Überleben

Das Gewitter und damit der erste Regen seit Wochen liegt förmlich in der Luft. Wenn es uns auch nicht erreicht und nur in anderen Regionen der Republik wütet. Wie sehr sehnt man sich nach einer nassen Abwechslung und der damit verbundenen Abkühlung der wie eine dichte Masse wirkenden Luft. Immerhin wehte heute ein leichter Wind, der das Schwitzen etwas eingedämmt hat. Ich wundere mich, dass trotz des Klimastress die großflächig durch den Unfall entrindete Linde sich so gut hält. Ein Blick in die Krone lässt keinerlei Schockreaktion oder Verwelken erkennen. Es ist so, als ob sie es einfach ignorierte und beschlossen hätte zu überleben. Hoffentlich zeigen sich nicht in einigen Jahren dann schädliche Folgewirkungen.

Fremd

Nun komme ich in der Mittagspause noch nicht einmal mehr vor die Tür. So unendlich viel gibt es zu besprechen. Und doch habe ich das Gefühl, dass das alles zu nichts führt, und im Übrigen auch meine Begriffsfähigkeit übersteigt. Es bleibt der Eindruck zurück, verschiedene Menschen versuchen einfach nur, einen persönlichen Vorteil aus der prekären Situation des Unternehmens zu schlagen. Und ich komme unvermittelt in Kontakt mit Denkarten und Zukunftsprojektionen, die mir bisher völlig fremd waren. Macht das einen Sinn? Ich werde die ruhigen Momente, am besten bei einem Spaziergang unter Bäumen, nutzen müssen, um mir selber mehr Klarheit zu verschaffen.

Ausnahmesommer

Die Dauerhitze, gepaart mit einer unheimlichen anhaltenden Luftfeuchtigkeit, verdichtet die Atmosphäre zu einem zähen Sommer-Dunst, der alle Lebewesen einlullt und zunehmend willenlos macht. Ich möchte nicht wissen, wie die Bäume wieder leiden in diesen Tagen, sicherlich wird man in 2-3 Jahren erneut die Nachfolgen der zu großen niederschlagslosen Hitzeperiode zu sehen bekommen. Tatsächlich, ich kann mich an einen solchen Sommer, der nur Hitze, aber keine echten Gewitter und über lange Phasen überhaupt keinen Regen bringt, überhaupt nicht erinnern. Es ist, als ob wir die Klimazone gewechselt hätten, direkt in Richtung des Tropischen Regenwaldes. Das ist schon heftig, die Pflanzen lappen, besonders die Blumen, und noch so viel Gießen kann sie nicht in ihren Normalzustand zurück versetzen, ein Dauerstress für den Organismus, und eine völlig unwirkliche Situation zudem. Ein Ausnahmesommer, der sich von mir aus nicht unbedingt wiederholen muss, genauso wenig wie der langweilige und nicht enden wollende Winter, den wir hinter uns haben.

Müde

Hatte heute keine Gelegenheit zum Fotografieren. Auch war die sonst so erholsame Mittagspause nicht ausreichend, um wirklich Luft zu schnappen und zur Ruhe zu kommen. Zu viel Stress rund um die Zukunft der Firma nach Ks Tod. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich jemals mit solchen Dingen würde beschäftigen müssen. Und hoffe, dass es für mich eine vernünftige Lösung gibt, eine die Sinn macht, ohne meine Vergangenheit und mein Talent zu verschleudern. Mehr will ich heute nicht sagen, bin einfach zu müde.

Zweimal schön

Die haben immer so etwas space-mäßiges, erinnern mich immer an Weltraumstationen oder ähnliches. Deshalb sind sie auch immer wieder beliebtes Fotomotiv, die Früchte des Lindenbaums. Besonders wenn sie noch nicht überreif sind:

Lindenfrüchte

Ob es sich nun um Winterlinde oder Sommerlinde handelt, werde ich wohl nie erkennen können. Und dann war da noch eine weitere Entdeckung. Bisher kannte ich die Früchte nur in der grünen Form, wusste gar nicht, dass sie so schön rot bis tief schwarz werden:

Schneeballfrucht

Dieser Fruchtstand ist vom wolligen Schneeball. Ganz anders übrigens als beim Gemeinen Schneeball, der kugelrunde und transparent rote Früchte trägt.

