Rotdorn-Blüte

Beim ersten Blick war ich ziemlich überrascht. Der Baum trug die Blätter des Weißdorns, hatte aber rosarote Blüten, deren Gestalt zudem völlig von denen des Weißdorns abwichen. Die Auflösung ließ nicht lange auf sich warten: Es konnte sich nur um den Rotdorn handeln. Am Abend habe ich einen weiteren in einer der Parkanlagen des Viertels gesehen. Dass ich nicht sofort darauf kam, lag daran, dass ich diese Blüten zuvor nie gesehen hatte. Sie treten in Büscheln auf, wobei die Einzelblüte ziemlich klein, rund und struppig ist. Jeder Blütenstand wirkt wie ein kleiner Blumenstrauß aus winzigen Papierblumen.

Guter Zusammenhalt

Ich denke, mit dem Absolvieren der Prüfung ist allen heute ein Stein vom Herzen gefallen. Mit der Freude darüber, dass wir es voraussichtlich alle geschafft haben, mischt sich aber auch ein Hauch von Wehmut. Besonders beim gemeinsamen Biergartenbesuch im Anschluss haben doch einige zum Ausdruck gebracht, das dreimonatige Training in der Gruppe doch sehr gewinnbringend war, nicht nur wegen der Verbesserung der Englischkenntnisse, auch wegen der meist gelungenen Kommunikation innerhalb der Gruppe und des guten Zusammenhalts. Auch fanden wir, dass die Zusammenkunft ganz unterschiedlicher Charaktere in dieser ganztägigen ,,Lern-Welt“ ein persönlicher Gewinn für alle war, der sicherlich seine Nachwirkungen haben wird. So konnten wohl alle bei diesem Abschlussgespräch unter schattenden Rosskastanien eine positive Bilanz der gemeinsamen Zeit ziehen.

Gleichmäßig aufmerksam

Die Zeit ist in diesen Tagen flüchtig, was mit meinem ständigen Hin- und Herreisen zu tun hat. Da ist es unmöglich, alle Lebensbereichen und alle Eindrücken gleichgewichtige Aufmerksamkeit zu schenken. Ich bedauere das sehr, denn viele Frühlingseindrücke gehen mir dadurch sicher verloren. Ich hoffe, dass es sich ab der kommenden Woche etwas beruhigt und ich dann vielleicht sogar den 1. Mai nutzen kann, den Stadtwald und seine Bäume näher unter die Lupe zu nehmen.

Christus-Dorn

Unweit meiner Wohnung hier in F. habe ich heute Abend an den vollen Blüten eines weißen Flieders geschnuppert. Der duftete wunderbar intensiv und wunderte sich wahrscheinlich selber über die frühe Gelegenheit sich in Szene zu setzen. Bei den geradezu frühsommerlichen Temperaturen heute ist das aber auch kein Wunder. Eine mir bisher unbekannte Information habe ich durch den heutigen Pressebeitrag zur Pflanzung der Gleditschie im künftigen Rainer-Werner-Fassbinder-Platz erhalten: Die Gleditschie trägt nicht nur den beschreibenden Zweitnamen ,,Lederhülsenbaum“, sie wird auch als ,,Christusdorn“ bezeichnet. Die Gründe für diese christliche Assoziation konnte ich allerdings nicht auf die Schnelle eruieren.

Frühes Blühen

Zunächst dachte ich, wir befinden uns in einer Art Blütenloch, nachdem die letzten Wochen von Apfel-, Kirsch- und Schlehdornblüte doch recht strahlend ausgefallen waren. Auf dem Rückweg sind mir dann aber doch die ersten schon recht fortgeschrittenen Weißdornblüten ins Auge gefallen, die den Bienen jetzt reichlich Nektar liefern werden. V. wird während der kommenden Wochen wohl alle Hände voll zu tun haben.

