Kontraste

So schwül, dass man kaum die Energie aufbringt, sich aus dem Haus zu bewegen. Mein Radius war heute entsprechend eingeschränkt. Gut so, denn mindestens einmal die Woche muss etwas mehr Ruhe einkehren. Alles andere würde sich auf Umwegen rächen. Immerhin, den Vormittag habe ich genutzt, um bei noch angenehmer Temperatur die Stäbe für die neuen Bänder zu sägen. Ist gut gelungen, wenn auch die Kiefern schwierig zu bearbeiten sind. Dieser Wechsel von harzigem und dichtem zu harzfreiem und lockerem Zellgewebe macht den Feinschliff aufwändig. Und der Apfelbaum ist eben sehr hart und insofern per Hand ohnehin nur mit Kraftaufwand zu schleifen. Das Ergebnis wird ähnlich dekorativ wirken wie die Kombination ,,Eberesche-Zwetschgenbaum“, wenn auch die Struktur auffälliger und der Augenmerk insofern nicht nur auf dem Hell-Dunkel-Kontrast, sondern auf der recht ungewöhnlichen Verbindung zweier Baum-Persönlichkeiten liegen wird.

Familienthema

Vielleicht gibt es so etwas wie Pflanzen-Bezugs-Traditionen. Vermutlich wäre es mir nie eingefallen, darüber nachzudenken, wenn nicht die Beschäftigung mit den Pflanzen, insbesondere den Blumen und Bäumen, den Gärten und Landschaften, sich in den letzten Jahren zur großen Gemeinsamkeit, zum zentralen Kommunikationsgegenstand innerhalb der Familie entwickelt hätte. Tatsächlich sind M. und V., J. und W. gleichermaßen mit dabei, wenn es darum geht, sich über die Entwicklungen der Pflanzen im Jahresverlauf, die Pflege und das Anpflanzen, die Ernte und den ästhetischen Genuss auszutauschen. Aber es gibt auch Schatten. Wie mir M. und V. heute wieder erzählt haben, war der Sommer mit seiner Fruchternte (Stachel- und Johannisbeeren standen wohl ganz oben auf der Liste) für beide ein Graus während ihrer Kindheit. Weil sie unter den strengen Augen ihrer Eltern bzw. der Tante tagelang mit dem Pflücken und Verarbeiten von Früchten des Gartens beschäftigt waren, konnten fast alle Altersgenossen die Zeit mit Spielen verbringen. Heute noch macht ihnen die Erinnerung an dieses verlorene Stück Kindheit schwer zu schaffen. Es könnte aber sein, dass die positive Seite dieser Erlebnisse, ein besonders enger Bezug zum Garten und der Selbstversorgung mit eigenständig angebautem Obst und Gemüse, auch der Grund für unser heutiges Familienthema Nr. 1 ist. Wie immer haben die Dinge mehrere Seiten, und was negativ war, kann in anderen Zeiten Früchte mit positiver Konnotation tragen. Ich versuche solche Erkenntnisse auch schon in der jeweiligen Gegenwart zu beherzigen.

Gutes Honigjahr

3 Zentner Honig an einem Tag, das kann sich sehen lassen. Und morgen werden vielleicht noch 2 weitere folgen. Na ja, insgesamt auch gut so, denn die letzte Tracht ist ja schon in Sicht: Esskastanien und Brombeeren werden sich in ca. 2 Wochen überschneiden und dann den berüchtigten ,,Brombeer mit Kastanie“ ergeben. Ich freue mich für V., weil sich die große Mühe, die er sich das ganze Jahr über macht, auf diese Weise auch belohnt wird. Und wenn in diesem Jahr etwas Überschuss sein sollte, so wird es den möglicherweise geringeren Ertrag des Folgejahres ausgleichen. Von mir aus könnte es mit dem Blühen und der Aktivität der Bienen gerne weiter gehen. Aber dem ist eben durch die im Umfeld vertretenen Arten eine Grenze gesetzt. Nur der glückliche Zufall des Honigtaus, in den letzten 5 Jahren allerdings nicht mehr vorgekommen, könnte die Saison noch etwas verlängern.

