Zeitliche Räume für Traditionen und Wünsche

Kein Tag für einen Feiertagsspaziergang. Aber einer, der zur Besinnung und zum Ruhigsein sehr geeignet war. Insofern ein idealer Ostermontag. Ich bin froh, dass wir in Deutschland noch eine vergleichsweise reiche Feiertagskultur pflegen. Zumindest auf dem Papier. Aber ich wage einmal zu behaupten, dass für die meisten sich Feiertage anders anfühlen als gewöhnliche Werktage, und auch anders als normale Sonntage. Für mich jedenfalls tragen sie eine besondere Aura, die sie deutlich abhebt und mein Empfinden und die Wahrnehmung an diesen Tagen wesentlich prägen. Sie sind die Gelegenheit, Symbolik fassbar zu machen, sie in konkreten Ritualen und Traditionen lebendig werden zu lassen. Das hat viel mit familiären Traditionen und Gewohnheiten zu tun, aber eben auch mit dem, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Bestimmte christliche Grundwerte zum Beispiel. Schön, dass wir zeitliche Räume zur Verfügung haben, um das nicht vergessen zu lassen. Räume, in denen es sich weiterentwickeln und unsere Kultur bereichern kann. Und auch schön, dass an solchen verlängerten Feiertagswochenenden die Menschen sich mehr als sonst mit Themen beschäftigen, wie ich sie in den Wunschbaum-Projekten aufgreife. Das sehe ich an dem wieder verstärkten Interesse an den Lebensbaum-Armbändern, aber auch an einer neuerlichen Zunahme der Wünsche, von denen ich zwischenzeitlich schon dachte, sie seien gar nicht mehr vorhanden. Aber das Wünschen ist eben immer noch aktuell. Die Menschen müssen nur die nötige Ruhe dafür schaffen können.

Runder Ostersonntag

In diesem Jahr haben wir einmal nicht die Osternachtfeier am Karsamstag besucht, sondern das Osterhochamt in St. G.. Ich denke, das war die richtige Wahl, denn dieser Ostersonntag hat uns mit zwar wechselhaftem, aber dennoch phasenweise sonnigem Wetter wieder versöhnt, nachdem das Feiertagswochenende zunächst nicht so toll auszufallen schien. So haben wir einen sehr schönen Tag im Kreise der Familie verbracht. Mit ausgedehnten Mahlzeiten, dem Gottesdienstbesuch und sogar einem gemeinsamen Spaziergang am späten Nachmittag. J. hatte es dabei vor allem auf einige trockene Zweige mit Flechten abgesehen, die wir am Vortag dort erblickt hatten. Wir haben dann auch einige schöne Weißdorn- und Heckenrosenzweige gefunden, die mit meist schwefelgelben Flechten besetzt waren. Nur bei einigen abgestorbenen Exemplaren waren die Flechten schon ergraut. Ein schöner runder Ostersonntag.

Christliche Traditionsschau

Das kühlere Wetter ist vielleicht ganz gut für die Bäume, die noch einmal Luft schnappen können, bevor das Grünen und Blühen flächendeckend beginnt. Weniger gut allerdings für die Osterausflügler und Osterspaziergänger. Denn bei so wenig Licht und immer nur Wolken und Wind kommt so richtige Bilderbuchstimmung nicht auf. So richtet sich unser Blick vielleicht stärker als sonst in Richtung der eigentlichen Bedeutung des Osterfestes als Fest der Wandlung und der Hoffnung aller Christen, das eine spirituelle Leitlinie vorgibt.