Unbegreiflich

Wie könnte ich an einem solch tragischen Tag von Bäumen reden! Gestern noch habe ich mich wie selbstverständlich von ihm verabschiedet. Und heute ist mein langjähriger Chef schon tot. Ein Tod, mit dem niemand gerechnet hat, der so unverhofft kam und der so unbegreiflich ist, dass alle, die ihn kennen und schätzen, die Nachricht erst einmal verdauen müssen. Lange, so sage ich voraus, wird es dauern, bis man sich klar gemacht hat, was da passiert ist. Groß wird der Verlust sein, vor allem für die Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter, denen er als Puppenspieler über zwei Jahrzehnte so viel Freude bereitet hat. Gleichgültig, ob und wie es jetzt weiter geht, zu ersetzen wird er nie sein. Zu sehr tragen die Initiativen seine Handschrift, zu vieles ist nur mit ihm und durch ihn denkbar. Umso mehr wünscht man sich, dass seine Schöpfungen überleben werden, die so große Wirkungen in der ganzen Republik hinterlassen haben. Dass eine Möglichkeit gefunden wird, sie am Leben zu halten und weiter zu entwickeln. Ihm selber wäre das sicherlich wichtig. Und gerade deshalb haben wir beschlossen, die morgigen Vorstellungen nicht abzusagen. Ihm zum Gedenken. Ich drücke den Puppenspielern die Daumen, dass sie das schaffen.

Baumschatten und gefährlicher Walnussbaum

Es ist die Zeit, während derer die Bäume vor allem als Schattenspender heiß begehrt sind. In der kleinen verlassenen Parkanlage in D. lag über Mittag jetzt tagelang ein junger Mann mit blankem Oberkörper auf einem der Rasenstücke – in der prallen Sonne. Sehr mutig und ein gutes Stück unvernünftig, dachte ich, wer sich derart ungeschützt der zerstörerischen Kraft der Sonnenstrahlen aussetzt. Heute war ihm das aber dann doch endgültig zu heftig, und so breitete er seine Decke unter dem Schatten spendenden Walnussbaum aus. Eine vernünftige Wahl, dachte ich als erstes, und dann: er weiß nichts von der Symbolik der Bäume, dem gefährlichen Ruf der Walnussbäume, deren fungizide Ausdünstung unzweifelhaft ist (kein Unkraut und auch sonst keine Pflanze hat unter seinen Zweigen eine Chance), und denen man in früheren Zeiten gar nachsagte, dass derjenige, der sich schlafend unter ihnen niederlässt, nicht mehr aufwachen werde. Es wäre wohl unangemessen gewesen, ihn auf solche Bedeutungen aufmerksam zu machen. Er hätte es nicht verstanden, und ich hätte ihn wohlmöglich nur erschreckt. Umso erleichterter war ich, dass im nächsten Parkstreifen, sich zwei junge Männer unter einem Spitzahorn niederließen, einem symbolisch völlig ungefährlichen und unspektakulären Baum, dem man, wenn überhaupt etwas, eine gewisse Affinität zum Unbeschwerten und Spielerischen nachsagen könnte.

Hibiskus

Hibiskusblüte

Diese Blüten sehe ich jetzt an vielen Stellen in D. Es gibt sie in verschiedenen Farben, meist rosa, lila oder bläuliche Töne. Und sie gehören zum Hibiskus, eine botanische Gattung, die wie Wikipedia weiß etwa 300 verschiedene Arten in aller Welt kennt. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sie in meinem Baum-Strauch-Buch nicht aufgeführt ist, wie vieles, was ich in Gärten und Parkanlagen an Ziergehölzen schon entdeckt habe. Offenbar tritt diese Gattung in ganz unterschiedlichen Formen auf, vom Kraut über den Strauch bis zu baumartigen Gewächsen (diese allerdings nicht in unseren Breiten). Bei uns handelt es sich eindeutig um einen Strauch, der stangenartige verholzte Stengel ausbildet und nach oben mit großen, sehr dekorativen und im Sommerlicht transparent leuchtenden Blüten abschließt.

