Der sinnhafte Kern

Nun kommen pünktlich zu den Osterfeiertagen auch die Zierkirschenbäume so richtig zur Geltung, indem sie ihr Rosarot im flimmernden Frühlingslicht reflektieren. Vor drei oder vier Jahren habe ich deren Blühten erstmals in der Nähe des Abteiparks in M. fotografiert, um damals festzustellen, dass sich Blüten bei allzu strahlendem Sonnenschein ganz schwer kontrastreich festhalten lassen. Wenn man aber den richtigen Winkel gefunden hat, können dabei auch ganz großartige vom Licht getränkte Aufnahmen herauskommen. Das ist eine Frage des richtigen Timings, was man eigentlich in der Welt des Ästhetischen nicht wirklich planen kann. Nun plane ich über die Feiertage wieder einige Ausflüge nach M. und Umgebung zu unternehmen, um den Frühling zu fassen, so lange er sich fassen lässt. Das geht mit etwas Ruhe natürlich besser. Die wünsche ich mir in den kommenden Tagen in so starker Ausprägung, dass die folgenden zwei Wochen noch davon profitieren werden. An diesem Gründonnerstag ist davon noch nicht so viel zu spüren, im Gegenteil habe ich den Eindruck, dass sich ganz unabhängig vom Wetter dieser Tag wiederkehrend mit viel Spannung auflädt, die dann über Ostern sich wieder auflöst. Ich denke, der christliche Sinn der Feste färbt tatsächlich auch das Denken und Empfinden im christlichen Gedankengut aufgewachsener Menschen. Damit werden wir auf einem Umweg auf den sinnhaften Kern der Feiertage zurück geführt.

Reiches Blühen

Der Nashibaum blüht wirklich sehr schön zurzeit. Allerdings hätte mich V. nicht erst darauf aufmerksam machen müssen. Natürlich ist mir das schon in den vergangenen Tagen aufgefallen. Immerhin, selbst im größten Stress geht meine Aufmerksamkeit für die Bäume in meiner Umgebung nicht verloren. Eine Beobachtungsbremse kann da schon eher die Witterung sein, denn bei diesigem, lichtarmem und regnerischem Wetter ist es schwierig, einen Spaziergang zu unternehmen und dabei gleichzeitig die Präsenz der Bäume im Detail wahrzunehmen. Umso mehr genieße ich den sich langsam aufbauenden Frühling, der viel Licht und mit diesem ein reiches Blühen, Sprießen und Wachsen verspricht. Ich hoffe, dass es mir über die Feiertage gelingt, die Magnolien in M. abzulichten, denn mit der neuen Kamera habe ich diese wunderbaren Blüten noch nicht festgehalten. Bei wirklich sonnigem Himmel ist dieses Motiv wohl unschlagbar und steht als solches für mich synonym für den Frühlingsbeginn. Mit dem jahreszeitlichen Aufbruch geht morgen für mich eine andere (Lern-)Phase dem vorläufigen Ende entgegen. Natürlich werde ich noch weiter lernen müssen, aber das besonders effektive Kommunizieren in der Gruppe wird in den kommenden Wochen fehlen, was mir missfällt, was aber andererseits auch nicht zu ändern ist. Ich wünsche mir, den positiven und durchaus ermutigenden Geist der vergangenen zwei Wochen in der Folge aktualisieren zu können.

Zeit der Forsythien

Die Magnolien blühen so schön, und die Forsythien, deren Name mir heute partout nicht einfallen wollte, als ich sie im Sonnenlicht leuchten sah. Das passt gut, denn mit dem Osterfest bringe ich traditionell dieses Eidottergelb der Forsythien in Verbindung, und wenn beides zu richtigen Zeit zusammen trifft, trägt das wesentlich zum bewussten Wahrnehmen der Feiertage bei. Am besten ist natürlichen die Vorhersage der Wetterfrösche, dass es nach zwei etwas kühleren Tagen pünktlich zum Beginn der Feiertage warm werden soll. So können wir uns auf schöne Oster-Frühlingstage freuen, auf Spaziergänge und leuchtende Blütenfotografien. Sicher werde ich auch in den kommenden Wochen den Frühling verfolgen können, denn abends bleibt es jetzt schon länger hell, und der eine oder andere Spaziergang im nahe gelegenen Stadtwald wird sicher möglich sein, einige städtische Baumimpressionen inklusive. Möge die neue Jahreszeit brach liegende Energien freilegen!

