Urwaldartig

Die Witterung war wie geschaffen für einen Spaziergang durch das Mühlental. Im Sommer ist es dort am schönsten, auch wenn es richtig heiß ist, denn der Wald ist sehr schattig und lässt einen größtenteils unter hohen, das Licht absorbierenden Bäumen wandeln. Erstaunlich, dass ich an diesem etwas verschlafenen Tag so vielen Spaziergängern begegnet bin. Sonst habe ich kaum jemals dort jemanden getroffen. Allerdings habe ich eine frühere Beobachtung bestätigt gefunden: Für die meisten gibt es keinen Grund, einen Waldspaziergang zu unternehmen, es sei denn, sie wollen einem Hund Bewegung verschaffen. So waren auch hier alle in Begleitung eines Hundes unterwegs. Ich nehme diesen märchenhaften Waldabschnitt jedes Mal anders wahr. Bestimmte Perspektiven waren mir heute gar nicht erkennbar, die entnommenen Abschnitte der Efeuranken habe ich nur noch an einer Stelle identifizieren können, geradeso, als ob sich alles verändert hätte. Urwaldartig eben, und das macht eigentlich auch den Reiz dieses früheren Herrschaftswaldes aus. Meine Fotoeindrücke orientieren sich dann auch immer an diesem Thema, das einfach bestimmend ist. Hier ein Feldahorn, an dem sich eine Gemeine Waldrebe empor gewunden hat:

Waldrebe

Und dies sind einmal eine schlanke Hainbuche und einmal eine gewaltige Rotbuche, die für Vögel eine menschengemachte Behausung bereit halten:

Vogelhaus

Vogelhaus

Schade, dass dieser Weg so kurz ist. In seiner Ruhe könnte man sich eigentlich länger aufhalten. Für mein heutiges Zeitfenster war er aber gerade passend.

Gartenausstellung und kulturelle Inszenierung

Heute früh noch das ungemütlichste Regenwetter, und am Nachmittag fast hochsommerlich. Das Wetter spielt mal wieder verrückt. Aber die Aufhellung kam gerade richtig für unseren Besuch bei den ,,Gartenträumen“. Keine großen Überraschungen im Vergleich zu den Vorjahren, aber bei Sonnenschein ist es einfach schön, über das Gelände rund um den Linslerhof zu gehen. Das Gehen und Beobachten ist dabei das Interessanteste. Diesmal haben wir aber auch etwas mitgebracht: Eine Zwerg-Geranienart als Ersatz für die gerade erst gepflanzten Sommerblumen, die von einem Insekt zerfressen wurden. Ein neues mit antiquarischen Abbildungen illustriertes Baumsymbol-Buch, das M. mir bei nächster Gelegenheit schenken möchte. Und ein Metall-Gong, den ich unter verschiedenen Exemplaren mit je unterschiedlichem Klang ausgewählt habe. Er wird meine kleine Sammlung von Klang-Instrumenten erweitern. Bäume spielen bei dieser Ausstellung nur in domestizierter Form, als Bonsai, Buchsbaum oder Zwerg-Kiefer eine Rolle. Spannender sind da schon die auf dem Hofgelände wachsenden Bäume, die das Areal eingrenzen. Die Linden waren dieses Jahr noch nicht so weit, demgegenüber haben sich die Robinien hier länger gehalten als anderswo. Das lässt vermuten, dass die Bienen nun doch noch eine reiche Weide vorfinden und unser Sortiment nicht ganz so einseitig ausfallen muss. Merkwürdig eigentlich, dass die Ausstellung erstmals weniger gut besucht war, ein ganzes Parkplatzareal blieb ungenutzt. Die Menschen mögen es, aber nach so vielen Jahren der Wiederholung ist vermutlich auch so eine Art Ermüdung eingetreten. Wie bei allem, was im weitesten Sinne kultureller Inszenierung zuzurechnen ist, gegen deren Differenzen die Menschen schon fast immun geworden zu sein scheinen.