Häutung

Zu dieser Zeit schälen sich die Platanen selbst. Es ist interessant zu beobachten, wie sich die verschiedenfarbigen Borkenschollen ablösen und irgendwann ganz abfallen. Das wirkt so körperlich wie die künstlich gestutzten und im Volumen sich verbreiternden Platanen als Ganze, welche sich wie ein raumgreifendes Gerüst in den Raum ausdehnen. In dieser Phase sieht es wie eine Häutung aus, später dann erscheinen die Bäume wie vom Militär ausgeliehen und einem geheimen kriegerischen Zweck dienend:

Häutung

Häutung

Verletzt

Verletzter Baum

Gestern schon war es mir aufgefallen. Gleich am Anfang meines mittäglichen Weges begegne ich am Straßenrand den jungen Linden, die im Frühsommer diese wunderbare Blütenpracht zeigen und jetzt voll im sommergrünen Laub stehen. Eine davon war zur Gehwegseite hin regelrecht aufgeschlitzt, ein mindestens 1m langer vertikaler Riss in der Rinde, die sich seitlich sogleich abgelöst hatte und das nackte Splintholz entblößte. Eine ganz schlimme Verletzung, die ich mir nicht recht erklären konnte. Sollten das wieder gedankenlose und auf Zerstörung ausgerichtete Jugendliche gewesen sein, so wie an der Erle am Teich, die regelrecht abgeschabt wurde? Heute Mittag bin ich an der Stelle einem Gemeindemitarbeiter begegnet, der zusammen mit Kollegen gerade dabei war, den Baum zu bearbeiten und das davor gelegene Erdloch aufzufüllen. Auf meine Frage hin, was denn mit dem Baum passiert sei, erklärte er mir, es sei ein Unfallschaden. Unglaublicherweise ist ein Auto so unglücklich von der Fahrbahn abgekommen, dass es dem Baum an der der Fahrbahn abgewandten Seite diese Verletzung zugefügt hat. Und bei der Hitze musste die Rinde dann abplatzen und sich lösen. Wie der Mann mir erklärte, soll weiter nichts passieren, man hat lediglich die Rinde mit einem Messer gerade abgeschnitten, um einem weiteren Vandalieren von Jugendlichen vorzubeugen. Die Wunde soll aber nicht mit künstlicher Rinde geschlossen werden. Man hofft einfach, dass der Baum es schafft, seinen Stoffkreislauf aufrechtzuerhalten und im Laufe der Jahre die Wunde selber wieder zu schließen. Ich hoffe ebenso und wünsche dem Baum ein Überleben und gutes Leben zusammen mit seinen Artgenossen in dieser Straßenzeile.

Graffiti-Baum

Der Graffiti-Baum hat heute meine Aufmerksamkeit erneut auf sich gezogen. Vielleicht weil der Tag so vom Sommerlicht durchflutet war. In solchem Licht erscheint vieles ganz anders, und manchmal aufregender als an ,,normalen Tagen“. Die Platane hat nie gelitten an dieser künstlerischen Beanspruchung, vielmehr fügt sie sich wie selbstverständlich in die Wandzeichnung ein und bleibt doch Bestandteil des Parks. Ein Bestandteil mit Sonderstatus. In der Fotografie ergeben sich interessante Irritationen, was die Zuordnung von Vorder- und Hintergrund, von Abgrenzung und Einheit betrifft. Ein Bild, das gewisse optische Rätsel aufgibt:

Graffitibaum

Pause

Nach so viel Ereignisreichem und Baum-Holz-Trächtigem war heute mal Ruhe angesagt. Die beiden Wunschbaum-Armbänder habe ich immerhin eingefädelt und zum Versand vorbereitet. Und meine gestrigen Arbeitsergebnisse bewundert. Auch noch einige neue Fotografien bei fotolia hochgeladen. Bin mal gespannt, wie die Akzeptanz sein wird. Darüber hinaus hatte ich zwar noch einiges vor, konnte die erforderliche Energie aber nicht aktivieren. Ich schätze, die Pause war mal notwendig. Immer mit Volldampf kann auf Dauer einfach nicht funktionieren.