Das Mysterium von Golgatha

Ein Karfreitag, der dem Feiertag angemessen war. Die Liturgiefeier am Nachmittag hatte ich früher als Messdiener nur sozusagen dienstlich erlebt. Jetzt nehme ich die gesprochenen Texte inhaltlich viel bewusster wahr. Auch die Erzählung von Pastor M. über die Historie des Feiertags-Kruzifixes der Pfarrkirche fand ich sehr beeindruckend und so passend aus Anlass der Osterfeiertage ausgewählt. Da stellen sich plötzlich Verbindungen her zu unserem verstorbenen Pfarrer und einem expressionistisch arbeitenden Süd Tiroler Herrgottschnitzer. Das Holz des Kreuzes hatte ich vor einigen Jahren in meinem Text zur christlichen Bedeutung des Lebensbaumbegriffs thematisiert. An keinem anderen Tag kann man den Grundgedanken der Wiederentstehung nach dem Tod besser vergegenwärtigen als am Karfreitag. Wie ein inhaltlich stimmiger Abschluss meiner Feiertagsreflexionen wirkte dann die erneute Lektüre des letzten Vortrags von Rudolf Steiner aus seiner Vortragsreihe über den Tod und das Leben. In diesem Text geht er u. a. auf historische Verhältnisse ein, die den Kreuzestod des Christus mit einer bahnbrechenden Weichenstellung in der geistigen und seelischen Entwicklung der Menschheit in Zusammenhang bringen. Das Mysterium von Golgatha öffnet nach dieser Gedankenlinie heute noch den Weg zu einer Auffassung des menschlichen Lebens, die weit über die leibliche und seelische Verfasstheit des Individuums hinausgeht. Die Erfahrung des Unbegreiflichen und im Verstand nicht vollständig fassbaren ermöglicht aus der konkreten Lebenserfahrung heraus erst den Zugang zum Geistigen und damit zu einer Ebene des Lebens, die über die einzelne Inkarnation hinausgeht. So schlüssig wie heute hatte ich den Text bei meiner letzten Lektüre noch nicht empfunden. Ein Grund, bestimmte Texte nur an bestimmten Tagen zu lesen, an denen der Nährboden zu ihrem Verständnis gelegt ist.

Vor den Feiertagen

Geschafft. Wie immer waren die Tage vor den Feiertagen arbeitsintensiv. Man will noch alles Mögliche wegarbeiten. Eigentlich nicht die beste Vorbereitung auf das Osterfest. Aber ich hoffe, dass wenigstens die Feiertage selber entspannt verlaufen und wir zur Ruhe kommen können. Darin sehe ich eigentlich den Sinn kirchlicher Traditionen. Wäre schade, wenn das ganz verloren ginge. Auch wenn es für Kinder noch oft selbstverständlicher zu realisieren ist. Ich finde es schön, dass mit dem sich entwickelnden Frühling die Arbeit mit meinen Hölzern und den Lebensbaumprojekten wieder intensiver werden. Genau die richtige Arbeit, um den Kopf zwischendurch frei zu kriegen. Diesmal sind Ahorn und Hainbuche angesagt. Hölzer, die ich eher selten verarbeite und deren Kanteln mir dennoch ausgegangen waren. So musste ich heute noch einen neuen Vorrat aufbereiten. Eine gute Gelegenheit, die besonderen Eigenschaften dieser Hölzer einmal wieder studieren zu können.

Lebenssymbolstark

Das Gelb-Grün wird nun doch stärker und beginnt, den Landschaftseindruck zu dominieren. Tatsächlich strahlen die jungen Blätter der Weiden, der Traubenkirsche und des Weißdorns ein sehr helles, gelblich wirkendes Grün ab. Dabei werden sie durch die Ahornblüten ergänzt. Das beruhigt mich, denn es zeigt, dass die Pflanzen dem Frühling allmählich trauen. Auch wenn die nächsten Tage durchwachsen sein sollten und die Temperaturen zeitweise abstürzen. Im Schnitt ist die Jahreszeit des Aufbruchs doch nicht mehr aufzuhalten. Und mit dieser Aufbruchsstimmung der Natur wächst auch das Interesse an der Beschäftigung mit den Bäumen als den lebenssymbolstärksten Repräsentanten der pflanzlichen Welt.

