Weinlese

Die Weinlese hat den ganzen Tag eingenommen. Immerhin haben wir alle Trauben geerntet und auch schon eingemaischt. Wenn man bedenkt, dass wir nur zu zweit waren, ist das eine beachtliche Leistung, zumal wir wie in den Vorjahren die Reben gleichzeitig schon zurück geschnitten haben. Entsprechend wild sieht es jetzt hinterm Haus aus. Alles voller Laub und Traubensaftflecken. Das konnten wir heute nicht mehr aufräumen. So wird wohl der morgige Vormittag vollständig mit der Restarbeit belegt sein. V. freut sich sehr, dass der Oechsle-Grad in diesem Jahr sehr hoch ist, um die 80. Das ist für diese ruppige Rebsorte und das hiesige Klima geradezu unwahrscheinlich hoch. Volumenmäßig hatten wir allerdings schon üppigere Ernten. Wie auch immer, ich bin froh, dass diese Arbeit auch wieder erledigt ist, zumal das Wetter mit häufigen Schauern heute keine große Freude aufkommen ließ. So schön wie früher, als die ganze Familie dabei war und das Ganze Ereignischarakter hatte, ist es ohnehin nicht mehr.

Familiäre Baumgeschichte

J. und W. haben heute ihre weißen Weintrauben zum Mixen mitgebracht. Die Maische soll vergären und später zu Schnaps gebrannt werden. Für Wein taugt diese Traube nicht wirklich, wie wir vor einigen Jahren schon festgestellt haben. Aber es sind gute Esstrauben. Wie im Tausch gegen die Trauben haben die beiden dann bei der Rückfahrt zwei Bäume mitgenommen. Eine noch junge und ca. 1m hohe Esskastanie, die V. selber gezogen hat. Und eine Pflaumenbaum aus der Baumschule, den J. sich doch so sehr gewünscht hat, auch wenn ich der Ansicht bin, dass diese Art in ihren Garten nicht wirklich passt. Wie auch immer, die Lücken der windschiefen Fichten, die im Winter entfernt werden müssen, werden die neuen Bäume wohl füllen können, wenn noch ein paar Jahre vergangen und sie gut angewachsen sind. V. hat außerdem über den Versandhandel noch einige Früchtesträucher besorgt, ,,Tayberries“ glaube ich sind es, ohne dass ich das deutsche Namensäquivalent nennen könnte. So wird sich der kleine Grünstädter Hinterhausgarten bald auch in so eine Oase verwandelt haben, wie sie das Bienenhausgrundstück bei uns jetzt schon darstellt. Gut so, denn damit wird die familiäre Baum- und Strauchgeschichte weiter geschrieben.

Blätterfall und Erdumdrehung

In den Wetternachrichten ist viel die Rede vom Altweibersommer, aber alle sind sich einig, dass wir vom Idealfall eines solchen Sommers weit entfernt sind. Da denkt man eben doch eher an Herbst. Die Frage beim TV-Wissensquiz fand ich recht spannend, wäre aber niemals auf die richtige Antwort gekommen. Was passiert, wenn im Herbst die Blätter von den Bäumen fallen? 1. Die Erde wird leichter, 2. Sie wird schwerer, 3. Sie dreht sich schneller, 4. Es passiert gar nichts Besonders. Die richtige Antwort war: Sie dreht sich schneller. Eigenartig, aber es ist natürlich nur ganz minimal und hat letztlich damit zu tun, dass die Blätter dem Boden näher sind, der Baum also weniger raumgreifend ist. Durch diese Reduktion wird eine winzige Geschwindigkeitssteigerung der Erdumdrehung verursacht. Kurios, was das Leben der Bäume so alles bedeuten kann. Lieber sind mir aber immer noch die symbolischen Bedeutungen für uns Menschen und die vielen Parallelitäten und Ähnlichkeiten, an denen wir unsere Selbstbeschreibung orientieren und besser verstehen können.

