Sommerlicher Kronenblick

Der mittägliche Spaziergang führte mich heute zum Alten Schloss. Das suche ich selten auf, und wenn meistens an sehr heißen Tagen. Einfach weil es schattig gelegen ist und die lange Zufahrt von stattlichen Eschen besäumt ist. Ein Blick nach oben in diese Eschenkronen offenbart an hellen Tagen und blauem Himmel ein majestätisches Bild. Wie gewaltig wirken diese Bäume, die bei aller Höhe und Breite doch etwas sehr Elegantes, irgendwie architektonisch Anmutendes an sich haben:

Eschenkronen

Besonders wenn die Kronen verschiedener Bäume ineinander greifen, als ob sie ein gemeinsames Ziel verfolgten. Als ob sie eine nicht näher definierte Aufgabe gemeinsam zu bewältigen trachteten.

fotolia

Mein Foto ,,haselgrün“ ist bei fotolia angenommen worden. Es war mein erster Versuch. Ich bin erst vor wenigen Tagen auf diese Online-Bildagentur gestoßen, die es jedermann ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen und mit Beachtung bestimmter Qualitätsstandards eigene Fotografien einem weltweiten Publikum anzubieten. Dabei wird zwischen verschiedenen Bildgrößenkategorien: M, L, XL und Originalgröße bei einer exklusiven Buy-Out-Lizenz unterschieden. Auch habe ich bei dieser Gelegenheit gelernt, was royalty-freie Lizenzen sind. Eine interessante und für mich noch sehr neue Welt. Sicher werde ich noch weitere Fotografien hochladen, ich habe da einiges anzubieten, was für Kreative unterschiedlicher Sparten von Interesse sein könnte. Nur die Auflösung stößt bei meinem Apparat an Grenzen, deshalb ist mir gegenwärtig eine Large-Kategorie nicht möglich. Aber das könnte sich in näherer Zukunft ändern, wenn ich die Investition in eine richtige Profi-Kamera wagen sollte.

Glanzpunkt

Bei J. und W. hat sich in Punkto Bäume nicht viel verändert. Der Nussbaum im Vorgarten erfreut sich guter Gesundheit, sehr viel gewachsen ist er im letzten halben Jahr allerdings nicht. Vermutlich benötigt er einen gewissen Anlauf, um sich dann stabiler zu entfalten. Hinterm Haus beeindrucken vor allem die beiden Ebereschen, die V. vor 2 Jahren als Winzlinge im Wald ausgegraben und dann in Js Garten eingepflanzt hat. Die beiden Schwestern sind sehr gut angegangen, noch ziemlich schwach im Stamm und deshalb nach oben leicht gebogen, aber sonst sehr schön entwickelt. Am erstaunlichsten sind die schweren Fruchtstände, die in dieser Stärke gar nicht zu den jungen Bäumen zu passen scheinen. Sie sind einfach gut platziert, an der sonnigsten Stelle des Gartens, und das wissen sie zu schätzen. In 5 Jahren werden sie der eindeutige Star sein und sowohl zur Blütezeit im Frühjahr mit den weiß-kremigen Blütenstände, als auch im Sommer mit dem lichten Hellgrün der gesägten Blätter und erste recht im Herbst mit seinen knall-roten Früchten einen optischen Glanzpunkt des Gartens darstellen.

Weihnachten so nah

Anstrengender Tag. So ein Ausflug in eine der Touristenhochburgen der Region ist nichts, was ich regelmäßig ertragen könnte. Da entschädigt auch die Möglichkeit, Massen von unterschiedlichen Menschen zu beobachten, nicht wirklich für die Strapazen und die Hektik. Aber auch in T. gibt es schöne Bäume. Z. B. die mächtige Libanon-Zeder, die man gleich eingangs der Fußgängerzone aus der Ferne erblickt und die schon einmal in einem der Bücher über besonders attraktive oder alte Bäume in Deutschland aufgetaucht ist. In einem der Geschäfte, in dem ich einen wunderschönen winzigen Igel zum Anstecken entdeckt habe, in den sich M. gleich verliebt hat, habe ich bei der Gelegenheit nach einem Weihnachtsbaum-Pin gefragt. Wie erwartet hat der Verkäufer abgewinkt: Vor Weihnachten vielleicht wieder. Wäre ja auch zu skurril gewesen, an einem solchen Hochsommertag ein Weihnachtsbaum-Symbol zu erwerben. Auch das gibt’s freilich, ich denke da nur an den V&B-Laden in M., der ganzjährig und ausschließlich Artikel anbietet, die sich um das Weihnachtsfest drehen. Da fällt mir ein: Auf meinem Bildschirmschoner rotiert immer noch der animierte Weihnachtsbaum mit Schneegestöber. Den werde ich eigentlich nie leid, auch wenn nicht Eingeweihte sich sehr wundern.