Frühlingsarrangements

Jetzt war ich schon zum dritten Mal in F., um meinen dreimonatigen Aufenthalt dort vorzubereiten. Außer den obligatorischen Autobahnwäldern und einigen Vorgartenbäumen gab es nicht viel Erbauliches zu beobachten, zumal ich diesmal wirklich nur die Wohnung besucht habe. Jetzt sollte alles arrangiert sein, um die Zeit dort vernünftig gestalten zu können. Immerhin, am späteren Nachmittag haben wir vor dem Haus noch die Frühlingsblumen gepflanzt, im Wesentlichen Stiefmütterchen in verschiedenen Farben, aber auch zwei Osterglocken, die uns vor wenigen Tagen in einem Geschäft geschenkt worden waren. Das ganze wirkt sehr frisch und wird die Zeit bis zum Fälligwerden der Sommerblüher gut ausfüllen. Ein paar bunte Deko-Eier zieren den Scheinhaselstrauch, wirken an diesem aber eher verloren, da der Strauch seit dem Absturz des Weihnachtsbaumkübels ziemlich lädiert ist und noch mit dem Verlust eines seiner mittleren Hauptäste kämpft. Wir hoffen er wird sich im Laufe des Sommers erholen und bald in ursprünglicher Pracht und Ausdehnung zu sehen sein.

Der Geist des Palmsonntag

Ein schöner Frühlingstag mit hellem Licht und ruhiger Atmosphäre. Ganz zum Palmsonntag passend, wenn ich auch heute von diesem Feiertag nicht so viel hatte, weil mir im Inneren die Ruhe fehlt. Trotzdem hat er natürlich seine Zeichen gesetzt. M. hat die gesegneten Palmzweige aus dem Gottesdienst mitgebracht und an den Türkreuzen im Haus verteilt. Und auf dem Rückweg von meinem obligatorischen Saarspaziergang sind mir die künftigen Kommunionkinder auf ihrem Kreuzweg begegnet. Sicher ist diese Motivreihe immer wieder Thema für mich, aber an diesem Palmsonntag war eine Ergänzung wohl besonders nahe liegend, was mir erst jetzt bewusst wird, während es mir während des Spaziergangs wie selbstverständlich zugefallen ist. Es sind die abgestorbenen Bäume, deren Holzmasse sich schon im Prozess der Zersetzung befindet, die aber nach wie vor vom Efeu eingerankt sind, das sie erstickt zu haben scheint und sich an ihnen in Szene setzt.

Efeuranken

Dabei ist das nur die eine Seite, denn auch die Efeuranken sind verletzlich, kämpfen während sie das Tote umranken selber ums Weiterleben, was nicht immer gelingt:

Efeuranken

Da verschwimmen die Grenzen zwischen Tod und Leben, zwischen lichtgeborenem Wachstum und schattenhaftem Zerfall. An kaum einem anderen Beispiel kann man das so schön studieren wie am Efeu, einer botanischen Lebensform, die, je länger sie ihren eigenen Lebensprozess weiter spinnt, um so häufiger und deutlicher den Tod ihres Trägerbaums erlebt, bis sie das gleiche Schicksal selber ereilt. Es ist also nur eine zeitliche Verschiebung, die den Vorgang des Sterbens in die Länger zieht und damit quasi zur Schau stellt. Und doch denkt man bei diesem Anblick ans Leben, an das Streben zum Licht, eben an die andere Seite des Todes. Diese an den Bäumen gewonnenen Gedanken nehmen die Bedeutung des Osterfestes vorweg, spiegeln wesentliche Fragen christlichen Glaubens. Vielleicht war ich dem Geist des Palmsonntag doch näher gekommen als ich glaubte. Nur eben auf eine weniger ritualisierte Art.