Sommerblüte

Die Feld-Rose war eine meiner Entdeckungen des letzten Jahres. Am Saardamm ist sie relativ selten anzutreffen, und auch sonst habe ich sie kaum jemals wieder getroffen. Bis auf heute, als mir beim mittäglichen Spaziergang, mitten in Frankfurt, ihre Blüte inmitten zahlreicher anderer Sträucher ins Auge fiel. Mit ihren weißen Außenblättern und den gelben Staubblättern scheint sie den Sommer vorwegzunehmen. Schon im letzten Jahr habe ich sie mit hellem Licht und wärmenden Temperaturen in Verbindung bringen können, die nach tagelangem Regen endlich wieder zurück kamen. Ihr Anblick hat mich für die eher trögen letzten Tage entlohnt. Und mich gedanklich wieder ein Stück weit zu meinen eigentlichen Themen zurück geführt. Wenn ich auch derzeit nicht dran bleiben kann, weiß ich doch, dass ich den Faden jederzeit wieder aufnehmen kann. Darauf freue ich mich ganz besonders. Und auch auf einen hoffentlich richtig heißen Sommer.

Bedeutung der Bienen

Manchmal kann ein Segen auch als Plage empfunden werden. M. wird es in diesem Jahr eindeutig zu viel mit dem Honig. Obwohl sie selber nicht unmittelbar eingebunden ist, hat sie doch jede Menge Arbeit mit dem Drumherum, und natürlich fehlt ihr auch die Unterstützung durch V., dessen freie Zeit nun allzu knapp geworden ist. Eigentlich müsste die Regenperiode jetzt in ca. zwei Wochen eine Beruhigung bedeuten, denn in diesen Tagen ist es den Bienen zu nass, das macht sie unbeweglich. Und bis die Brombeersträucher ihre Blüte voll entfalten, vergehen noch ein paar Wochen. Durchwachsenes Wetter ist für die Brombeertracht sogar ganz gut, da sie sich so noch länger als gewöhnlich ausdehnen kann. Und mit der meist nicht sehr lang dauernden Blüte der Esskastanien im Juni wird die arbeitsreiche Saison auch schon abgeschlossen sein. Hoffen wir nur, dass die Belastung bis dahin nicht überhand nimmt. Wenn am Ende keinerlei Freude an der Arbeit mehr übrig bleibt, verliert man nämlich schnell die Lust an den ansonsten doch sehr interessanten Beschäftigungen und Themen. Wenn man bedenkt, welche ökologische Bedeutung, mit massiven Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette, die Bienen auf der ganzen Erde haben, bin ich ganz froh, mit dem Thema gewissermaßen groß geworden zu sein. Ich denke ernsthaft daran, über die Rolle der Bienen bei der Bestäubung der Blütenpflanzen und die negativen Folgen, die eine Reduzierung dieser Leistung wegen der immer weniger und gegenüber Krankheiten anfälliger werdenden Bienen haben kann, einen Text zu schreiben. Fehlt nur noch die Zeit, die nötigen Inhaltsrecherchen in Angriff zu nehmen.

Nicht ersetzbar

Das war eindeutig der verregnetste Tag, seitdem ich hier bin. Dabei hoffe ich, nicht krank zu werden, wie die meisten Kollegen, die sich schon seit Tagen schniefend durch die Gänge bewegen. In dieser Zeit kommt vieles zu kurz. Vor allem die Beobachtung der Bäume und ihrer Reize gerade in dieser Spätfrühling- und Frühsommerzeit. Einfach weil zu wenig Zeit ist. Weil neben der Arbeit immer diese Anfahrtstrecken und der Fußweg von der Straßenbahnstation zur Wohnung zurück zu legen sind. Allein das macht eine Stunde täglich. Dann das Essen gehen. Der Tagesablauf ist folglich ganz anders strukturiert als ich es gewöhnt bin. Es ist einfach schade, wenn dadurch die Kontinuität meiner inhaltlichen Arbeit beeinträchtigt wird. Vor allem, weil jahreszeitenabhängige Eindrücke einfach nicht zu ersetzen sind, sie können lediglich durch neue, andere Eindrücke abgelöst werden.