Veränderung beobachten

Das wird doch noch eine schöne Sommerzeit. So etwas hat man im Gefühl. Auch wenn es etwas auf und ab geht, im Schnitt ist es angenehm, und zeitweise erinnert mich das, seit vielen Jahren hatte ich diese Reminiszenz nicht mehr, an die Sommer meiner Kindheit. Die waren durchgängig als Jahreszeit erkennbar und schienen deshalb selbstverständlich. Diese vertraute, aber fast verloren gegangene Form der Selbstverständlichkeit ist jetzt erst wieder aufgetaucht. Wie auch andere Dinge aus meiner Vergangenheit plötzlich wieder zum Vorschein kommen, mir allerdings heute in anderem Licht erscheinen. Für mich ist es dann spannend zu beobachten, welche Gestalt sie heute haben, und wie ich heute damit umgehe. Kreativer denke ich, anders in jedem Fall. Und das ist gut so, denn sonst hätte ich ja nichts dazugelernt. Die Baum-Themen geben mir die Möglichkeit, solche Vergleiche anzustellen. Sie liefern mir immer wieder Anlässe zur Selbstreflexion, zur Ortung des eigenen Standpunkts, zur Orientierung in der sich ständig verändernden Welt. Sie bilden für mich die immer ansprechbare Basis zum Verstehen dessen, was ist, und zum Projizieren, wie es werden könnte. Konstanz wie Veränderung ist mir so viel besser beobachtbar.

Neue Schlaf-Äpfel

Um diese Zeit tauchen die ersten ,,Schlaf-Äpfel“ auf. Das sind diese wuscheligen Gebilde, die sich vereinzelt an den Blättern und Stielen der Heckenrosen bilden und zunächst rätselhaft wirken. Tatsächlich handelt es sich dabei um Nester, in denen sich meist mehrere Larven der Rosengallwespe befinden. In früheren Zeiten soll man diese Gebilde unters Kopfkissen bei Säuglingen gelegt haben, weil man ihnen besonders schlaffördernde Wirkung zugeschrieben hat. Daher der ,,Spitzname“. Ich verbinde die Schlaf-Äpfel mit dem Sommer, denn nur während der warmen Jahreszeit zeigen sie ihre rot-bräunliche Farbe und die flauschige Oberfläche, während sie zum Herbst hin sehr unansehnlich, schwarz-braun und wie verrottet aussehen:

Schlafapfel

Beuys und die Bäume

Solche Zusammenhänge wie zwischen bestimmten künstlerischen Ansätzen und der Symbolik der Bäume interessieren mich sehr. So habe ich mit Interesse einen Internet-Beitrag über ein Symposion gelesen, welches am Wochenende in Darmstadt stattfindet und sich auf die Bedeutung von Bäumen im Werk von Joseph Beuys bezieht. Die legendäre Aktion ,,7000 Eichen“ anlässlich der Documenta 1982 in Kassel ist mir aus Berichten noch gut in Erinnerung. Nicht nur wegen der Bäume, sondern weil die Aktion auch ein sehr gutes Beispiel für Beuys‘ Begriff der sozialen Plastik und seine Sichtweise auf Kunst als Lebensform darstellt. Während meines Praktikums im Duisburger Wilhelm-Lehmbruck-Museum, das wichtige Werke des Künstlers beherbergt, habe ich mich vor Jahren mit diesen Projekten intensiver beschäftigt. Und fand das sehr faszinierend, auch wenn sich die Geister in Bezug auf die Beuyssche Kunst und seinen Kunstbegriff bis heute scheiden. Seine Anstöße, die auch im Werk vieler seiner Schüler zum Ausdruck kamen, sind für mich bis heute einmalig und in dieser Innovationskraft unerreicht. Deshalb habe ich auch angefragt, ob ich die Beiträge zum Symposion in schriftlicher Form erhalten könnte oder ob es eine Publikation hierzu gibt. Die verschiedenen Beiträge von Forstleuten, Kulturwissenschaftlern und Philosophen würden mich sehr interessieren. Und am Symposion selber kann ich leider nicht teilnehmen. Mal sehen, was aus der Anfrage wird.