Weißdornblüte

Aber auch anderes setzt sich derzeit in Szene, z. B. der wollige Schneeball mit seinen schirmartigen Blütenständen, die zwar nicht ganz so attraktiv wirken wie die des Gemeinen Schneeballs, aber dennoch einige Zeit das frühlingshafte Landschaftsbild prägen:

Blüte des wolligen Schneeballs

Was mir hier wieder aufgefallen ist: Dass ich immer wieder über die Reihenfolge des Blühens einzelner Arten überrascht bin. Aus der Erinnerung würde ich vieles, wenn ich es wahrnehme, in andere Monate einordnen. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob es daran liegt, dass das Gedächtnis im zeitlichen Abstand einiges vertauscht, oder ob je nach klimatischen Verhältnissen tatsächlich die Abfolge jedes Jahr unterschiedlich ausfällt. Unabhängig davon kann man aber sagen, dass dieses Jahr alles sehr viel, ich schätze 2-3 Wochen, früher dran ist als im Durchschnitt. Wenn andererseits das Blühen dann nicht umso zeitiger wieder aufhört, sondern sich schön bis zum Sommer verteilt, finde ich das sehr angenehm.

Geometrische Platanenformen

Im Schein der Straßenlaternen konnte J. sie wohl nicht richtig identifizieren. Deshalb hat sie mich gefragt, welcher Art denn diese merkwürdig geformten Bäume an der Grenze zwischen Straße und Bürgersteig wohl angehören. Natürlich handelte es sich um Platanen. Bei keiner anderen Art hätte man es gewagt, sie quasi auf die Zweidimensionalität zu reduzieren. Mit Gewalt, versteht sich, denn ohne das Leiten mit angebundenen Stöcken wäre es nicht vorstellbar, dass die Äste nur auf einer Ebene angeordnet sind, in diesem Fall genau parallel zur Straße. Dadurch entsteht eine Art Baum-Silhouette, die die gewöhnlich erwartete rundplastische Anmutung verhindert und dadurch sofort ins Auge fällt. Eine Variante dieser Art, Platanen zu ziehen, habe ich vor einigen Wochen im Innenhof meines Fortbildungsträgers gesehen. Bei diesen waren die Äste allerdings direkt an der Stelle ihres Austritts am Stamm in die Horizontale abgeleitet und bildeten somit eine Art Scheibe, die parallel zu Boden verlief. Im Sommer wird diese Form wie ein Sonnenschirm wirken, als was sie wohl auch gedacht ist. Man mag von dieser Vergewaltigung der Platanen halten was man will, ein eye-catcher ist sie in jedem Fall und ist immerhin geeignet, die Aufmerksamkeit der Passanten auf den Umgang und die Gestaltung von Stadtbäumen an sich zu lenken. Diese Aufmerksamkeit haben diese Bäume verdient, wenn sie sich schon bereitwillig in die Geometrie der Menschen einpassen lassen.

Bäume und Wohlfühlen

Bei der Entwicklung der Visualisierung eines der von V. realisierten Gebäudekomplexe ist mir aufgefallen, dass die Arbeitsanweisung an den Visualisierer, das Umfeld der Darstellung freundlicher zu gestalten, unmittelbar zum Einfügen von Bäumen geführt hat. Diese wurden nicht nur im Außen dargestellt, sondern auch als Spiegelbild in den reflektierenden Glasfassaden. Das zeigt einmal mehr, dass es sich beim Baum um eine Art Archetyp handelt, der quasi-automatisch mit den positiven Kräften in der natürlichen Umgebung und dem Aspekt des Wohlfühlens in Verbindung gebracht wird.

Wurzelschutz

Am Vorplatz des neu erstellten Gebäudes in München wird kräftig gearbeitet. Letzte Woche bereits hat man Rollrasen aufgebracht, der bisher überlebt hat. Und heute, beim zweiten Besuch, ist mir aufgefallen, dass an den Stellen, an denen Bäume gepflanzt werden sollen, kreisrunde Metallscheiben, allerdings mit Durchbrechungen, in den Boden eingelassen wurden. Auf meine Nachfrage hin, was das zu bedeuten habe, meinte man, diese Abdeckungen seien eigentlich für solche Areale gedacht, in denen die Bäume von einem feinkörnigen Kiesbett umgeben sind. Man sieht das ja in jüngster Zeit häufiger. In diesem Fall können die Wurzeln geschützt werden und sich unterhalb des Betts im normalen Sandnährboden ungestört entfalten.