Hochsommer

Puuhhh, nach dem gewittrigen Intermezzo hat der Hochsommer richtig losgelegt. Und das vor Beginn des kalendarischen Sommers! V. berichtet von einer wahnsinnigen Honigausbeute. War ja auch nicht anders zu erwarten, bei fast zwei Wochen ununterbrochenem Super-Wetter und der günstigen Entwicklung der Robinienblüte. So soll es jetzt weiter gehen, dann sind die Bienen so richtig in Stimmung und können sich auf die Brombeeren stürzen. Und in Kürze auch auf die Esskastanien, deren Blütenstände bereits angelegt, aber noch nicht entfaltet sind. Am Spätnachmittag ist ein Spaziergang in diesem Sommer-Klima sehr angenehm. Und das Licht einmalig. Bei der Gelegenheit habe ich eine weitere Unbekannte entdeckt:

Unbekannte Blüte

Brombeersüchtig

Bei den Temperaturen mussten sie es sich nicht mehr lange überlegen. Über Nacht sind die Blütenknospen der Brombeersträucher aufgesprungen und haben die ersten Blüten offenbart. Und die Bienen haben sich sogleich darauf gestürzt. Interessant zu beobachten, wie sie sich an jeder Blüte nur einen kurzen Moment aufhalten, quasi richtig darin baden, um sofort zur nächsten weiter zu fliegen. Wie ein Süchtiger im Rausch. Diese Blüten sind für mich Teil des Hochsommers, und das Sommerlicht fängt sich wunderbar gerade in diesen sich nach und nach öffnenden und bald auch parallel mit den Früchten am Strauch zu sehenden lichten Sträuchern. Das ergibt sehr schöne Motive:

Brombeerblüte

Brombeerblüte

Bombeerblüte

Neue Richtung

Sommerhitze, Sonnenschein, das Leben der meisten scheint irgendwie leichter, auf jeden Fall zeitlos. Jede weitere Fahrt, wie heute zum Arzt nach W., wirkt irgendwie unwahrscheinlich, man stößt auf Menschen, die eigentlich keine Lust zum Arbeiten haben und lieber schon früher nach Hause, ins Schwimmbad oder sonst wo hin gehen würden. Und dann lacht die Natur, wie wenn sie diese Zeitlosigkeit besonders schätzte. Es ist eine Freude, die Blüte der Robinien zu beobachten, die in diesem Jahr kein Ende zu nehmen scheint, sonst war sie viel schneller passé. Und die Bienen freuen sich ebenfalls. Und die Sonne, weil sie für ihr Licht passende Reflexionsflächen vorfindet. Mag dieser Sommer die Welt in ein anderes Licht tauchen. Jede Bewegung scheint mir gegenwärtig förderlich, damit die Dinge im Fluss bleiben und neue Richtung finden.

Ausnahmslos aufmerksam

Na, so selten sind sie auch wieder nicht. Wie immer, wenn man eine Neuentdeckung gemacht hat, begegnet einem das Entdeckte plötzlich überall. So auch die Feld-Rosen, an denen ich zwar schon seit Jahren auf dem Bürgersteig in D. vorbeigehe, die ich aber nicht als solche wahrgenommen habe. Ich bin froh, dass ich auf diese Weise mein Erfahrungs- und Wahrnehmungsspektrum in Bezug auf die Bäume und Sträucher kontinuierlich erweitere. Vielleicht – eines Tages – werde ich in der Lage sein, ausnahmslos alle Gehölze, die mir begegnen, auch mit Namen zu benennen. Mit der Benennung vergrößert sich automatisch die Aufmerksamkeit und das Spektrum an Informationen und Assoziationen zu der jeweiligen Art.