Impressionistisches Licht

Jetzt kommen zwischendurch doch noch kältere Tage. Und ausgerechnet über Ostern soll es empfindlich kalt sein. Irgendwie alles verkehrt. Ich hoffe, dass dabei wenigstens die Sonne hervorkommt und man einige feiertägliche Spaziergänge machen kann. Bis auf die wenigen meist weiß blühenden Sträucher gibt’s zurzeit zwar noch keine wirklich attraktiven Baummotive in der freien Landschaft. Aber das Gehen an sich macht gerade im Frühling, wenn die Sonne zwar wärmend, aber nicht Schweiß treibend ist, besonders viel Freude. Es ist dann im wörtlichen Sinne mit einer Aufbruchstimmung verbunden. Spaziergänge an Ostern selber wirken bei entsprechender Witterung dann so auf mich, dass ich mich in eine Landschaftsszene versetzt fühle, wie sie die Impressionisten so wunderbar festhalten konnten. Wenn sich das Licht quasi in der Natur auflöst, von ihr auszustrahlen scheint, obwohl es doch eigentlich reflektiert wird.

Der Ahorn und seine Nuancen von Grün

Heute konnte ich erstmals die frischen Ahornblüten aus der Nähe betrachten. Die meisten Bäume sind immer noch sehr vorsichtig, fürchten wohl die kalten Nächte. Deshalb sind die Blüten selbst bei schönstem Sonnenschein tagsüber noch nicht richtig geöffnet. Kleine Büschel, die mich irgendwie immer an Brokkoli erinnern. Wie Gemüse, das man abzupfen und dann zu einer leckeren Essensbeilage verkochen könnte. Gleichzeitig strahlen sie ein unwirkliches Hellgrün ab, das einen starken Anteil an Gelb in sich trägt. Man glaubt dann kaum, dass sie an einem lebenden Baum wachsen. Später, wenn sie sich tellerartig ausgebreitet und kreisförmig ihre kleinen Blütenköpfchen entfaltet haben werden, wird sich die Färbung mehr in Richtung eines mittelhellen Grüns verändern. Dann stehen sie in Konkurrenz mit den Blättern, die erst später dazu kommen. Im Ergebnis erscheint dann ein sommerlicher Baum in zwei Nuancen von Grün, der wunderbar als Schattenspender in hochsommerlichen Mittagsstunden macht. Eine meiner schönsten Reminiszenzen an meine frühere Arbeit in D. und die mittäglichen Spaziergänge in den nahe gelegenen Park.

Lichte Palmsonntagsatmosphäre

Ein Bilderbuch-Palmsonntag war das. Und der lichtreichste Tag bisher in diesem Jahr. Besser kann die christliche Symbolik des Sieges in der Natur nicht gespiegelt werden. Nach der Segnung der Palmzweige habe ich sie zuhause an allen Türkreuzen angebracht bzw. die alten ausgetauscht. Die alten vertrockneten Zweige werde ich morgen verbrennen. Für mich eine wichtige Tradition. Und der Gottesdienst, der an diesem Festtag im Freien beginnt, gehört unbedingt dazu. Wenn das Wetter schon am frühen Vormittag so schön ist, dann ist das einfach ein Erlebnis. Ich freue mich, dass ich diesen schönen Tag am Nachmittag mit einem längeren Spaziergang krönen konnte. Möge die friedliche und lichte Atmosphäre dieses Palmsonntags ihre Energie in den Frühling hinein tragen.

Erkennungszeichen des Frühlings

Nun sind es doch 100 KW weniger Sonnenstrom als im gleichen Monat des Vorjahres. Gemessen an der katastrophalen ersten Hälfte des Monats aber können wir insgesamt zufrieden sein. Und der April soll zumindest bei uns hier ja sonnig starten. Und das am Palmsonntag. Finde ich toll. Wie immer hat M. heute Nachmittag die Buchszweige für die morgige Segnung geschnitten. Schön, dass wir einen eigenen Busch im Garten haben. Währenddessen habe ich die Efeubewachsung unserer Gartenmauer zurückgeschnitten. War mal wieder nötig, damit es nicht zu schwer und ausladend wird. Ich freue mich sehr auf einen hoffentlich lichtreichen April. Zwischen durch kann es ruhig mal etwas regnen. Die Pflanzen brauchen das jetzt. Sonst wird’s nichts aus dem Grünen und Blühen. Schön, dass wenigstens die Ahorne ihr irres Hellgrün jetzt ausbreiten. Immer wieder erstaunlich, wie die Blüten wie junges Laub daherkommen. Früher habe ich das immer verwechselt bzw. überhaupt nicht daran gedacht, dass es sich um Blüten handeln könnte. Beeindruckend finde ich immer wieder dieses frische Farbspiel, das für mich zu einem Erkennungsmerkmal des Frühlings geworden ist.

