Glasanhänger, Metallaccessoires, Holzmännchen und Samtherzen- und -sternen ist zweifellos das Einpacken der Lichterketten, gleich drei an der Zahl, die mit ihren Kerzenklemmen und den vielen Drähten nur mit Mühe in die ursprüngliche Box zu bringen sind. Das gleiche hat sich an dem Balkonbaum mit seinen zwei ellenlangen Lichterketten wiederholt. Außer in meinem Arbeitszimmer ist nun die Wohnung ziemlich ,,entweihnachtet“, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Auch die vielen Weihnachtsgestecke, -sträuße, die Krippe und die gescheiterten Barbarazweige sind bereits entfernt. Meine beginnende Sammlung von Weihnachtsbaum-Symbolen will ich dagegen noch eine Weile auf mich wirken lassen, bevor sie in einer eigens dafür vorgesehenen Kiste bis zur diesjährigen Adventszeit verschwinden.

Die erweiterte Wahrnehmung

Nach der intensiven Beschäftigung mit den vielen technischen Fragen freue ich mich auch wieder auf die inhaltliche Arbeit an meinem Lieblingsthema, der Symbolik der Bäume. Unendlich viel gibt es noch zu erforschen, zu rekonstruieren und auszuformulieren. So viel, dass ein Menschenleben dazu vermutlich nicht ausreicht. Zumal Jahrhunderte voller einschlägiger Literatur sich angesammelt haben, die allerdings größtenteils gar nicht mehr zugänglich oder für Zeitgenossen kaum noch lesbar ist. Wie zu allen Zeiten geht es darum, das ansprechende zu sichten und in eine zeitgemäße Sprache zu ,,übersetzen“. Dabei fließt aber immer auch viel Individuelles ein, eben die eigene Wirklichkeitskonstruktion. Immerhin, die langjährige Arbeit an diesem Thema hat meine Wahrnehmungsfähigkeit, meine Sachkenntnis und vor allem das Spektrum der Wahrnehmung erheblich erweitert. Natürlich gehört alles dazu: Die Beobachtung und das Wandern in der Landschaft, das Lesen fremder Gedanken über Bäume, das Fotografieren und künstlerische Verarbeiten, das eigene Texten und Gestalten. Alles zusammen ergibt einen Gewinn, den ich nicht mehr missen möchte.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.