Geschmacksfragen

Die Art, wie V. den Nashi geschnitten hat, stimmt mich wenig zuversichtlich. Weil er einen Narren an diesem seltsamen Gewächs gefressen hat, müssen wir nun akzeptieren, dass der Baum seine noch kleinen Nachbarn ,,Ginkgo“ und ,,Feigenbaum“ im Schatten stehen lässt. Hinzu kommt noch, dass die Zypressenhecke von einer weiteren Seite Schatten wirft. Leider hat er meine schon im vergangenen Jahr geäußerten Bedenken nicht beachtet. Und das bedeutet, dass der Feigenbaum in diesem Jahr wieder riesige Schüsse machen muss, wenn seine Blätter genug Licht aufnehmen wollen für die vielen Früchte. Das wird umso deutlicher, als wir ihn bald kräftig zurückschneiden müssen, um das Dickenwachstum des Stammes anzuregen und ihn stabiler zu machen. Nun ja, das sind eben Geschmacksfragen und Fragen der innerfamiliären Machtverhältnisse. Unter solchen Diskrepanzen muss dann der eine oder andere auch mal leiden.

Trost der Bäume

Ein Vorgriff auf den erst kommenden Freiertag, der einen wichtigen Aspekt meiner eigenen Bewunderung der Bäume ganz gut zusammenfasst:

,,Oft tröstet’s mich, auf Bäume zu sehen: Sie wachsen und wachsen, grünen und grünen; trotz schlechter Wetter, nach strengen Wintern, trotz trockener Sommer und Wassernot. Sie lassen nicht ab und lassen nicht ab.
Doch nun schon zum fünfzigsten Male seh ich, wie ihre Blätter verdorren und rascheln, wenn sie in Wasserzuber gestellt sind: Ich meine die Birken, zum HEILIGENGEISTFEST, zu Pfingsten.“

Erwin Strittmatter

Tier- und Pflanzentypen

In Bezug auf das Verhältnis zwischen Mensch und belebter Natur gibt es zwei Einstellungs- und Charaktertypen: den Tier- und den Pflanzentyp. Nicht nötig zu erwähnen, dass ich mich zu den Pflanzentypen zähle, als Autor eines Baumtagebuchs. Der Rest der Familie und der größte Teil meiner Freunde und Bekannten dagegen repräsentiert eher den Tiertyp, allen voran meine Schwester, die sich ein Leben ohne ihren Hund wohl nicht mehr vorstellen könnte. Ich glaube, an dieser Theorie ist tatsächlich etwas dran, denn ich kann Unterschiede immer wieder feststellen, nicht nur wenn es explizit um Tiere oder Pflanzen geht. Auch im Alltagsleben unterscheiden sich die Typen bezüglich ihrer Einstellungen und Ausstrahlung. Meine These: Tiertypen sind irgendwie körperlicher als Pflanzentypen. Vielleicht auch unnachgiebiger und tendenziell intoleranter. Oder: Tiertypen erheben gerne einen Universalanspruch, die Dinge richtig zu sehen und zeigen häufig Unverständnis für ganz andere Lebens- und Denkarten. ,,Quatsch“, wird der eine oder andere Leser nun sagen. Aber ich lade Sie ein, einmal darauf zu achten und bei Menschen Ihrer Umgebung den Tier- oder Pflanzentyp zu identifizieren. Aber sehen Sie genau hin, sonst könnte es passieren, dass Ihnen die unauffälligeren Pflanzentypen erst gar ins Bewusstsein treten!

