Neujahrsfest der Bäume

Habe heute einen recht interessanten Artikel über ein jüdisches Neujahresfest gelesen, welches mit der Verehrung der Bäume und mit einer Art Frühjahrsritual zusammenhängt, das wie so häufig bei historischen Baumkulten einen ganz lebenspraktischen ökonomischen Hintergrund hat. Dass das Neujahrsfest der Bäume jetzt gefeiert wird, hängt mit dem vom gregorianischen abweichenden jüdischen Kalender zusammen.

TU BiSchevat – das „Neujahrsfest der Bäume“

von Johannes Gerloff (Jerusalem)

Am Sonntagabend hat das diesjährige „Neujahrsfest der Bäume“, „TU BiSchevat“, begonnen – eine Art Frühlingsfeier aus Freude über die ersten Baumknospen.

„Wenn ihr in das Land kommt, sollt ihr allerlei Bäume pflanzen!“ Unter dieser Überschrift aus 3. Mose 19,23 laden die Schulen in Israel Eltern und Schüler dazu ein, die Flora ihres Heimatlandes besser kennen zu lernen. Im Rahmen besonderer Veranstaltungen bekommen die Schüler nicht nur ihre Halbjahreszeugnisse, sondern feiern auch den Frühlingsanfang. An „TU BiSchevat“ ziehen dann die Schulklassen aus, um in der Umgebung ihres Wohnortes neue Bäume zu pflanzen.

Wörtlich übersetzt bedeutet „TU BiSchevat“ „der 15. Tag des Monat Schevat“. „Schevat“ heißt der fünfte Monat im jüdischen Kalender, der in die Monate Januar und Februar des gregorianischen Kalenders fällt.

Das „Neujahrsfest der Bäume“ ist in der jüdischen Tradition ein „Halbfeiertag“, weil seine Einhaltung nicht in der Bibel geboten wird und er auch im Talmud kaum erwähnt wird. Fasten ist an diesem Tag nicht erlaubt.

Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wählte die Gelehrtenschule „Beit Hillel“ den 15. Schevat, um den Zehnten der Früchte für ein Jahr festlegen zu können. Die Frucht derjenigen Bäume, die nach dem 15. Schevat blühen, wird also im folgenden Jahr besteuert. Das Datum wurde gewählt, weil vor dem 15. Schevat im Land Israel der meiste Regen des Jahres fällt. „TU BiSchevat“ hat also eine ganz praktische Bedeutung, wenn das Volk Israel im Land Israel lebt.

Das „Neujahrsfest der Bäume“ symbolisiert die Neubelebung und Befreiung des Landes und die Eroberung der Wüste. Während die jüdischen Kinder in der Diaspora an diesem Tag schulfrei hatten, ist er heute voller Aktivitäten. Man singt TU-BiSchevat-Lieder und tanzt viel.

Die Phantasie der jüdischen Tradition denkt sich die Bäume als Gemeinde, mit Rabbi, Vorbeter und Schammes (Synagogendiener). In ihrer ganz eigenen Art loben die Bäume den Schöpfer, haben ihre eigenen Melodien beim Verlesen der Torah, so wie das vor langer Zeit schon der Prophet Jesaja gesagt hatte: „Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen“ (Jesaja 55,12).

Veröffentlicht auf: www.israelnetz.de

Kampf der Jahreszeit

Die Magnolienbäume haben sehr markante Zweigformen, so außergewöhnlich und eigentümlich wie die der schönen Blüten. Seit einigen Tagen können wir im Wohnzimmer das ,,Blütenwunder“ bestaunen, das sich bei den Magnolienzweigen einstellt, wenn sie nur einige Wochen lang sich in einem Ofen beheizten Raum befunden haben. Draußen lassen die noch geschlossenen Blütenknospen ihre Pracht und Größe nur ahnen, weit davon entfernt, sich zu öffnen und den Spätfrühling vorwegzunehmen.

Magnolienblütenknospen im Winter

Vielmehr bestimmen immer noch die Schatten der Bäume den Landschaftseindruck, heute auf einem von Schneestaub bedeckten noch zugefrorenen Teich:

Schnee-Baumschatten

Das ist ein Kampf zwischen Winter und Frühling. Jeden Tag scheint der Sieg die Seite u wechseln. Aber das ist eben auch ein Zeichen dafür, dass die neue Jahreszeit nicht mehr aufzuhalten ist.