Aus der Übung

Allmählich komme ich aus der Übung im Bestimmen der Arten. Heute Abend bin ich einem Strauch begegnet, der schon abgeblüht war und an dem sich die ersten kugeligen Früchte abzeichneten. Er gehört zu den Arten, die ich im vergangenen Jahr erstmals ,,entdeckt“ habe, aber die Bezeichnung will mir nicht mehr einfallen. Ich meine, es war die rote Heckenkirsche, bin mir aber nicht sicher. Schade, während dieses Frühlings werde ich meine Kenntnisse wohl nicht mehr auffrischen können, da ich zu sehr von anderen Aufgaben vereinnahmt bin. Und auch das Entdecken neuer Arten wird sich wohl auf das kommende Jahr verschieben.

Botanischer Ausgleich

Die Vielfalt der Straucharten in der Stadt ist außerordentlich. Manche Arten habe ich noch gar nicht gesehen. Andere wachsen in besonders üppiger Form. Das ist gut so, denn beim Gang durch die kleineren Seiten- und Winkelstraßen wird einem schon bewusst, dass es sich um eine Großstadt handelt, in der viele nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Ich vermute, dass die Wohnungen dieser hier gehäuft vorkommenden Hochhausblöcke nicht kostengünstiger sind als Wohnungen mit gehobenem Standard in unserer Gegend. Allerdings sind sie Teil einer weniger freundlichen Architektur. Dass zwischen diesen Blöcken geradezu gemütlich zu nennende Nischen, Streifen und Ecken eingerichtet werden, die zur Rekreation oder als Spielplätze dienen, mag einen Ausgleich darstellen. Die markanteste Baumbeobachtung heute: Die Platanen tragen hier viel mehr Blüten als bei uns zuhause. Leider hängen sie immer zu hoch, um sie vernünftig fotografisch erfassen zu können. Im Gegensatz zu den ähnlich aussehenden späteren Fruchtständen sind die haarig-stacheligen Kugeln eher rötlich gefärbt. Später wandelt es sich in ein Grün-Braun.

Verschiedene Stadtbäume

Die vielen Seitenstraßen des Stadtviertels sind durchgehend begrünt. Anders als aber z. B. in Essen sind es weniger parkartige Grünflächen, die das Bild dominieren, sondern eher zaunartige Einfassungen der Grundstücke. So habe ich eine Reihe sehr schön und akkurat geschnittener Hecken hier gesehen. Auch Bäume werden als Abgrenzung gerne genommen. Interessanterweise kann man das Frühlingsblühen der Apfel- und Kirschbäume in diesen städtischen Zentren besser beobachten und vielfältiger wahrnehmen als in freier Flur. Das liegt natürlich auch an den vielen Zierformen. Auf dem Weg zum Mittagessen waren im Zentrum der Stadt heute die Platanen ein Thema. Nicht nur weil sie mir begegnet sind, zahlreich wie in vielen Großstädten. Auch weil die Kollegin, vermutend ich könne ihr näheres sagen, für ihren Freund nach symbolischen Implikationen der Platanen fragte. Leider konnte ich ihr nichts Konkretes sagen, die mythologische Erwähnung war mir entfallen, aber ich werde das später neu recherchieren. Im Übrigen wird die Gleditschie im Münchner Rainer-Werner-Fassbinder-Platz morgen durch die von mir vorbereitete Pressemitteilung einem größeren Publikum bekannt gemacht, bevor sie ihre Rolle in der Gestaltung des Parks entwickeln kann.