Skurrile Schnittkunstwerke

Die Sache mit dem Abholzen der Weißdornhecken scheint V. stärker zu beschäftigen als ich dachte. Ich finde es interessant, dass er offenbar dabei nicht nur an den praktischen Nutzen in Sachen ,,Honig“ denkt, sondern ihn auch diese unschöne und brutale Art erbost, mit der die Schnittarbeiten durchgeführt werden. Tatsächlich wird dazu eine Art Fräse benutzt, die die Sträucher nicht etwa mit glatten Schnitten in Form bringt, sondern sie geradezu zerfetzt, wobei die abgetrennten Teile in die nähere Umgebung geschleudert werden. Ein absolut an der Effizienz orientiertes Verfahren, das den Baum, um den es schließlich geht, völlig außer Acht lässt. Er muss schlicht passgenau gemacht werden, und dazu sind vor allem die Mittel recht, die es erlauben, pro Zeiteinheit möglichst viel wegzuschaffen. Das hat schon eine ganze eigene Qualität, die sich von gartenbaulichem Sachverstand zunehmend entfernt. Etwas ganz anderes ist es, wenn der Baumschnitt als Gestaltungsmittel eingesetzt wird. Natürlich ist auch der alljährliche Radikalschnitt der städtischen Platanen eine brutale Angelegenheit, aber es ist eine, die auf eine längere Tradition zurückblicken kann, die erkennen lässt, dass der Schnitt der spezifischen Formung des Baums und auf diesem Wege der Gestaltung städtischer Räume gilt. Die Platanenallee rund um den Großen Markt in S. gehört mit zu den schönsten die ich kenne. Als ich sie heute erblickte, konnte der Schnitt erst wenige Tage zurück liegen, man konnte sehen, dass er frisch war. Diese Bäume wirken wie skurrile Lebewesen aus einer anderen Welt. Ihre animalische Körperlichkeit ist so außerordentlich, dass man die Augen kaum davon lassen kann. Besonders eindrucksvoll hier ist, dass die Bäume seit vielen Jahren systematisch geschnitten wurden und eine gewisse Höhe nicht überschreiten. Ihr Astaufbau geht vom Stamm ausgehend in die Horizontale, in der sich die knubbeligen Äste wie Tentakel darstellen, zumal die Enden durch die vielen immer wieder gekappten buschartig austretenden Astansätze stark verdickt sind und dabei einem viel dünneren Hauptast entspringen. Damit wird die normale Optik der Baumwachstums umgedreht und der Baum scheint sich immer deutlicher in ein Kunstwerk zu verwandeln. In dieser karreeartigen Anordnung rund um den Platz wird die Anmutung eines lebenden Gesamtkunstwerks noch verstärkt. Für diese Art der Manipulation von Bäumen habe ich durchaus Verständnis, weil sie Sinn macht und im positiven Sinne die Gestaltung der Bäume zum wesentlichen Bestandteil der Aura von Plätzen macht.

Das Schwinden ästhetischer Denkart

Manchmal ergeben sich Koalitionen, die man gar nicht vermutet hätte. Dass Herr D. heute mit V. Verbindung aufnimmt, weil die Bahn dabei ist, die Weißdornhecken entlang der Bahnstrecke vor seinem Haus zu entfernen, wird dem Honigertrag dieses Jahres sicher zu Gute kommen. Herrn D. geht es dabei zwar weniger um den Honig, sondern um die in seiner Straße recht zahlreichen spielenden Kinder, die in Ermangelung einer abweisenden Hecke leichter in Versuchung geraten könnten, sich auf die Gleise zu begeben, wo schnell schlimme Unfälle passieren könnten. In diesem Abschnitt ist kein Schutzzaun installiert, weshalb die dichten Weißdornhecken neben ihrer ökologischen Funktion auch als klare und unüberwindliche Schutzwälle geeignet sind. Dass sie geschnitten werden sollen ist zwar verständlich, insbesondere wenn sie drohen in die Gleisanlagen hinein zu wuchern und damit den Zugverkehr zu behindern. Aber zwischen radikalem Abholzen und Zurückschneiden besteht eben doch ein Unterschied. Das joint venture zwischen V. und Herrn D. hat jedenfalls Wirkung gezeigt. Nachdem sich die Arbeiter vor Ort schlicht auf ihren Auftrag und eine nicht näher bezeichnete Ausnahmegenehmigung berufen haben, haben sie auf den Protest hin ihre Radikalaktion doch gestoppt und die Sträucher zunächst lediglich auf einer Höhe von 3m und seitlich beschnitten. Das stellt sicher, dass der größere Teil der Blütenknospen sich in diesem Jahr wird entfalten können und der Nektarverlust nicht ganz so groß ausfallen wird, was wichtig ist, denn die Bahnanlagen liegen ziemlich nahe zum Bienenhaus. Im Herbst allerdings sollen die Hecken dann kräftig bis zum Boden zurück geschnitten werden. Auch das wird nicht ihr Ende sein, denn sie können wieder neu ausschlagen. Bis die Bäume aber die alte Größe erreicht haben, werden einige Jahre vergehen. Wirklich verwunderlich ist diese Maßnahme nicht, sie liegt auf der Linie, die sich seit Jahren abzeichnet, dass nämlich an öffentlichen Anlagen die Schere oder Säge so massiv eingesetzt wird, dass eine Wiederholung erst einige Jahre später wieder notwendig ist. Wie so oft geht es hier einfach nur um die Kostenersparnis. Welche Auswirkungen dies auf das Landschaftsbild und die ökologischen Gleichgewichte hat, interessiert da mittlerweile niemanden mehr. Ich würde mir wünschen, dass diese Ingenieurdenkart keine Zukunft hat. Sie steht ästhetischem Landschaftsdenken jedenfalls diametral gegenüber.