Neue Landschaftseindrücke

Die Fahrt heute nach Bad B. hatte gewisse landschaftliche Reize. Vielleicht lag das einfach daran, dass die Strecke ganz neu für mich war, zudem mit vielen hügeligen Höhenzügen und weiten Feldflächen ausgestattet, was den Blick weit schweifen lässt. Es hatte aber auch mit einer Fülle von Baum-Wahrnehmungen zu tun: Winzige Nadelbäume in einer Baumschule, die Art war mir im Vorbeifahren nicht erkennbar, die so wunderbar dunkel-satt-grün in mehreren Linien standen, dass sie eine irgendwie surreale Szene erzeugten. Rauhbereifte Einzelbäume inmitten einer winterkahlen, aber sonst gänzlich unbereiften Landschaft. Eine Reihe von Obstbäumen, die allesamt mit einem kleinen Bretterzaun um den Stamm vor Viehverbiss geschützt waren. Schöne Baumhorizonte, die bei mehr Licht, einer anderen Tageszeit, der Möglichkeit anzuhalten und der gleichzeitigen Verfügbarkeit eines Fotoapparates wunderbare Motive abgegeben hätten. So bleiben sie nur in der Erinnerung zurück und bieten Stoff für diesen Tagebucheintrag. Wie immer aber auch Holz: Der Blick durchs Fenster in eine Ausstellung mit kunsthandwerklichen Holz-Arbeiten in einer heute leider geschlossenen Galerie in Bad B.. Brennholzstapel, meist gerissene Buchenabschnitte, fein säuberlich auf einheitliche Länge gesägt und ebenso sorgfältig aufgestapelt, so dass man sich fragt, wie jemand die Zeit aufbringt, die allein das Stapeln erfordert. Haufen von Stämmen an einem Sägewerk, die darauf warten, zu Brettern und Bohlen verarbeitet zu werden. Jede Menge schöner Holz-Stühle in einem Schlosssaal in Bad B. und Holzfurnierte Tische im benachbarten Café. Gespräche dazu, die sich nicht um das Holz oder die Bäume drehten, die ich aber auf Grund der Beschäftigung mit diesen besser ertragen und verarbeiten kann.

Natürliche Vorbilder

In der Natur vorgefundene Formen, wie Baumblätter oder Pflanzenranken, als Grundlage für Alltagsdesigns. Das begegnet uns häufig. Durch die Presseinfo eines Tapetenausstatters bin ich heute auf dieses Thema gestoßen. Und in der Tat. Als es noch nicht ganz so schick war, Räume in nüchternem Weiß mit Rauhfaser oder Glasfaser zu tapezieren (übrigens bis heute meine Favoriten, weil am neutralsten für das, was an die Wände und sonst noch in der Raum soll), waren teils wild gemusterte Tapeten durchaus in Mode. Gleiches fällt mir für Wandfliesen, vor allem in Bädern ein, oder für Duschvorhänge und ähnliches. Das muss nicht zwangsläufig kitschig sein. Im Gegenteil, geschmackvolle Designs etwa bei Geschenkpapier, die oft in barocker Manier florale und andere vegetabile Motive aufgreifen, wähle ich bevorzugt als Verpackungsmaterial zu Weihnachten. Weil es zusätzliche Atmosphäre schafft und das Schenken zum Erlebnis macht. Und ganze kunsthistorisch relevante Stile wie der Jugendstil setzen schließlich auch auf die Kraft des Ornaments, meist mit deutlichen Anklängen an natürliche Vorbilder, die bevorzugt in den Bäumen gefunden werden. Die Symbolik der Bäume reicht damit in die kleinsten Winkel des Alltags, seiner sinnlichen Oberfläche und emotionalen Situationsabhängigkeit. Menschen, ihr ahnt gar nicht, wie stark ihr von den Bäumen und mit der übertragenen Kraft der Bäume lebt!

Wieder einmal: Die Bäume und das große Gefühl

Heute war die gesamte dramatische Symbolik in ,,Julia“ auf den Bäumen aufgebaut. Blicke in winterkahle Baumkronen vor graublauem Himmel, in baumbesäumte Horizonte beim rot glühendem Sonnenuntergang, auf rote Heckenrosenfrüchte an kahlen Sträuchern, auf mächtige zeichnungshaft wirkende Baumstämme als lichtdurchflutete Kulisse herzzerreissender Personen-Nahaufnahmen. Es sind solche Verwendungen der Baum-Symbolik, die im Zeitalter der Massenmedien mit am eindrücklichsten wirken. Kaum deutlicher kann man erfahren, wie stark die emotionale Kraft der Bäume sein kann, und in einen wie engen Zusammenhang sie sich mit den seelischen Befindlichkeiten, Veränderungen und Umbrüchen der Menschen setzen lassen. Die emotionale Schlüssigkeit und ästhetische Qualität besonders wichtiger Szenen lässt sich im Spiegel oder vor dem Hintergrund der Bäume in unvergleichlicher Form realisieren. Wenn man eine wissenschaftliche Arbeit über die zeitgenössische Relevanz der Baumsymbolik verfassen wollte, wäre dies sicherlich das ergiebigste und spannendste Sujet.