Ausgewogen

Immer wieder neue technische Kniffe machen das Webdesign zu einer herausfordernden und spannenden Aufgabe. Man ist geradezu fasziniert von den Möglichkeiten – und gerät darüber in Gefahr, das Ganze, den gestalterischen Gesamtentwurf aus dem Blick zu verlieren. Aber vielleicht ist das auch nur in den Lernphasen so, und später kann man dann freier auf die einzelnen Mittel zurückgreifen. Ein ausgewogener Tag: eine Hälfte Kunsthandwerk, eine Hälfte Konstruktions- u. Gestaltungsarbeit. Das Ergebnis: Drei fertige und sehr gut gelungene neue Armbänder, und das Gefühl, den Geheimnissen von CSS wieder einen Schritt näher gekommen zu sein.

Zeit der Innenschau

Eine Andeutung des Indian Summer durften wir heute erleben. Ich hoffe, dass das nun nicht alles war und wir bis Ende des Monats noch einige dieser wärmenden und irgendwie gemütlichen Tage genießen können. Diese Jahreszeit ist für das Erleben des natürlichen Zyklus der Natur besonders wichtig, weil sie eine Übergangszeit darstellt, die das Wachstum hinter sich lässt und die kalte und ruhende Jahreszeit vorbereitet. Es ist dann so, als wenn im Organismus der Lebewesen ein paralleles Sich-Einstimmen erfolgt, das zumindest bei den Menschen die Kommunikation wesentlich beeinflusst, hin zu mehr Innensicht und Reflexion. Das kann ich nicht nur bei mir selber beobachten, sondern auch bei vielen anderen um mich herum. Das Fallen der Blätter, was den nahenden Herbst so wunderbar in Szene setzt, wird die Innenschau befördern.

Technische Fortschritte

Allmählich entwickle ich mich doch noch zu einem Techniker. Vormittags aus der routinierten Arbeit an der Holzbearbeitung, nachmittags im Zuge meiner Übungen im Programmieren von Webseiten. Manchmal ist es mühsam, aber wenn man sich durchgeboxt hat und das Ergebnis wie gewünscht ausfällt, ist es auch eine Bestätigung. Wie immer, wenn man sich auf eine Tätigkeit konzentriert, kommen andere zu kurz. Ich bemühe mich immer wieder, die Balance zu halten. Der Bezugspunkt zu allen Zeiten sind dabei für mich die Bäume, die die Themenvielfalt auflösen und auf Wesentliches reduzieren. Diese Reduktion ergibt sich aus der Beschäftigung und der unterschiedlich gearteten Interaktion mit den Bäumen, aus der Reflexion ihres Wesens und ihrer Rolle für uns Menschen. Umgekehrt ist das Technische und Mittel zum Zweck, nämlich Wesentliches im Medium des Internet möglichst ansprechend vermittelbar zu machen.

Dekorative Eschen

Die Esche ist sehr gut für das Anfertigen von Stäben geeignet. Das wussten auch die Kelten schon, wenn sie bevorzugt ihre Speere aus diesem Holz fertigten. Und aus demselben Grund, Elastizität bei gleichzeitiger Stabilität und Zähigkeit, werden heute noch gerne Stiele für Werkzeug und Gartengerät daraus gemacht. Probleme machen eigentlich nur die weiten Poren, die eine große Sorgfalt beim Polieren der Oberfläche erfordern, soll es später nicht aufrauen. Aber ich denke, das ist gut gelungen, und das Ergebnis wird auch diesmal sehr dekorativ wirken, und energievoll, was dem ,,Wesen“ der Eschen entspricht. Ich freue mich auf die handwerkliche Arbeit morgen Vormittag und das Anfertigen weiterer schöner Armbänder.

Die Zeichen stehen auf Herbst

M. beim Sammeln

Am Nachmittag ist es noch einmal richtig schön geworden. Eine gute Luft und warmes Licht. Deshalb sind M. und ich zum Saardamm gegangen und haben Baumfruchtzweige gesammelt. M. will sie in ihre Herbstkränze einarbeiten. Wir haben jede Menge Pfaffenhütchen, Gemeinen Schneeball, Liguster, eine mir unbekannte weitere Strauchart und natürliche Hagebutten gefunden.