Honigmeer

In den Vor- und Hintergärten der Großstadt blüht alles so üppig. Zahlreiche Stauden mit opulenten Blüten fallen ins Auge. Aber auch die vielen Ziersträucher, die ich nur teilweise identifizieren kann, zumal sich manche, die offensichtlich unterschiedlich sind, doch sehr ähneln. Einen davon, den ich direkt am Hauseingang entdeckt habe, habe ich fotografiert und werde sie in einigen Tagen hier veröffentlichen. Von zu Hause wird mir berichtet, dass wir gewissermaßen im Honig versinken. Die diesjährigen Völker sind wahnsinnig aktiv und stark. Hinzu kommt, dass die Witterung und die Abfolge der Blüteperioden sehr günstig ausfielen. Ein Wermutstrophen ist, dass es sich bisher um weitgehend ein und dieselbe Sorte handelt. Für den Verkauf ist das natürlich nicht so günstig, denn die Kunden wünschen in der Regel eine Auswahl aus mehreren Sorten. Immerhin wird es demnächst noch eine Sorte mit überwiegend Robinienanteil geben, dann eine mit Brombeeranteil und zuletzt eben der Esskastanienblütenhonig. Also wiederum vier Sorten, wie in jedem Jahr, wobei diesmal der Anteil der Frühtracht exproportional groß ausfällt. Auch das ist eine Erfahrung, die sicherlich unterschiedlich bewertet werden kann. Während V. sich vermutlich bestätigt fühlt, überwiegt bei M. das Gefühl, dass einmal wieder die Dinge übertrieben ausgefallen sind. Wohl wissend, dass sich daran weder jetzt noch in Zukunft wirklich etwas ändern wird.

Versöhnlich

Nicht so viel gibt es zu erzählen an diesem Montag, der von morgens bis abends verregnet war. Am beeindruckendsten war einmal wieder die Heimfahrt durch den Stadtwald. Der Mittagsspaziergang hatte keine neuen Entdeckungen mit sich gebracht, die Stadtbaumeindrücke der vergangenen Wochen aber bestätigt. Die Heimfahrt also, bei wolkenverhangenem Himmel in dämmrigem Licht, zeigte den Wald in ganz eigenartiger Gestalt, die irgendwo zwischen Bedrohlichkeit und Märchenhaftigkeit lag. Diese Anmutung passte zu der Tageszeit, es war schon spät, und dem ganzen arbeitsreichen und komplizierten Tag. Merkwürdig, dass ich in dieser Stimmung erstmals so etwas wie Versöhnlichkeit mit der gesamten Situation empfunden habe.

Frühlingsstrauß

Der Frühling wird duftreicher. Dabei sind nicht nur angenehme Gerüche, aber häufig markante, wie der des Hartriegels, der zurzeit heftig blüht und das Landschaftsbild an Weg- und Waldrändern bestimmt. Bei diesem gewittrigen Wetter, glaube ich, fühlen sich die meisten Pflanzen wohl, auch wenn für uns Menschen der ständige Wechsel eher Stress bedeutet. Ich habe heute einmal die kleinen Blütenpflanzen auf Anregung Ms in Augenschein genommen und dabei erstaunliche Schönheiten entdeckt. Am Ende war doch ein ganzer Strauß zusammen gekommen, der für die kommende Woche Freude und Leichtigkeit im Wohnzimmer verbreiten möge:

Frühlingsstrauß

Saisonveränderungen

Der Hartriegel blüht zurzeit sehr schön. Auch eine der Blüten, die sich über einen längeren Zeitraum hin strecken, weil die Blütenstände sich nach und nach öffnen. Am ausgeprägtesten ist dies bei den Brombeeren, die ihre dicken Blütenknospen bereits ausgebildet haben, die aber größtenteils noch geschlossen sind. Sie sollen sich ruhig noch etwas Zeit lassen, so bekommen wir etwas mehr Varietät in unsere diesjährige Honigernte. V. hat sage und schreibe 13 Eimer der Sorte ,,Frühlingsblütenhonig“ abgeschleudert. Das ist schon beachtlich und dürfte auch einen persönlichen Rekord darstellen. Als nächstes muss jetzt der Robinienhonig kommen, der mit Weißdorn gemischt ist. Während der Weißdorn schon abgeblüht ist, sind die Robinien noch dabei, allerdings haben sie unter dem Regen der letzten Tage gelitten, so dass hier nicht mehr sehr viel zu erwarten ist. Dann also die Robinien und etwa einen Monat später die Esskastanien. Damit wird die Saison schon wieder beendet sein. Immer früher eigentlich, wenn ich die letzten Jahre Revue passieren lasse. Früher hat es sich viel weiter in den Sommer hinein gezogen, im Spätsommer gab es dann häufig noch Waldhonig. Auch den vermissen wir schon seit vielen Jahren. Ja, es ist tatsächlich alles zeitiger und gleichzeitig unberechenbarer als in früheren Jahren. Möge das Klima ins rechte Gleichgewicht kommen und dort verbleiben, damit die Imkerei nicht nur mit Erträgen rechnen kann, sondern auch mit gesunden Bienen und einer abwechslungsreichen Saison im Einklang mit ,,normalen“ Jahreszeiten.

Gesamterscheinung und Details

Die Rätsel-Sträucher, die mich im letzten Frühjahr und Sommer schon beschäftigt haben und die ich teilweise immer noch nicht identifizieren konnte, begegnen mir jetzt wieder. In Parks kommen sie wohl häufig vor, da sie dichtes, aber leicht schneidbares Geäst ausbilden. Auch ist bei ihnen das Blattwerk mit den lange anhaltenden oder sich immer wieder neue bildenden Blüten relativ gleichgewichtig ausgebildet. Das bedeutet, dass bis auf den tiefen Winter ganzjährig mit einem erfrischenden Anblick zu rechnen ist. Sicher werden die meisten, die durch diese Parkanlagen streifen, die positive Atmosphäre schätzen, die letztlich auf die Anwesenheit solcher Sträucher zurück geht. Ebenso sicher werden sie die Blüten als solche gar nicht bewusst wahrnehmen, sondern nur die Gesamtgestalt des Strauchs, der eben dort steht. Wie Sträucher, Bäume und andere Pflanzen eben erwartungsgemäß Teil eines Parks sind. Wenn Sie ihren geplanten Zweck erfüllen ist es gut so. Wer genau hinsieht und mehr sieht als nur die Gesamterscheinung, wird aber sehr viel mehr von jedem Parkbesuch haben.

Schrebergartenstreifzug

Ich habe diese Wohngegend noch lange nicht vollständig erkundet. Je weiter ich in die Peripherie vordringe, desto interessanter wird es. Denn hinter den zahllosen Wohnhausblöcken führen schmale Wege in schrebergartenartige Anlagen, die den Stadtrand zu markieren scheinen. Durch hoch gewachsene, bisweilen verwunschen wirkende Hecken und Rankpflanzen sind die Gärten von den Wegen und untereinander abgetrennt. Aber sie sind größer als die Schrebergärten, die ich etwa aus dem Ruhrgebiet kenne, und auch weniger offen. In einem habe ich ein Häuschen entdeckt, andere scheinen als Nutzgärten zu dienen, wenige Meter hinter den Hochhäusern. Gemeinsam ist allen, dass man abends um 9 keine Menschenseele mehr darin erblickt. Ebenso wenig auf den Straßen, die bis auf vereinzelte Jugendliche entvölkert zu sein scheinen. Und da die Wohnungen nur teilweise erleuchtet sind, fragt man sich, wo all die Menschen sich wohl aufhalten. Von diesen Schrebergärtenstreifzügen verspreche ich mir noch einige Überraschungen in den nächsten Wochen.

Vordergründig

Wenn ich so aus meinem Panoramafenster sehe, erblicke ich nicht nur diese Wohnblöcke, einige Radfahrer und Passanten. In den Vorgärten und zwischen den Blocks ragt auch eine Menge Grün hervor. Bäume und Sträucher, Blumen. Bewusst gepflanzt, und doch könnte man meinen, sie seien wild gewachsen und hätten sich die wenigen unversiegelten Flächen erobert, um darin umso üppiger zu wuchern. Die Theorie ist gar nicht so schlecht, denn sie scheint mir eine gute Abbildung dieser merkwürdigen Stadtkultur zu sein, die mir von Unklarheit und vordergründiger Selbstbewusstheit geprägt zu sein scheint.