Synchronizität und Kreativität

Zwischendurch gibt’s auch mal Lichtblicke. Wörtlich genommen bei der Witterung, die heute extrem zwischen Schneesturm und gleißendem Sonnenschein in jeweils kurzen Phasen hin- und herwechselte. Etwas weiter gefasst im Geschäft, das immer dann positive Überraschungen und, wie ich das immer wahrnehme, ,,Wellen“ bereit hält, wenn man denkt, die Dinge erstarren in einem unbeweglichen Zustand. Und symbolisch-energetisch in gewissen Synchronizitäten, die solche Erstarrungen zwischendurch auflockern und dem Denken und Tun dann eine neue kreativere Richtung geben. Heute früh habe ich schon auf dem um eine Woche zu spät umgeschlagenen Monats-Alleen-Kalender als Motiv für den Februar eine Allee aus Zypressen und Pinien erblickt, die laut Beschreibung bei Badiola in der Toscana aufgenommen wurde. Im Bild eine Landschaft, deren Himmel zwar, erkennbar an dem etwas dunkleren Blau und dem abgeernteten Kornfeld im Vordergrund, auf eine Jahreszeit außerhalb des Hochsommers, wahrscheinlich im Spätherbst verweist (passt irgendwie nicht zum Monat Februar!). Die aber eben doch an eine mediterrane Landschaft – Sonne, Weite und dolce vita denken lässt. So etwas finde ich sehr wohltuend, wenn ich im unterkühlten und in Kategorien der politisch-wirtschaftliche Lage gemessen frustrierten Deutschland daran arbeite, eben diesen Frust zu überwinden. Wie so oft kann die Erweiterung des Horizonts neue Dimensionen eröffnen.

Thema Holz

Die zurzeit lethargische Stimmung lässt auch das Bäume-Thema in den Hintergrund treten. Ich erkenne das an rückläufigen Zugriffszahlen auf die Seite, aber auch daran, dass so viele Dinge des Alltags so viel Energie schlucken, dass für die (eigentlich) wichtigen Themen kein Platz mehr zu sein scheint. Und dann geschieht auch wieder Unerwartetes. Wenn zum Beispiel eine Bekannte von M. dieser einen Abschnitt schön rosa gefärbten Holzes mitgibt, wohl wissend, sich erinnernd, dass ich Holz jeglicher Art liebe und es künstlerisch oder kunsthandwerklich bearbeite. Vom Mammutbaum soll es stammen, von welcher Art genau ist aber nicht bekannt. Es hat sehr breite Jahresringe, ist sehr weich und zeigt einen matt-schimmernden Glanz in rötlich-rosafarbener Tönung. Mal sehen, vielleicht versuche ich ein Armband daraus herzustellen, das dann weniger von der Zeichnung der Ringe lebt als von der feinen Mikrostruktur des Holzes und natürlich von der ungewöhnlichen Färbung. Es wird vermutlich so ähnliche Eigenschaften haben wie das Holz der Atlas-Zeder, an dem ich mich vor einigen Monaten einmal versucht habe. Noch ein zweites Holz-Ereignis: V. hat einen alten Apfelbaum von unserer eigenen Streuobstwiese gefällt und den ziemlich mächtigen Stamm in Bretter sägen lassen. Das Ergebnis lässt hoffen, einige schöne Abschnitte im getrockneten Zustand zurück zu behalten. Leider sind alle von diesem Stück in den letzten Jahren entnommenen Apfelbäume aber ohne die für die Art typische rot-braune Färbung des Kernholzes gewesen. Vielmehr erscheinen sie vollständig in der hellen gelblich-weißen Splintholzfarbe. Eigenartig und schade, denn der Charakter der Art kommt so nicht wirklich zum Vorschein und die Verwechslung mit ähnliche aussehenden Hölzern wie Ahorn und Birnbaum ist leicht möglich.