Fruchtstände des Gemeinen Schneeballs

Letztere sind dieses Jahr eher spärlich, dafür sind die Pfaffenhütchen und der Weißdorn umso üppiger. Wie schön doch unsere Landschaft ist. Heute ist mir das deutlicher denn je geworden:

Saaraue

Saaraue

Auf dem Hinweg habe ich die schönen sonnengelben Blüten des Fingerkrauts fotografiert. Erst seit zwei Tagen weiß ich, wie die Bezeichnung ist. Mein neues Buch ,,Was pflanze ich wo?“ hat mir bei der Bestimmung geholfen:

Blüten des Fingerkrauts

Das lag ein Hauch des goldenen Herbstes in der Luft. Hoffen wir, dass wir ihn noch erleben. Ich würde mich freuen, wo ich ihn in den beiden letzten Jahren doch so vermisst habe.

Die natürliche Lösung des Mähproblems

Das Baumfällen war heute dann doch kein Thema. Dafür hatten wir genug zu tun mit dem Mähen der Wiesenflächen, die der Bauer mit seinen großen Fahrzeugen nicht erfassen konnte, am Rand des Obstbaumgrundstücks und um die Bäume herum. Die Hauptarbeit lag natürlich wieder bei V., aber ich habe ihm beim Auf- und Abladen des Mähtraktors geholfen und das geschnittene Gras verteilt, damit es besser trocknet. Es soll an Ort und Stelle verrotten, weil der Bauer, der das Stück bisher bestellt hatte, den richtigen Zeitpunkt im Sommer verpasst hatte. Jetzt hat ein anderer Interesse gezeigt. Wenn alles wie geplant funktioniert, werden ab dem nächsten Jahr Kühe auf der Wiese grasen und das leidige Mähproblem hoffentlich endgültig beseitigen, quasi auf natürliche Weise. V. plant außerdem, eine Reihe von Bäume dort zu fällen, was die Arbeit, v. a. das Schneiden im Winter, erneut erleichtern wird. Wir haben ohnehin in Garten, Bienenhausterrain und am Haus das ganze Jahr über genug zu tun. Da müssen diese Zusatzbelastungen, die im übrigen wenig Sinn machen, nicht unbedingt sein.

Aktualisierungsarbeiten

Ganz schön produktiv war ich heute. Ganze 5 komplette Stabsätze für Armbänder habe ich in einer Linie gedrechselt: Walnussbaum für einen Auftrag, Eiche, Buche, Birke und Tanne als Muster bzw. Abbildungsvorlage. Aktuelle Formwiedergaben dieser vier fehlen nämlich derzeit noch im Wunschbaumshop. Stattdessen sind noch Abbildungen der alten Machart zu sehen, mit stärkeren Perlen und weniger stark abgerundeten Kanten. Wenn ich diese umgesetzt habe, ist endlich alles auf dem neuesten Stand und die Interessenten werden von allen Armbändern einen realistischen Eindruck haben. Leider werde ich den Tannenstab noch mal neu anlegen müssen, da die Jahresringe nicht eng genug gewachsen waren. Ich habe es einfach mal versucht, obwohl ich das Problem kenne. Es wird allerdings schwierig werden, geeignetes Material zu finden. Sehr langsam gewachsenes Tannenholz ist selten, wie jeder Geigenbauer weiß, welcher bei seiner Auswahl u. a. auch darauf achten muss. Genug Rohmaterial also für die Arbeit der kommenden Woche. Morgen ist erst mal Mähen – und evtl. Baumfällen – angesagt.