Oster-Bäume

Nach dem Mittagessen kleine Streifzüge durch das Stadtviertel zu unternehmen, finde ich sehr spannend. Dieses Viertel ist gewachsen und schaut offensichtlich auf eine lange Geschichte zurück. Das kann man nicht nur an dem Friedhof-Park erkennen, von dem ich vor einigen Tagen berichtete, sondern vor allem an den Häuserfassaden, deren Gestaltung mit viel Sandstein und aufwändigen Verzierungen mindestens auf die Wende vom 19. zum 20. Jahrhunderts verweist. Auch hier können die Häuser 5- oder 6-stöckig sein, sie wirken aber weitaus charmanter und auch abwechslungsreicher als in dem neuen Wohngebiet, in dem meine Wohnung liegt. Wie so häufig in jüngster Zeit habe ich auch heute wieder eine rührende Beobachtung gemacht: In einem der Vorgärten standen zwei gerade gewachsene Fichten, die über und über mit knallbunten Plastik-Ostereiern behängt waren. Oster-Bäume sozusagen, die besonders durch den Kontrast zwischen sattem Nadelgrün und buntem Schmuck auffielen. Zur Krönung des Ganzen: Zwischen den beiden Bäumen war eine Reihe ebenso bunter Gartenzwerge platziert, die es sich umgeben von mehreren kleinen Brunnen bequem gemacht haben. Klasse, nun würde mich noch interessieren, wie lange dieses Oster-Arrangement wohl bestehen bleibt. Doch nicht etwa bis Weihnachten?

Stadtoasen

Auf den ersten Blick war mir klar, dass dieser Baum mit den weißen schirmartigen Blüten nur ein Holunder sein kann. Nichts Vergleichbares blüht zurzeit. Gleichzeitig schien mir dieser Umstand unwahrscheinlich, denn der Baum war riesig. Holunder war mir bisher aber nur als mehr oder weniger großer Strauch vertraut. Der abendliche Gang durch das Viertel rund um meine Wohnung hat mir dann die Bestätigung gebracht. Dort bin ich gleich einer ganzen Reihe gewaltiger Holunderbäume begegnet, die meist mehrere dicke Stämme besaßen. Erstaunlich, dass diese Wuchsform bei mir zu Hause nicht anzutreffen ist. Und auch schade, denn in der Form finde ich den Baum richtig attraktiv und irgendwie geheimnisvoll. Noch eins hat der heutige Spaziergang mir gezeigt: Ich kann mich mit meinem eigenen Haus, dem Garten, dem vielen Wohnraum und der dörflichen Lage mit leichter Anbindung an die umliegenden Städte wirklich glücklich schätzen. Dieses Viertel besteht nur aus riesigen Wohnblöcken. Sechs Stockwerke sind Standard, bis zu 18 keine Seltenheit. Und die Blöcke und Miethauszeilen stehen reihenweise nebeneinander und durch Wege und Straßen getrennt hintereinander. Die städtebauliche Planung am Reisbrett deutlich erkennen lassend. Und überall wohnen Menschen, verbringen hier ihr ganzes Leben, die Feiertage, erleben ihre je persönlichen Höhen und Tiefen. In Nachbarschaft von Hunderten, die gleiche Wohnungen mit gleicher Ausstattung nutzen. Die Differenzen sind von außen kaum zu erkennen. Vielleicht einmal in den Gegenständen, die auf dem Balkon abgestellt sind. Vielleicht, kleineren Häusern, in einem vor Blicken durch Grünpflanzen und Hecken geschützten Vorgarten, der als kleines individuelles Refugium dient und die für mich erschreckende Geometrie und Gleichförmigkeit ein Stück weit aufbricht. Bedauern mischt sich mir bei dieser Beobachtung mit Respekt davor, dass die hier ständig Lebenden es schaffen, ihre Individualität zu wahren und sich Freiräume zu sichern. Sie sind durch eine ganz andere Schule gegangen, und wahrscheinlich ist das auch der Grund für mein Nicht-Verstehen dieser städtischen Mentalität.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.