Zauberhafter Ausflug

Es war ein recht ungewöhnliches Ereignis. Dass ich nämlich einmal die vier Wände meines Büros verlasse und mit K. auf Außentermin gehe. Dass das ganze auch noch in direkter Nachbarschaft meines Wohnortes stattfand, machte es umso spannender. Zumal ich aus unterschiedlichen Gründen einen engen Kontakt zu V & B habe und mich vielfältige Lebenserfahrungen mit dem Hauptsitz, der alten Abtei verbinden. Ich fand es sehr schön, einmal den direkten Kontakt zum Kunden zu haben und einen Teil meiner Kompetenz einsetzen zu können, die leider sonst brach liegt. Aus solchen Gründen hatte ich den Ort zuvor nie aufgesucht. Früher vielmehr das Refektorium zum Besuch der Abteikonzerte. Und heute noch von Zeit zu Zeit den wunderbaren Abteipark mit dem sagenhaften exotischen und alten Baumbestand. Das wärs, solch ein Arbeitsort. Die Mittagspausen wären die reinste Wonne. Und die Regeneration so gut wie garantiert. So bescheide ich mich mit den Spaziergängen am Sonntag und das stille Mich-Einlassen auf den Zauber des besonderen und geschichtsträchtigen Ortes.

Die Bäume und das Bewusstsein

Mir erscheint dies wie eine Übergangszeit. Nicht mehr ganz Winter, noch nicht Frühling. Im Ungewissen und damit wie ein Spiegel des aktuellen Lebens mit all seinen Unwägbarkeiten und Unklarheiten, mit seiner verbreiteten Orientierungs- und Ratlosigkeit. Das ist es tatsächlich, was ich immer öfter wahrnehme: Alles hängt miteinander zusammen. Äußere und innere Natur, materielle Projektionen und psychosoziale Konstruktionen. Oben und unten, Veränderung und Konstanz. Nichts scheint zufällig, das wusste ich schon lange, aber ich fange erst jetzt an zu begreifen, was es heißt. Und bin ganz froh, dass ich nicht an der Wissenschaft hängen geblieben bin. Als ob ich geahnt hätte, dass das für mich einfach nicht reicht. Dass die gewollte Scheuklappe nicht das Richtige für mich ist. Seltsam aber die Um- und manchmal Irr-Wege, die mich zu solchen Weisheit führen. Und die Themen, die in meiner Kindheit vielleicht schon angelegt, mir als Lebensthemen damals aber überhaupt nicht bewusst waren. Eines steht fest: Die Bäume haben an dieser Bewusstseinsveränderung, die ich als Erweiterung wahrnehme, wesentlichen Anteil. Sie sind nur äußerlich unbeweglich. In Wirklichkeit repräsentieren sie das Einmalige, das dennoch oder gerade deswegen um den Gesamtzusammenhang, um das Ineinandergreifen alles Seienden weiß. Eine Weisheit, die Menschen nur antippen, in dieser Souveränität aber wohl nie ganz erreichen können.

Sinn für Symbole

Seltener Besuch heute, eine alte Freundin von M. und ihr Mann. Gute Bekannte, die aber in den letzten Jahren sich rar gemacht haben. Es ist zwar schon Anfang Februar, aber die Weihnachtszeit, das Schenken, Dekorieren und interessanterweise der Weihnachtsbaum waren noch ein wichtiges Thema. Wenig anschaulich, da von alledem leider nichts mehr zu sehen ist. Aber wir haben einmal wieder erkannt, wie wichtig das Thema für alle Menschen ist. Und so war es auch ein Leichtes, meine Leidenschaft für das Thema ,,Weihnachtsbaum“ zu erklären. Z. B. anhand der kleinen Pins, die M. zu Demonstrationszwecken herausgesucht hat. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das richtig verstanden wurde, aber es macht mir in jedem Fall Spaß, das Thema anzusprechen und jede wie auch immer geartete Reaktion ist für mich immer wieder super spannend. Das gehört zu meinen privaten Forschungen in Sachen Symbolverständnis.

Zu Radikal

Sie waren kaum wieder zu erkennen. Die städtischen Gärtner haben in den letzten Tagen wie wild die Bäume rund um den Bürgerplatz, die Schule und den Kindergarten geschnitten. Ich weiß nicht, ob das ein neues Verfahren ist, was ich ja auch ständig in D. beobachten kann, dieser radikale Schnitt. Kaum noch ein Strauch, der nicht 1m über dem Boden oder noch niedriger abgeschnitten wird. Kaum ein Baum, dessen tief hängenden Äste nicht gekappt würden zu Gunsten einer kräftigeren Krone. Das Ganze wirkt sehr ingenieurmäßig, wie von Technikern ausgeführt. Und gerade deshalb erschrecke ich zutiefst bei solchen Beobachtungen und erinnere mich an das üppige Erscheinungsbild eben dieser Pflanzen noch vor wenigen Monaten. Es ist dann, als ob ein Stück gemeinsamer Lebensweg zerstört worden ist. Nur, weil öffentliche Grünanlagen sich so besser pflegen lassen, also eigentlich aus – wie sollte es anders sein – finanziellen Gründen. Wie viel Zauber geht dadurch verloren, wie lange werden diese Pflanzen brauchen, um nur annähernd ihr alte Pracht wieder zu erreichen. Ich wünschte, alle mit diesen Dingen beschäftigten Menschen hätten meinen Blick. Die Welt und das Grün um uns herum wären ganz andere.