Ofenphase und Frühlingsfreude

Der Brennholzvorrat geht dem Ende entgegen. Natürlich könnten wir Nachschub holen, wie schon mindestens 3 Mal in diesem Winter. Aber bei diesen Temperaturen ist das wohl nicht sinnvoll. Jedenfalls wenn es sich so weiter entwickelt. Na ja, Ende Februar ist noch ziemlich früh. Erfahrungsgemäß kann der Frost noch bis April zuschlagen, dann aber meist nur punktuell. Vor mir aus könnte jetzt der laue Winter in einen langgezogenen Frühling übergehen. Auch wenn die Zeit mit ofengewärmter Stube etwas Gemütliches an sich hat. Es ist einfach Zeit für längere Aufenthalte im Freien, so wie ich das Gestern einmal wieder auf dem Maria-Croon-Weg erleben durfte. Und rechtzeitig zur Hochsaison der Baumblüten möchte ich gut eingestimmt sein.

Dynamische Vielfalt

Ein ziemlich arbeitsreicher Tag, den ich größtenteils im Keller verbrachte. Nicht so schlimm, denn die Arbeit macht Spaß, und das richtig schöne Wetter soll bei uns ohnehin erst morgen kommen. Irgendwie heiter war die Stimmung im engeren Kreis. Vielleicht eine Vorfreude auf den Frühling, den man irgendwie spürt, auch wenn er sein Gesicht noch nicht gezeigt hat. Mir gehen so viele Projekte im Kopf herum, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen, welche Reihenfolge und welche Schwerpunkte ich setzen soll. Ich glaube, solange diese Lust am Experimentieren und Entwickeln anhält, kann es mir nicht schlecht gehen. Dass mir das erhalten bleibt, ist mein größter Wunsch. Und dazu gehört alles: Die Arbeit mit Inhalten und Formen, das Beobachten und Kontemplieren, das Beraten und Steuern. Das Verschönern, klarer Machen, Vereinfachen, Strukturieren, Reduzieren, Ausschmücken. Was jeweils im Vordergrund steht, folgt keinem feststehenden Plan. Aus diesem Repertoire schöpfen zu können, ist mir aber wichtig. Und natürlich, dies im Rahmen von Kommunikation immer wieder den Verhältnissen der Zeit anzupassen. Wunschbaum und Baumtagebuch sind zwei meiner Mittel, genau diese dynamische Vielfalt in der Kommunikation zu erreichen. Und da gibt es noch ganz viel zu tun.

Technik und Gestaltungsspielräume

Ich habe viel Freude an den neuen Techniken, die ich mir zurzeit aneigne. Das schöne an Techniken ist, dass sie letztlich dem Umsetzen kreativer Projekte dienen. Und dass sie diese Projekte bereichern, das Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten erweitern und so bei allen Beteiligten größere Freude aufkommen lassen. Die Kehrseite ist das oft mühsame Erlernen. Allerdings habe ich darin sehr viel Übung, so dass ich es immer neu als spannende Herausforderung wahrnehme. Das Wochenende ist nun aber eher profanen Vorhaben wie einem notwendigen Einkaufstrip gewidmet. Ein Trost: Ich werde anschließend morgen das angekündigte warme Wetter nutzen, um aktuelle Armbandprojekte zu initiieren. Also wieder ein Drechseltag mit schwierigem Material und Kombinationen, die spannend zu werden versprechen.

Vom richtigen Zeitpunkt, die Bäume zu schneiden

Ein Dachbodeneinsatz war heute notwendig geworden, weil einer der Dachkandeln mit Moos und Schlamm überfüllt war. Das hat dazu geführt, dass das Regenwasser nicht mehr richtig abfließen konnte. Damit war mein Körpereinsatz für heute auch fast schon erschöpft. Zu viele Lern- und Forschungsprojekte, darunter die Programmierung einer dynamischen Landkarte, standen auf dem Programm. Und eine Ende ist nicht abzusehen. V. hat heute das Thema ,,Baumschnitt“ angesprochen und damit vor allem den Feigenbaum und den kleinen Ginkgo angesprochen. Natürlich habe ich das nicht vergessen, bin aber der Ansicht, dass wir es um diese Jahreszeit noch nicht wagen können. Zu groß ist die Gefahr von Frösten, und die könnten insbesondere dem Feigenbaum nach erfolgtem Schnitt sehr schaden. Nun hoffe ich, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ich denke einmal Ende März, damit die Bäume in einem hoffentlich auslandenden und sonnenreichen Sommer 2008 sich kräftig entwickeln und ohne Störungen ihr Wachstum im Frühjahr beginnen können.