Baum retten und Holz sägen

Der Wacholder im Sandsteinkübel vorm Haus hat in den letzten Wochen sehr gelitten. Die braunen Nadeln zeigten sich nicht nur im Inneren, was ganz normal gewesen wäre. Sie färbten den kleinen Baum auch äußerlich zunehmend mehr, bis er seine geschlossene Form gänzlich verloren hatte und regelrecht aufbrach. Es schien mir wie ein Hilferuf. Heute früh habe ich ihn von dieser Qual befreit und ausgepflanzt. Die Wurzeln sind erstaunlicherweise gar nicht verkümmert, und überhaupt war nichts Schädliches zu erkennen. Ich habe ihn dann gründlich von allen braunen Nadeln befreit, die ganz verdorrten Äste herausgeschnitten, so dass er jetzt zwar ziemlich gerupft wirkt, aber von seinen kränkelnden Anzeichen befreit. Erst kam er in einen Eimer mit Wasser, und kurz darauf – als Übergangslösung bis zum Herbst – in einen größeren Eimer mit Loch zum Abfließen und frischer aufgeschwemmter Erde. Ich hoffe, im Garten wird er sich jetzt wohler fühlen und sich auch langsam erholen können. Später soll er dann ans Bienenhaus an einen besonders sonnigen Platz, was er ganz sicher mögen wird. Meine Vermutung, was sein Leidern ausgelöst hat, nachdem er drei Jahre lang sehr gut aussah: Die Walderdbeeren, die wir ihm im Frühjahr zugesellt haben, scheinen ihm nicht bekommen zu sein. Vielleicht haben sie ihm ja wichtige Nährstoffe abgezweigt und seinen Stoffkreislauf gestört. Am Nachmittag dann waren die 5 Abschnitte des Maulbeerbaums an der Reihe. Ich habe sie an der großen Kreissäge aufgeschnitten und verschieden große und geformte Scheite und Kanteln daraus gemacht. Eine ziemlich sägemehlintensive Angelegenheit, die Augen und Nase belastet hat, aber es war erfolgreich. Ein wunderschönes Holz, das ganz frisch gesägt gold-braun schimmert und nach kurzem Antrocknen sich zum Grünlichen hin verändert, in jedem Fall aber mit einer interessanten Zellstruktur und einem seidigen Schimmer. Ich bin sehr gespannt, wie es sich nach dem Trocknen verarbeiten lässt und wie es optisch wirkt. Übrigens mit der Säge sehr leicht zu verarbeiten, es schien sehr weich, obwohl es kein Weichholz im eigentlichen Sinne ist, sondern rein äußerlich an Robinienholz erinnert. Der Holzstaub übrigens riecht intensiv, und dieser Duft ähnelt sehr dem, den ich aufgenommen haben, als ich den fruchtreifen Baum, von dem diese Abschnitte stammen, vor wenigen Tagen beschnuppern durfte. Eine überaus spannende Sache, so ein Maulbeerbaum. Deshalb haben wir auch beschlossen, uns im Herbst einen lebenden anzuschaffen, und beim Bienenhaus einzupflanzen. Darauf freue ich mich schon. Von den vor einigen Wochen zurückgelegten Weinstockabschnitten habe ich auch noch ein paar winzige Stücke in Kantelform sägen können. War ziemlich schwierig, aber das Holz ist diesmal ziemlich dicht, und wir sich wahrscheinlich auch zu Perlen verarbeiten lassen. Mal sehen, es könnten 2-3 Armbänder daraus werden. Nun hoffe ich nur noch, dass das neue Holz nicht zu sehr arbeitet und nicht unkontrolliert reißt. Das Wachsbad, in das ich alle Enden intensiv eingetaucht habe, dürfte das schlimmste verhindern und ein langsames Trocknen befördern.

Erfolgreiches Foto

Vor wenigen Tagen hatte ich die ersten beiden Fotografien von Blattformen eingereicht, die dann auch angenommen wurden. Und heute schon hat eine Agentur tatsächlich eines davon, nämlich ,,haselgrün“, in der Standard-Lizenz-Form erworben. Dass mein Debüt bei fotolia so erfolgreich sein würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Zumindest zeigt es, dass die Arbeiten unter Gestaltungsprofis ernst genommen werden. Nach dieser Überraschung bin ich natürlich ermutigt, noch mehr Motive vorzuschlagen, Möglichkeiten dazu sehe ich jede Menge. Dabei geht es mir nicht so sehr um den Verkaufserfolg, der sich ohnehin nur in ziemlich belanglosen credits äußert. Mich interessiert es vor allem, an Hand der Reaktionen, der Zugriffs- und Downloadzahlen, die visuellen und ästhetischen Präferenzen anderer Gestalter besser kennen zu lernen. Außerdem kann ich ausloten, welchen Stellenwert das Themen- und Motivfeld ,,Bäume“ in der Branche hat. Dass ich bei der Gelegenheit auch viele gute und weniger gute Fotografien zu sehen bekomme, die ich anders nie erblickt hätte, ist eine weiterer anregender Nebeneffekt.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.