Fassaden-Baumschatten

Nach diesem Intermezzo heute also doch wieder Sonnenstrahlen. So konnte ich das Baumschatten-Projekt weiter verfolgen. Die Schattenrisse von Bäumen auf Häuserfassaden hatte ich zuvor nie beachtet. Umso faszinierter bin ich jetzt von ihrer Ausstrahlung und vielfältigen symbolischen Implikation. Die Architektur bekommt dadurch einen ganz anderen Stellenwert, es ist, als ab die Bäume sie erobert, in sie hineinwächst, zeitweilig Besitz von ihr ergreift. Und umgekehrt werden die Bäume plötzlich wieder sichtbar. Mehrmals schon habe ich in diesem Winter auf die Unsichtbarkeit der Bäume hingewiesen. Ihre Schatten sind dagegen lebendiger denn je. Und viel direkter als zur belaubten Jahreszeit. Das Thema wird mich noch länger beschäftigen:

Fassaden-Baumschatten

Fassaden-Baumschatten

Fassaden-Baumschatten

Die große Anstrengung

Einen krasseren klimatischen Gegensatz kann man sich kaum vorstellen. Gestern noch das Super-Sonnen-Winter-Wetter und heute das Trübe-Schneepuder-Gefrierschrank-Wetter. Alle Seen und Teiche sind zugefroren. Die Bäume wirken winterlicher als jemals zuvor während der vergangenen Monate. Und beim Spazierengehen kriecht einem die trockene Kälte die Beine hoch. Ziemlich seltsam, diese Schwankungen. Gar nicht seltsam, dass man sie unmöglich vertragen kann. Sollte das Schwanken zwischen Extremen eine klimatische Spiegelung gesellschaftlicher, kultureller und seelischer Muster unserer Zeit darstellen? Die Dinge kommen auf verschiedenen Ebenen in Bewegung. So viel steht fest. Warum also soll das Wetter als Teil unserer Um-Welt und damit eben auch Teil von uns selber nicht korrespondieren? Ein Eindruck bleibt in dieser Zeit bei immer wieder zurück: Die meisten Menschen, ich will mich nicht ausnehmen, denken, tun und handeln in einer Richtung, die nichts mit ihren eigentlichen Intentionen und erst recht nichts mit dem zu tun haben, was eigentlich – im großen Rahmen betrachtet – Thema für uns Menschen sein sollte. Wann wachen wir endlich in der Form auf, dass wir unsere Zeit auch den richtigen Themen widmen und sie nicht nur in Nischen andenken und ansprechen, die als Nebensache abgetan werden könnten. Sie müssten vielmehr konstituierender Bestandteil unseres Alltags sein. Element eines großen gesellschaftlich omnipräsenten Gedankens, einer gemeinschaftlichen Anstrengung, die individuelle Entwicklung und sozialen Fortschritt in einen schlüssigen Zusammenhang stellen.

Winterliche Baumschatten

Das war ein so schöner Wintertag, mit viel Sonne und Helligkeit. Eigentlich mag ich das sehr, aber besonders gut gings mir trotzdem nicht. Die Wintersonne ist etwas ganz Besonderes, so leuchtend, klar und kompromisslos, wenn ich das einmal so sagen darf. Das spannendste Motiv habe ich wie so oft während des Mittag-Spaziergangs eingefangen: Der blaß-graue Schatten zweier Roteichen auf der weißen Fassade des DRK-Tageheims. Einfach entwaffnend, welche Ausstrahlung die schattenhaften Abbilder der Winterbäume haben können. Es hat mich an ein Ausstellungsplakat aus den 90er Jahren erinnert, auf dem ein ebensolcher Schatten abgebildet war, als Hinweis auf die Ausstellung eines japanischen Künstlers. Es wäre ein schönes neues Foto-Projekt: Baum-Schatten zu verschiedenen Jahreszeiten. Für den Sommer liegen mir schon einige vor, Straßenschatten belaubter Bäume, die viel diffuser und verwaschener erscheinen, während diese heutigen sehr schön abgegrenzt waren. Schade, ich hatte den Fotoapparat nicht dabei, aber ich könnte es bei ähnlichen Lichtverhältnissen nachholen und dann hier vorstellen.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.