Ungeahnte Qualitäten

Lebensbaumarmband Buche

Das war das zweitletzte Lebensbaum-Armband, welches ich bisher in der neuen Technik noch nicht realisiert hatte. Nun konnte ich eine Fotografie davon anfertigen, die eines sehr deutlich macht: dass die Buche eine sehr schöne Zeichnung aufweist, und in Kombination mit dem braun-roten Farbton sehr dekorativ wirkt. Sollte man gar nicht meinen, wenn man diese mächtigen und auf Grund ihrer Häufigkeit irgendwie unspektakulären Bäume von außen betrachtet oder die vielen Haushalts- und Gebrauchsgegenstände vergegenwärtigt, die aus diesem Holz gefertigt sind. Die Perlen geben Gelegenheit, die Art einmal zweckfrei zu betrachten. Und siehe da, wie ich schon häufiger feststellen durfte, kommen in ungewohnter Perspektive ganz neue Qualitäten zum Vorschein.

Die Technik ästhetischer Übereinstimmung

In meinen neuen CMS-Studien war heute von Verzeichnisbäumen die Rede. Ansonsten war mein Lieblingsthema weit entfernt, tiefer gehend berücksichtigt zu werden. Es ist sehr herausfordernd, bisweilen aber auch nervtötend, in die Geheimnisse aktueller Gestaltungstechnik einzutauchen. Man kann dabei viel Neues entdecken, das Spektrum ausweiten und gleichzeitig zeitgemäßer und variationsreicher die eigenen ästhetischen Vorstellungen mit Kundenwünschen in Übereinstimmung bringen. Ich wünsche mir noch viele solche Erkenntnisse und weiterhin viel Lust am Ausprobieren.

Bäume und Kulturkonserven

Der Anblick der gestutzten Platanen an der Hauptstraße in D. hat mich heute Nachmittag an meine Arbeitsjahre dort und die tägliche Fahrt an diesen Bäumen vorbei erinnert. Zwischendurch hatte man sie zu einer stattlichen Höhe frei wachsen lassen, fast bis zum 3. Stock des dahinter liegenden Mietwohnungsgebäudes. Im letzten Jahr aber müssen sie wieder geschnitten worden sein, in der für Stadtplatanen typischen radikalen Form, die nur noch den Stamm und den unteren Abschnitt der Hauptäste stehen lässt. Von den Stümpfen aus sprießen dann bald wieder neue Äste, die in nur einem Jahr eine Länge von über einem Meter Länge erreichen können. Obwohl sie so extrem kultiviert werden, wirken so doch für viele als besonders urwüchsig. Seltsam, wo man doch ihr Wachstum immer wieder rüde unterbricht, um einen neuen Schub zu provozieren und das Skelett, die wulstigen Stämme und Hauptäste immer mehr in die Breite wachsen zu lassen. Bei meinen wenigen persönliche Dinge betreffenden Gesprächen mit Arbeitskollegen letztes Jahr in F. richtete sich die Aufmerksam ebenfalls auf die Platanen. Fast schien es, als ob man dort sonst kaum andere Bäume kennen würde. Die Menschen in Großstädten, jedenfalls wenn sie das Großstadtleben lieben, benötigen in Punkto Natur vor allem eines: die Möglichkeit, sie sich möglichst bequem anzueignen. Und dann werden Natur und Kultur, Natürlichkeit und Formwille häufig in einen Topf geworfen und nicht selten in ihr genaues Gegenteil verkehrt. Das sagt einiges über unser Naturverständnis und unsere Entfernung von den natürlichen Wurzeln, die wir eigentlich nur noch als kulturelle Konserven wahrnehmen.