Immer grüner

Der Spitzahorn hat mir diesmal während der Mittagspause kaum Schatten gespendet. Deshalb habe ich darauf verzichtet, unter seiner Krone Platz zu nehmen. In früheren Sommern war das anders. Da sorgten die tief liegenden Äste noch für Abkühlung. Dieselben Äste, die im Winter der Baumsäge zum Opfer gefallen sind. Schatten adé, und auch Walnüsse adé, die an den unteren Ästen des großen Nussbaums griffbereit waren, und die nun unerreichbar geworden sind. Das habe ich also der Baumschnittwut des dortigen Gartenbauingenieurs zu verdanken, der seine Aufgabe sehr gründlich wahrnimmt und dabei sein Ingenieursein ausspielt. Für mich und andere bedeutet das: einmal wieder weniger Zauber, eine Art Verlust, die durch nichts zu ersetzen ist. Gott sei Dank tun sich an anderer Stelle neue Erfahrungsmöglichkeiten auf. Und, fairerweise gesagt, so viel Bäume, gerade im Innenstadtbereich, hat es nie gegeben. Es wird tatsächlich immer grüner, auch wenn das eine bürokratischere Denkart nach sich zieht.

Reife Kirschen und Moral

Die Kirschen in Nachbars Garten. Bisher war das kein wirkliches Thema. An den beiden Kirschbäumen, die in zwei diagonal gegenüber liegende Ecken des verwilderten Gartengrundstücks neben meiner Arbeitsstätte stehen, erfreue ich mich seit einigen Jahren. Zur Zeit der Blüte, des satten Sommergrüns und der Fruchtreife. Der eine der beiden großen Bäume ist immer 2-3 Wochen früher dran als der andere. So sind dessen Kirschen jetzt schon überreif und fallen bereits ab, während der zweite genau auf dem Höhepunkt angekommen ist, was man am Wohlgeschmack der Kirschen leicht ablesen kann. Die Kirschen zu pflücken, auf die Idee ist in den letzten Jahren wohl niemand gekommen. Schon gar nicht mit der Leiter, denn die unten hängenden sind in der Minderzahl und der Baum ist sehr hoch. Umso mehr tat es mir leid, auf Wunsch von K. den türkischen Anliegern nahe zu legen, auf das Pflücken zu verzichten, da er den Baum bereits seinem Freund K. versprochen hatte, der einige Tage später anrückte und einen Teil der Kirschen erntete, wohl um sie einzukochen. Heute nun hat er meinen Kollegen und mir den zweiten Baum ,,frei gegeben“, ohne dass es große Wirkungen gehabt hätte. Ich fände es irgendwie unmoralisch, nun ein Recht in Anspruch zu nehmen, das anderen, die dem Baum mindestens genau so nahe, wenn nicht näher sind, nicht zuerkannt wurde. So können sie von mir aus einfach abfallen. Der Anblick an sich ist sowieso das Beste, wie die beiden Fotos illustrieren mögen:

Süßkirschen

Süßkirschen

Alter Weg und neuer Eindruck

Die Wegschleife unten an der Saar ist in den letzten Wochen begradigt worden. Die Radfahrer haben es jetzt zwar einfacher, den steilen und scharf kurvigen Weg zu bewältigen, aber ein Stück weit ist der Zauber des Ortes nun auch verloren gegangen. Die Zwiesel-Hainbuche, vor einigen Wochen schon gefällt, ist nur noch durch ihren Stumpf repräsentiert. Überall am Rand liegen klein gesägte Abschnitte des mächtigen Baums. Wenn das Klima nicht so angenehm gewesen wäre, und der Gang entsprechend entspannend, hätte ich mich wohl möglich geärgert.