Die gleichberechtigte Partnerschaft

Die beiden Mutter-und-Kind-Birken auf dem Weg nach W., zwischen denen ich heute wieder vorbei gefahren bin, da sie sich auf den zwei Seiten der Straße etwas versetzt gegenüberstehen, begeistern mich immer wieder. Den Spitznamen habe ich nicht umsonst gewählt, erinnern sie mich doch tatsächlich an menschenhafte Wesen, die in einer augenscheinlich engen Beziehung zueinander stehen. So als ob sie tatsächlich im biologischen Sinne voneinander abstammen würden, zumal die eine etwas kleiner ist als die andere. Sehr wahrscheinlich ist das zwar nicht, aber die Deutung kommt eben der menschlichen Tendenz sehr entgegen, sich in irgendetwas zu spiegeln, um sich selber auf diesem Umweg besser verstehen zu können. Die Bäume sind da immer willkommene ,,Opfer“. Ich denke aber, dass sie diese Rolle gerne spielen, dass diese Leistung neben den Gründen, die sich aus ihrem biologischen Dasein und ihrem Beitrag zur Ermöglichung und Stabilisierung des Weltklimas ergeben, der eigentliche Grund ihres Daseins auf dieser Erde ist. Sie sind Partner der Menschen. In diesem Sinne eine gleichberechtigte Partnerschaft zu pflegen ist eine Kunst. Und wir sollten es zugleich als Herausforderung begreifen.

Jahreszeiten und kulturelle Muster

Der Frühling ist wohl nicht mehr aufzuhalten, immer mehr Bäume treiben ihre Knospen, zwar noch vorsichtig, aber doch erkennbar nach außen. Damit werden sie auch gleichzeitig wieder sichtbarer, etwas was mir den Winter ein wenig verleidet. Denn in dieser Jahreszeit scheinen die Bäume weniger präsent. Ihr nacktes Gerüst ist zwar deutlicher erkennbar denn je, aber irgendwie verbindet sich dieses archetypische Bild des Baumes immer auch mit Anzeichen des Lebendigen und des Wachstums, geknüpft an das Vorhandensein von Blättern, Blüten und Früchten. Deshalb sind Frühjahr, Sommer und Herbst für mich die spannenderen Zeiten, Zeiten, in denen sich ,,etwas tut“. An keinem anderen Lebewesen kann man das so schön ablesen und verfolgen wie an den Bäumen. Eigentlich ist das, was wir Jahreszeit nennen, überhaupt an die Existenz und den Wachstumszyklus der Bäume geknüpft. Ich bin ganz sicher, dass dieses zyklische Baum-Jahreszeiten-Mensch-System ganz wesentlich unser Denken und Wahrnehmen bestimmt. Und wenn ich wie im heutigen Unterricht vom unterschiedlichen Freizeitverhalten der Briten höre, die sich auch nach der Arbeit gerne stundenlang in Pubs oder Restaurants aufhalten, um dort wieder hauptsächlich über die Arbeit oder Belangloses zu reden, so ist solch ein Unterschied im kulturellen Verhaltensmuster (im Vergleich zu den Deutschen) vielleicht auch auf das heute eher spärliche Vorhandensein von Bäumen auf der Insel zu erklären. Zugegeben eine gewagte These. Aber ist es in einem Land, dessen Einwohner den Wechsel der Jahreszeiten so intensiv erleben können wie im reich bewaldeten Deutschland, denkbar, dass diese an nichts anderes denken als an die Erwerbsarbeit? Die Präsenz der Bäume zwingt eigentlich dazu, den Horizont weiter zu stecken. So verwundert es mich nicht, dass diese Seite vor allem von Menschen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gelesen wird. Das liegt nicht nur an der Sprache, es ist auch eine Frage des Vertraut-Seins mit den Bäumen und ihrem symbolischen Stellenwert.