Stillleben mit Efeu und Grablicht

Gedenken am Efeubaum

Ein Motiv in der Manier eines Stilllebens. Genauso arrangiert wirkt es. Und gleichzeitig wie von Symbolik aufgeladen. Ob der- und diejenige daran wohl dachte, als er/sie das Grablicht in einer Nische des von kräftigen Efeuranken umschlungenen Baumes abstellte. Genauso wie das Licht das Gedenken an einen Lebenden oder Verstorbenen und die Hoffnung auf dessen Wohlergehen und Frieden symbolisiert, so steht der Efeu für immerwährendes Leben und Ewigkeit. Ein sehr schönes Arrangement, das noch dadurch in seiner Ausdruckskraft intensiviert wird, dass es direkt neben einem religiösen Gedenkstein zu finden ist, der das mosaikgestaltete Abbild eines Heiligen zeigt. Allein für dieses schöne Bild hat sich der nachmittägliche Spaziergang gelohnt. Aber auch wegen der Sonne und der guten Luft.

Selbstzweck Holz

Dieses Arbeiten im Keller ist zwar nicht sehr erfrischend, aber um diese Jahreszeit ist ein anderer Arbeitsort auf Grund der Temperaturen leider nicht möglich. Einen Vorteil hat es jedenfalls: Ich habe meine Ruhe, jedenfalls wenn V. nicht im Nachbarraum an seinen Projekten arbeitet. Und durch die Kellertür dringt wenigstens auch etwas Tageslicht nach unten, heute besonders strahlend. So ist die handwerkliche Arbeit für heute beendet. Zusammen mit einigen Sortier- und Räumaktionen nahm sie fast den ganzen Tag ein. Das hat sich fast schon so eingeschliffen: Der Samstag ist der Handwerkstag. Eigentlich gut, denn so kann ich nach einer Schreibtisch lastigen Woche mal das rationale Denken abstellen und mich auf diesem Wege entspannen. Das Gespräch am Nachmittag zusammen mit V. im Keller drehte sich u. a. um die Holzvorräte, die sich dort, wie andernorts im ganzen Haus, angesammelt haben, darunter wunderbare Bohlen aus Esche und Birnbaum. Bei aller Begeisterung steht natürlich immer die unbeantwortbare Frage im Raum, wofür es denn wohl einmal verwendet werden könnte. Seltsamerweise stellt weder V. noch ich diese Frage. Das haben wir im Punkto Holz gemeinsam: Uns verbindet eine Art selbstverständlicher Affinität und Bewunderung für dieses Material. Da erscheint das Verarbeiten und Lagern desselben wie ein Selbstzweck, der nicht weiter erläutert werden muss. Natürlich auch, weil wir immer wieder tatsächlich etwas daraus arbeiten, nur geht das in derselben Selbstverständlichkeit unter.

Zwei Seelen in einer Brust

Die Buche war so hart, dass sie mir wieder einmal Blasen an den Fingern verursacht hat. Immerhin, nun ist der Job erledigt und die Perlen sind schon auf die exakte Länge gekürzt. Morgen kann’s mit dem Bohren weitergehen. Ist schon eine interessante Kombination, auch wenn sie nicht in einem Armband zusammen treffen, sondern auf zwei verteilt sind: Pappel und Buche. Gegensätzlicher geht’s eigentlich nicht mehr. Und besonders bemerkenswert: Diese wesenhafte Differenz hat ihr Pendant in der Struktur und den Verarbeitungseigenschaften der Hölzer. Die Pappel superweich und die kleinste Unregelmäßigkeit der Oberfläche zeigend. Die Buche extrem hart und dicht und weitaus formresistenter bei ungleichmäßiger Bearbeitung. Die Pappel sehr hell, mit schwacher Struktur und leicht. Die Buche rötlich-braun, mit starker Zeichnung und akzentuiert durch die Markröhren, natürlich auch schwer. Beide also für ein und dieselbe Person. Ruhen da möglicherweise zwei Seelen in einer Brust? Ich werde es wohl nie erfahren.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.