Überraschung

Blüte der Feldrose

Das war ein richtiges Aha-Erlebnis. Auf meinem sonnentrunkenen Spaziergang auf dem Saardamm drang ein Rosenduft bis zu meinen sehr abgestumpften Geruchsnerven vor. Er ging offensichtlich von einer sehr niedrig wachsenden Hecke aus, deren Blüten ich bei früheren Spaziergängen nicht wirklich registriert hatte. Nun aber wurde mir schlagartig klar, dass es sich hierbei um die Feld-Rose handelt. Die Zuordnung zu den höher wachsenden Heckenrosen mit weißen Blüten war also nicht richtig. Die Vermutung hatte ich schon länger, da die Beschreibung im Baumbestimmungsbuch nicht mit meiner Beobachtung in Einklang zu bringen war. Bei diesen Blüten aber konnte ich endlich den langen Griffel im Zentrum der Blüte erkennen. Und den Rosenduft riechen. Eine sehr schöne Blüte, die allerdings selten zu sein scheint. Außer an dieser Stelle habe ich sie nirgendwo bisher gesehen. Und eine Frage bleibt dann offen: Zu welcher Art gehören die größeren weißen Blüten, die ich bisher der Feld-Rose glaubte zuordnen zu können. Vielleicht eine Variante der Hundsrose? Schon möglich, denn außer der Farbe kann man kaum einen Unterschied erkennen.

Sich entwickeln

Der große ,,Garten der Sinne“ hat sich in den letzten beiden Jahren entwickelt. So lange war ich nicht mehr dort gewesen. Heute hat eine themenzentrierte Veranstaltung, die ,,Rosentage“, wieder einen Anlass geboten. Alle möglichen Händler, die Kunsthandwerk, Literatur, Kulinarisches und Floristisches rund um die Rose angeboten haben. Bei strahlendem Sonnenschein und in Mitten dieses wunderbaren Themengartens, der ohnehin viel Kunst enthält, war das ein sehr schönes Ereignis, das zahlreiche Besucher erfreut hat. Bäume sind sehr rar in diesem Garten, aber das von Bäumen weitgehend unbeschattete Areal verleiht insbesondere dem Steingarten ein fast mediterranes Flair. Und das in der Nähe einer Kaserne. Gerade solche unwahrscheinlich anmutenden Situationen finde ich besonders anregend. Ganz ohne Dokumentation ging es dann heute doch nicht ab. Endlich bin ich dazu gekommen, die zahlreichen Baumblütenfotografien, besonders von den neu entdeckten Sträuchern, auf der Wunschbaumseite sichtbar zu machen. Besonders erfreulich: Ich konnte eine der Blüten aus der Kategorie ,,unbekannt“ identifizieren, und zwar als ,,Pfeifenstrauch“. Wieder eine Wortmarke mehr, die die Orientierung und die Reflexion im uferlosen Reich der Bäume sich weiter entwickeln lässt.

Aufsteigende Lebensgeister

Der erste wirklich überzeugende Sommertag. Und nicht nur die Fußballfans werden ihn genießen. Auch Naturfreunde können sich an allem satt sehen, was im strahlenden Sonnenlicht eine andere Wirklichkeit zeigt als an anderen Tagen. So erschienen auch die Blütenmotive von gestern in einem anderen Licht. Es ist so, als ob man näher an das Wesen der Pflanzen herankäme durch die Sonne und die mit ihr transportierte Wärme. Ich wünsche mir, dass es konstant bleibt und das neue Klima versunkene Lebensgeister weckt: bei Pflanzen, Tieren und uns Menschen. Wir alle haben, so scheint es mir, einen erheblichen Nachholbedarf.