Wellblechbäume

Dieses Ineinandergreifen geometrisch-architektonischer Formen und lebendig gewachsener Landschaftselemente finde ich total spannend. Natürlich habe ich auch hier wieder die Bäume im Blick und ich denke, bald eine neue Motivserie zum Thema ,,Baum und Mensch“ vorstellen zu können. An diesen Motiven sammle ich schon eine geraume Zeit, denn sie begegnen mir zufällig und ganz und gar nicht geplant. Dieses entstand durch die Begegnung eines Wellblechschuppens, dessen landwirtschaftliche Funktion mir nicht ganz klar ist, mit davor stehenden Bäumen, die natürlich ihre Schatten werfen, was ganz wunderbare Kontraste zwischen geraden und ungeordneten Linien ergibt:

Wellblechbaum

Wellblechbaum

Da könnte man fast meinen, der Schuppen sei eigens für diesen Baum gestaltet worden, so gut ergänzen sie sich.

Lebensäußerung und Hintergrund

Ich würde sagen, das war der erste wirkliche Frühlingstag, mit diesem besonderen Licht und einer Art von Wärme, die sich deutlich von der Wärme des Wintersonnenlichts unterscheidet. Da lebt man automatisch auf, sobald man vor die Tür tritt. Gegenwärtig läuft so vieles parallel, das ich versuche unter einen Hut zu bringen, die bevorstehende räumliche Veränderung, das schulartige Lernen, das ich schon so lange nicht mehr gewöhnt war, die Veränderungen in der Qualität der Kommunikationen und in den Alltagsthemen, die sich zu verschieben scheinen. Aber gleichgültig, wie viel sich verändert im Laufe der Zeit, ich weiß, dass es Konstanten gibt, die die manchmal verworrenen Fäden wieder zusammen laufen lassen, zumindest für mich persönlich. Zu diesen Konstanten gehört zweifellos die Familie, aber eben auch die themenzentrierte Kommunikation zur Ästhetik und Symbolik der Bäume. Ich beobachte immer wieder an mir selber, dass ich mir in neuen Umgebungen unwillkürlich diese Anknüpfungspunkte suche, die mir helfen den Kontakt zum für mich Elementaren nicht zu verlieren. Diese Konstanten bieten mir immer einen sicheren Hintergrund, eine Basis für ganz unterschiedliche Lebensäußerungen. Ohne sie kämen mir diese Äußerungen künstlich, aufgesetzt und nicht wirklich zu mir gehörend vor. Einer der Vorzüge eines archetypischen Symbols ist ja auch, dass man es überall vorfinden kann, wenn man achtsam genug ist. Und so ist es kaum möglich, den Bäumen nicht zu begegnen. Da sie nicht nur für sich im Wald, sondern dort wie in Wohnungsnähe immer im Kontakt mit den Menschen stehen, ist uns die stumme Interaktion selbstverständlich. Sie beobachtbar zu machen und ihre unzähligen Facetten kontinuierlich aufzufalten, das ist der Sinn und Zweck dieses Tagebuchs wie des Wunschbaumprojekts als ganzem.