Hau-Ruck-Aktionen

Auf dem Friedhof haben sie alle Bäume kräftig geschnitten. Das ist die übliche Verfahrensweise in den letzten Jahren gewesen, möglichst nur einmal im Jahr eine radikale Hau-Ruck-Aktion durchzuführen, die dann von einem ganzen Team unsensibler Gemeindearbeiter durchgeführt wird. Das Ergebnis verspricht 12 Monate lang Ruhe, d. h. bis dahin nicht mehr aktiv werden zu müssen. Genauso geht man auch entlang der Bahntrassen und an Flussdämmen vor. Gerade dort also, wo die interessantesten Sträucher wachsen. Auf dem Friedhof hat es vor allem die Lücken füllenden Ziersträucher und die Eibenhecken getroffen. Natürlich vertragen die das, insbesondere die Eiben sind berühmt für ihre Toleranz. Aber warum sie nur 50 Zentimeter über dem Boden gekappt werden müssen, ist nicht wirklich einzusehen. Ein bisschen zu viel Geometrie und Formwille für meine Begriffe. Dass das in Themengärten, wie unserem Garten der Sinne, notwendig ist, um das formale Konzept sichtbar zu machen bzw. zu halten, ist verständlich. Außerhalb solcher speziell gestalteter Anlagen aber ist es einfach nur Ausdruck einer auf Sparflamme operierenden Grünanlagenpolitik, die die Pflege mehr als technische Pflicht denn als gestalterische Aufgabe sieht. Man vergisst dabei offenbar häufig, wie wichtig dieses Grün für Gemüt und Lebensqualität der Menschen ist. Dass die Optik dabei keine Rolle spielt, kann mir keiner erzählen.

Parks, Bäume und Ruhe

Der Stadtpark ist wieder bei sich angekommen. Selbst die aus langjährigem Baubetrieb zerstörten Rasenflächen am Rand sind neu angesät worden und inzwischen gut angewachsen. Und mit diesem alten neuen Zustand fühlen sich die Menschen auch wieder wohler und kommen zahlreicher. Dabei liegt in diesem beginnenden September eine ausgeprägte Ruhe und Gelassenheit in der Luft, die die Menschen zu besänftigen scheint. Nirgendwo sonst ist das deutlicher als in solchen öffentlichen Parkanlagen, die selbst den wildesten Rüpel zu besänftigen in der Lage sind. Ich genieße es, bei meinen Besuchen in der Stadt eine Runde hier zu drehen und die exotischen Baumindividuen zu besuchen. Darunter sind vertraute Arten, die man auch andernorts findet, wie die Platane, die Eibe, die Buche, der Amberbaum und der Tulpenbaum. Daneben sind aber auch sehr ungewöhnliche, aus fernen Ländern eingeführte Baum- und Straucharten zu finden, die dem Fernweh des Parkgestalters zu entspringen scheinen. Eine der beeindruckendsten darunter ist die Chinesische Wasserfichte, die dort als Paar lebt. Oder die Filzige Paulownie, deren tatsächlich filzige Früchte gerade erst zu wachsen beginnen, während die verholzten vorjährigen immer noch nicht abgefallen sind. Noch andere Exoten sind mir in Erinnerung: Der Zimtahorn, der Riesenmammutbaum, der Taubenbaum. Es ist gut, dass die Kommunen noch in der Lage sind, solche Anlagen zu pflegen. Das Stadtleben wäre ohne sie um einiges trister.

Die Inhalte kommen zu kurz

Die Literatur geht mir so schnell nicht aus. Schade nur, dass ich es zurzeit meist nicht bis zur Lektüre meiner vielen neuen Baum-Bücher und der Aufarbeitung des Lebensbaumbegriffs schaffe. Das Programm, auch im Rahmen meiner kreativen Arbeit, ist einfach zu umfangreich. Immer wieder gibt es dabei auch Neues in der Technik des Webdesigns zu entdecken und am praktischen Beispiel durchzutesten. Und die anderen kommunikativen Projekte – da bleiben die Inhalte schon mal auf der Strecke. Dennoch, ich denke, im Vergleich zu den meisten meiner Freunde und Bekannten gelingt es mir doch in ungleich größerem Umfang, mich auch in hektischen Zeiten zumindest phasenweise mit inhaltlichen Themen auseinanderzusetzen. Immer wieder versuche ich das auch in Texte, Gestaltungen, künstlerische Arbeiten umzusetzen. Dass mir das auch in Zukunft vergönnt sein wird, das wünsche ich mir für die nächste Zeit. Denn es ist einfach wichtig, will das Denken sich weiterentwickeln und nicht in der Alltagsroutine erstarren.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.