Ahornblüte

Doch noch ein paar Sonnenstrahlen am Abend. Ansonsten kommt langsam Osterstimmung auf. Besonders M. ist sehr mit dem Dekorieren beschäftigt. Und am Wochenende wird es wohl weiter gehen. Vielleicht werden wir auch einen individuellen fotografischen Ostergruß vorbereiten. Es ist ja noch etwas Zeit. Mit einer Hasenparade vielleicht. Und einem österlichen Blumenstrauß im Hintergrund. Ich freue mich, dass jetzt endlich auch die Spitzahorne mit ihrer Blüte beginnen. Das wird ein Teil des Frühlingsblütenhonigs. Und direkt vor dem Bienenhaus sind die vor wenigen Jahren gesetzten Ahorne schon ziemlich groß geworden. Das müsste sich doch positiv auswirken, zumal die Bienen keinen weiten Weg haben. So mögen die wenigen starken Völker wenigstens günstige Arbeitsbedingungen vorfinden.

Schwere Zeit für Wünsche

Ab und zu kommen also doch noch Wünsche. Aber das Wünschen ist sehr zurückgegangen in den letzten Monaten. So als ob die große Ernüchterung eingetreten wäre. Die Menschen lassen sich ohnehin nicht mehr leicht beeindrucken, sind chronisch abgestumpft. Wohl schon aus Gründen des Selbstschutzes. So kann ich nicht wirklich voraussagen, ob das Wunschbaum-Projekt sich weiterentwickeln wird. Es kommen dazu derzeit zu wenige Rückmeldungen. Aus der Statistik kann ich ersehen, dass die Zugriffszahlen nicht geringer geworden sind. Aber die Überflutung mit unzähligen Interaktionskanälen im Internet führt dazu, dass sich die Adressaten gewissermaßen Verlaufen und ihre Kommunikationszeit in diesem Medium dosiert verteilen. Das bedeutet dann weniger substanzielle Reaktionen und weniger praktischen Austausch. Schade, ich glaube aber, dass das Themenfeld im Grunde zeitlos ist und es auch wieder Perioden geben wird, in denen das Bedürfnis, sich zu äußern und auszutauschen stärker ist.

Bienenzeit

Wieder ein wunderbarer Tag. Man könnte sich an das Frühlingswetter gewöhnen. Kaum zu glauben, dass es gegen Wochenende ins Gegenteil umschlagen soll. Die zarten Blätter der Weißdornsträucher sind mir heute besonders ins Auge gefallen. Der Schlehdorn steht in voller Blüte. Noch keine wirkliche Bienentracht. Aber bald wird auch das losgehen. Die neuen Bienen werden ohnehin erst Mitte April kommen. Und dann haben wir einen hoffentlich stabilen Frühling und eine schöne Frühsommerzeit, in der sie fleißig sein und ihre Lieblingsblüten besuchen können. Ich hoffe, sie sind dann stark genug.

Emotionale Hilfestellung der Bäume

Jetzt sehe ich auf meinen Spaziergängen auch schon mehr grün. Wenn auch noch recht wenig, bleibt der schweifende Blick in die Landschaft inzwischen an hellgrünen Tupfern hängen, und der Frühling beginnt sich damit echt anzufühlen. ,,Und man hat gleich größeren Mut“, so hat M. das heute ausgedrückt. Es ist tatsächlich so. Die Bäume schenken uns jede Menge emotionale Hilfestellungen und Motivation. Im Frühjahr so wie im Herbst. Aber auch der Sommer mit seinem Mix aus sattem Grün und Fruchtreife wird erst durch die Bäume richtig erfahrbar. Schade eigentlich, dass dieses Festhalten des Elementaren in der Natur zurzeit für mich in den Hintergrund getreten ist. Es wäre Zeit, meine diesbezügliche Beschäftigung wieder aufzurollen und mit aktueller Erfahrung anzureichern.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.