Hainbuchenstumpf

Auf dem weiteren Weg dann eine neue Überraschung. Ich hatte es mir schon vorgenommen, aber dass ich den genau richtigen Zeitpunkt erwischen würde, das konnte ich nicht wissen. Jedenfalls bin ich sehr froh, die Blüte der Gemeinen Waldrebe entdeckt zu haben. Tatsächlich war diese mir zuvor niemals aufgefallen. Schade, denn sie hat durchaus ihren Reiz, wie auch alles andere an dieser interessanten Kletterpflanze:

Blüte der Waldrebe

Schöner Sommer

Das sommerliche Juli-Blatt auf meinem Alleenkalender gibt ziemlich genau die Atmosphäre wieder, die diese Tage kennzeichnet. Heute früh in M. habe ich mich unvermittelt an die Urlaube, das ist 30 Jahre her, auf der Nordseeinsel Föhr erinnert. Damals herrschte genau dieses Klima, das ich mit dem Hochsommer verbinde. Haben die Miesepeter also doch unrecht gehabt, die aus dem elend langen Winter und dem durchwachsenen Frühjahr einen ebenso trostlosen Sommer glaubten vorhersagen zu können. Ich glaube, es wird ein sehr schöner Sommer. So wünsche ich uns allen viel Freude: an der Wärme, an dem Licht, den langen Tagen, der Zusatzenergie, die den bewussten Tag interessant und kreativ werden lässt. Die richtige Mischung aus kreativem Arbeiten und dem nicht minder kreativem Stillsein, bevorzugt inmitten sommerlicher Landschaften, ist mein erklärtes Ziel für die kommenden Monate.

Besondere Verbindung

Woher auch immer es herrührt, diese Freude und dieses außerordentliche Interesse an den Bäumen. Es verlässt mich auch in solchen Zeiten nicht, in denen das kollektive Unbewusste von sportlichen Wettbewerben wie der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land in Wallung gebracht wird. Auch daran kann ich mich freuen – was für ein dramatisches Spiel und welch spektakulärer Sieg am Ende für die Deutschen im Elfmeterschießen. Die Weltmeisterschaft wird in einer Woche beendet sein, die Bäume aber sind immer da, so etwas wie freundliche Lebensbegleiter. Und immer wieder treten neue Repräsentanten dieser beeindruckenden und mich anrührenden Wesen in mein Leben. Beschäftigen mich auf vielfältigste Weise, lassen mich nachdenklich, kreativ und aktiv werden. Beeinflussen meine Sicht auf die Welt. Bereichern mein Erleben, Denken und Fühlen. Und wo ich angesichts der Fußballeuphorie beim Thema Patriotismus bin: Möglicherweise ist meine Baum-Begeisterung ja ein typisch deutsches Phänomen. Der Wald ist uns heilig, die Bäume sicherlich auch. Jedenfalls genießen sie hier als Lebewesen mit eigenem Charakter und als Lebenssymbole für uns Menschen große Achtung. Meine Unterstützung sollen sie auch in Zukunft haben. Vor allem aber will ich möglichst viele an meiner besonderen Verbundenheit mit den Bäumen und dem, was ich daraus gewinne, teilhaben lassen.

Überraschend schön

So viele neue Entdeckungen im Bereich der Sträucher. An vielen zeigen sich jetzt schon die Früchte. Schade nur, dass ich bei manchen weder anhand der Blüte noch anhand der Frucht die Art bestimmen kann. Es ist aber recht interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Anmutung der Blüten und Früchte einer Art sein kann. Bei diesem Strauch mit den opulenten, wie kleine Orchideen wirkenden Blüten sind die Früchte ganz unscheinbar, eigentlich gar nicht als Früchte erkennbar, mehr eine Art Federbüschel, was man aus der Blüte niemals abgeleitet hätte:

Strauchfrucht

Schön ist auch dieses. Jedes einzelne ein kleines Wunder, das der Art ihren höchst individuellen Charakter verleiht.

Lichtfänger

Brombeerblüte

Was für ein Sommertag: Wunderbar hell, und diese erschöpfende Hitze, welche sich am späten Nachmittag schlagartig zuspitzt, um sich dann nach 19 Uhr wieder abzuschwächen. Die Brombeeren sind in dieser Zeit eine wahre Freude, weil sie sich sukzessive entwickeln, schon grüne Früchte tragen, während am selben Strauch die nächsten Blüten sich öffnen und ganz neue noch geschlossen sind. Das macht ein strahlendes Bild aus, in dem sich sommerliches Licht wunderbar spiegelt. Gleiches gilt für die jetzt voll ausgebildeten Fruchtstände der Kaukasischen Flügelnuss, die nicht nur ihr Urwald-Grün versprühen, sondern ihre einmalige Erscheinung zusätzlich mit den langen hängenden Früchten akzentuieren, die mit den glänzenden Flügeln so herrlich in der Sonne glänzen und in deren Hintergrund das strahlenartig durchscheinende Licht attraktive Muster bildet:

Flügelnussfrucht

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.