Aktuelle Blüteneindrücke

Er scheint sich bei hochsommerlichen Temperaturen am wohlsten zu fühlen. Der Liguster hat zwar seine weißen Blütentrauben schon seit einigen Wochen ausgebildet, die Einzelblüten öffnen sich aber erst jetzt. Und werden vermutlich ihre ganze Entfaltung bei konstanten Wärmegraden zeigen. Einmal wieder war es ein Problem, die winzigen Details fotografisch zu erfassen, da mein Zoom gewisse Grenzen kennt. Ein Eindruck ist dennoch gelungen:

Ligusterblüte

Und da ist dann noch diese neue Unbekannte. Auch diese wollte über mehrere Wochen ihre immer praller sich abzeichnenden Knospen partout nicht öffnen. Nun sind die ersten zum Vorschein gekommen. Immer noch rätsle ich bezüglich der Art. In jedem Fall ist sie eine Bereicherung der öffentlichen Parkanlagen.

Blüte des Pfeifenstrauchs

Tropenfeeling

Kaukasische Flügelnuss

Im Mittagslicht verwandelt die voll belaubte Kaukasische Flügelnuss ihre Umgebung in ein tropisches Biotop. Das durchleuchtete Grün dieser Blätter ist in Kombination mit den schnurartig herabhängenden jungen Fruchtständen einmalig und vermittelt mir an Tagen wie diesem für Minuten das Gefühl, mich nicht an einer Teichanlage in D., sondern mitten im tropischen Regenwald zu befinden. Nun, ich vermute, aus solchen Gründen werden diese wunderbaren Bäume auch in Parkanlagen gepflanzt. Ein wirklicher Augenschmaus, den man einige Monate lang genießen kann. Wenn man es kann und die Ästhetik des Baums wahrnimmt.

Neue Schönheiten

Noch eine Unbekannte, die mir im vergangenen Jahr erstmals aufgefallen war, die ich aber bis jetzt noch nicht entschlüsseln konnte:

Blüte

Und eine weitere, die den Frühsommer so farbenfroh ausschmückt und ein prima Dekor für eine Romantik-Porzellan-Serie hergeben würde:

Blüte

Irgendwann komme ich noch dahinter. Und bis dahin freue ich mich einfach an der Schönheit dieser natürlichen Meisterwerke.

Der unbekannte Park

Abends wird es warm, während man den ganzen Tag über einem Wechselbad der Temperaturschwankungen ausgesetzt ist. Aber ich kann mich an die Vorjahre erinnern, da war diese Konstellation ein Vorzeichen des Sommers. So können wir wieder hoffen. Am Nachmittag habe ich die ersten wärmenden Strahlen zur Suche nach dem unbekannten Park genutzt. Sehr wahrscheinlich habe ich ihn auch gefunden. Falls man es einen Park nennen kann. Eher ein Parkstreifen, der zu der einen Seite von einer Straße mit anliegender Häuserzeile abgegrenzt ist, und zu der anderen von einem Bachlauf und einem parallel verlaufenden dicht bewaldeten steil aufragenden Hang. Das Dominanteste an diesem etwas verkommenen Park, in dem manche Wege nur noch andeutungsweise zu erkennen sind, oder einfach im Nichts enden, sind zweifellos die Bäume. Ein alter Baumbestand mit zahlreichen Exoten: zwei Ginkgos, eine Blauzeder, ein Mammutbaum, zwei zusammen stehende Wassertannen (? Ich glaube so heißt die Art, die ich aus dem Stadtpark in M. kenne), eine schwedischer Mehlbeerbaum, eine gewaltige Linde mit wunderschön ausladender Krone, ein Weißdorn, der als kleiner Solitärbaum gewachsen ist, eine Rosskastanie und ein Bergahorn. Möglicherweise noch einige andere, die ich nicht mehr in Erinnerung habe. Fast alle Bäume aber haben ein beachtliches Alter und z. T. enorme Größe. Eigentlich ist der Park damit ausreichend bestückt. Die Neuanlage wird die große Aufgabe zu lösen haben, diesen tollen Baumbestand gut zur Geltung zu bringen. Vielleicht kann Kunst dieses Bestreben unterstützen. Den gewaltigen Baum-Individuen wird sie dabei ganz gewiss keine Konkurrenz machen können.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.