Zwischen Verfall und Stärke

Der Tag wurde als Durchbruch in Sachen Frühling angekündigt, leider aber waren die sonnigen und wärmenden Phasen durch empfindliche kühle Abschnitte durchmischt, so dass man so richtig an Frühling noch nicht denken mochte. Die Landschaft ist immer noch merkwürdig winterstarr, abgesehen vom Schlehdorn scheint kaum ein Strauch oder Baum gegenwärtig die Tendenz zu verspüren zu blühen. So war auch der Gang entlang der Saar wenig eindrucksstark, wenn auch ruhig und entspannend. Die wenigen Motive zeugten von Verfall einerseits und Stärke andererseits. Ich habe diese beiden Bilder ausgewählt, weil sie diesen Gegensatz sehr schön illustrieren, der vielleicht auch symptomatisch ist für die jahreszeitliche Übergangszeit. Dieser schon in Auflösung befindliche Stamm wird mehr und mehr vom Efeu beherrscht, der hier einen für ihn passenden Lebensraum gefunden hat:

Efeu-Totholz

Und dieser starke moosüberwachsene Wurzelstock, der hier so raumgreifend zur Oberfläche vordringt, war mir schon einmal Thema, diesmal aber von einer etwas anderen Perspektive und mit Spiegelreflexoptik:

Wurzelanker

Bäume und großstädtische Impression

Wenn man sich darauf einlässt, kann man tatsächlich jeder Umgebung etwas abgewinnen. Natürlich werde ich mich den größten Teil des Tages im Innenstadtbereich von Ffm aufhalten, was zumindest die Mittagspausen sicher wenig attraktiv gestalten wird. Aber wenn es mit der Wohnung klappt, habe ich zweimal am Tag die Gelegenheit einen Forst zu durchfahren, der von der Straßenbahnlinie durchschnitten ist. Der Stadtteil ist nämlich vom Zentrum durch eben dieses Waldgebiet getrennt, in dem derzeit die Spuren intensiver Wald- und Baumfällarbeiten zu erkennen sind. Da gibt es viel zu beobachten, und als Zwischenphase zwischen der städtischen Arbeits- und Wohnwelt stelle ich mir das sehr erfrischend vor. Hoffentlich wird dieser Eindruck auch noch einige Wochen später bestehen. Im Zentrum selber sind mir bei der heutigen kurzen Stippvisite eigentlich nur die meist blühenden Magnolienbäume aufgefallen. Die scheinen dort recht beliebt zu sein, denn man konnte sie an jeder Ecke erblicken, was aufgrund des Charmes der sich öffnenden rosa-rot-weißen Blüten einfach unvermeidlich ist. Sehr früh übrigens in diesem Jahr, was den sich ankündigenden für die Jahreszeit zu hohen Temperaturen zu verdanken ist. Ich hoffe, einige gute Aufnahmen mit der neuen Kamera machen zu können. So sind es wieder einmal die Bäume, die mich mit einer eher ungeliebten Veränderung versöhnen mögen.

Der Wunschbaum wächst

Merkwürdig, wie sich manchmal die Wünsche häufen. Gegenwärtig ist wieder so eine Phase, in der sich viele Menschen innerhalb kurzer Zeit dem Wunschbaum anvertrauen, indem sie ihre Wünsche im virtuellen Raum platzieren. Zu anderen Zeiten tröpfeln selbige nur sehr sporadisch. Die Inhalte wiederholen sich eigentlich immer wieder, was mir zeigt, dass die Menschen in unterschiedlichen Teilen Deutschlands, in Österreich und der Schweiz, nicht so unterschiedlich sein können. Gerade in der Formulierung privater Wünsche offenbaren sich die Gemeinsamkeiten. Ich bin sehr froh, dass sich der virtuelle Wunschbaum zu einer Art Forum des Wünschens entwickelt hat, der sehr gut und wie selbstverständlich in Anspruch genommen wird. Und nun bewege ich mich ja schon in Richtung des 500. Wunsches. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, den 1.000 Wunsch, so er denn irgendwann im Laufe der nächsten Jahre eingegangen sein wird, zum Anlass eines künstlerischen Resümees zu nehmen. Dabei denke ich daran, die Illustrationsgrafiken in einem Riesenbild zusammen zu fassen und parallel eine Computerpräsentation zu zeigen, mit Hilfe derer man durch einen Klick auf die einzelnen Grafiken zum Inhalt des jeweiligen Wunsches gelangt. Sicher werden sich potentielle Besucher dieser Präsentation in vielen der Äußerungen wieder finden können. Bis dahin wünsche ich mir noch viele ehrliche Wünsche und ein größer und stärker Werden des Wunschbaums.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.