Grün-weißer Blütenfrühling

Die Meinungen gehen da auseinander, ob nach so einem Wetter Mitte April auch ein super heißer Sommer zu erwarten ist, oder doch eher das Gegenteil. Wir werden es einfach abwarten müssen. V. kann sich in jedem Fall auf einen ertragreichen Frühling freuen, denn die Bienen sind jetzt schon wie wild wegen der vielen Blüten, und auch sehr stark wegen des milden Winters, der sie wenig Energie gekostet hat. So wird die Frühtracht dieses Jahr wohl eine Reihe eher ungewöhnlicher Anteile von Kirsche und Birne enthalten, die in ,,normalen“ Jahren um diese Zeit tendenziell erfroren sind. Das Blühen habe ich deshalb heute auch zum Leitthema meines kurzen Spaziergangs am Saardamm gemacht. Hier sind die ersten Ergebnisse:

Baumblüte

Diese konnte ich nicht genau zuordnen. Aber die folgenden gehören zweifelsohne den Ahornen. Zunächst der Feldahorn mit seinem sehr winzigen und filigranen Blütenstand:

Feldahorn-Blüte

Und dann der Spitzahorn, dessen Grün-in-Grün man selbst mit der Spiegelreflextechnik unheimlich schlecht einfangen kann:

Spitzahorn-Blüte

Die Gewöhnliche Traubenkirsche schließlich gehört zu den lichtesten Blüten überhaupt und fasziniert mich deshalb immer wieder aufs Neue:

Traubenkirsche-Blüte

Zaghaftes Treiben

Tatsächlich, die Kirschbäume blühen auch in unserer Region allerorts. M. meinte, das sei normal zu dieser Jahreszeit, ich habe das allerdings anders in Erinnerung. Natürlich kann man sich da täuschen, die Magnolien hätte ich aus meiner Erinnerung auch schon einmal in den Frühsommer eingeordnet, während sie tatsächlich schon im April aufblühen und sehr schnell auch wieder ihre Blüten verlieren. Das Laub treibt nun aber zaghaft bei vielen verschiedenen Arten, z. B. bei den Rosskastanien, die tatsächlich schon ihre fünf Finger ausgebreitet haben und deren noch grüne Blütenstände bereits erkennbar sind. Oder bei unserem Feigenbaum, der gleichzeitig schon die ersten Vorfeigen für dieses Jahr hat wachsen lassen, und bei dem Ginkgo, der Blattbüschel an verschiedenen Stellen auch des Stamms ansetzt, ohne dass jetzt schon erkennbar wäre, an welchen Stellen er sein Längenwachstum fortsetzen wird. Dieses interessiert mich am meisten, ist es doch Voraussetzung dafür, dass er seine für Ginkgos charakteristische schlanke und hohe Form entwickelt und im Schatten des Feigenbaums nicht verkümmert. Wir werden sehen, auch was die Entwicklung des neuen Maulbeerbaums betrifft, der sich derzeit noch nicht so richtig traut, ich denke aber, dass ist für die Art normal, und er wird dann im Hochsommer auch zu seiner individuellen Hochform auflaufen.

Kunst-Gleditschie

Die erste echte Arbeitsleistung im Rahmen meiner neuen Tätigkeit drehte sich interessanterweise um einen Baum. Das sollte man im Zusammenhang eines Immobilienprojekts nicht unbedingt erwarten, aber der Baum ist eben Teil eines künstlerisch gestalteten Platzes, der nach dem berühmten Filmemacher und Autor Rainer-Werner-Fassbinder benannt wird. Warum er neben einem Asphaltkunstwerk platziert werden soll, kann ich nicht sagen, der einzige Hinweis in dieser Richtung war, dass er so wie das Kunstwerk selber ungewöhnlich sein solle. Deshalb hat man auch eine Gleditschie ausgewählt, die für einen neu einzupflanzenden Baum die ungeheuere Höhe von 12 m besitzt und ein Alter von bereits 30 Jahren. Nicht genug damit: Der Baum soll angeblich per Schiff aus Nordamerika importiert worden sein. Da fragt man sich, wie der jemals angehen soll, mitten in München, und in späterer Konkurrenz zu einer riesigen asphaltierten Platzfläche. Nun, die Macher werden sich etwas dabei gedacht haben und haben möglicherweise die Eigenschaften der Art miteingerechnet. Vorstellbar ist es immerhin, denn man diese Art in den letzten Jahren immer häufiger an öffentlichen Plätzen, bevorzugt in Städten.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.