Verjüngungskur

Nun habe ich die technische Basis für das Baumtagebuch übergangsweise doch noch gerettet. Damit bleibt mir mehr Zeit, die Neugestaltung der Seite in Ruhe anzugehen. Das wäre auf die Schnelle einfach nicht möglich gewesen, insbesondere wegen des Umfangs von inzwischen mehr als 3000 Tagebucheinträgen. Das Archiv werde ich ohnehin nur schrittweise wieder einstellen können. Gleichzeitig freue ich mich auf diesen Relaunch, da mit solchen Neuerungen immer auch ein Anstoß für inhaltliche Fortschritte verbunden sein kann. Und auch illustrativ wäre ein veränderter Auftritt sicherlich nicht abwegig. Ich hoffe, das Frühjahr und der Sommer werden genügend bildhafte Eindrücke bieten, um dem in die Jahre gekommenen Baumtagebuch eine Verjüngungskur zu genehmigen.

Gleichmäßiger ist gesünder

Endlich mal wieder Sonne, aber der Schnee ist leider noch nicht wieder vollständig vom Dach abgeschmolzen. Das wird nach einem langen Endspurt am Nachmittag das erste von Kunsthandwerk freie Wochenende seit langem. Aber ich bin ganz froh, diese große Menge an Armbändern hinter mir zu sehen, und hoffentlich noch viele im Laufe des Jahres vor mir. Aber es muss sich nicht unbedingt so häufen, eine gleichmäßigere Verteilung wäre irgendwie gesünder. Mal sehen, ob morgen eine andere Form der Holzarbeit auf dem Programm steht. Ansonsten gibt’s noch jede Menge aufzuarbeiten und fortzusetzen. Aber gut, dass sich der Übergang zum Frühjahr so nachfrageintensiv zeigt.

Mensch gegen Natur

V. scherzt schon, dass wir am Wochenende wieder Feuerholz machen müssten, wenn es so weiter geht. Kann schon sein, obwohl die dicken Buchenscheite schon sehr viel länger anhalten als das Fichtenholz, das wir in letzter Zeit größtenteils verfeuert haben, weil wir das quasi kostenlos aus dem eigenen Waldstück beziehen. Märzwinter nennen das die Meteorologen und ich frage mich, ob es auch noch für das Abwegigste einen Ausdruck gibt. Jedenfalls kann ich mich an einen solchen März nicht erinnern. Auch gelingt es mir nicht, dem irgendetwas Positives abzugewinnen. In meinem Umfeld merke ich, wie der Unmut über das Unvermeidliche und Unbeeinflussbare steigt. Mensch gegen Natur sozusagen. Wer gewinnt, ist ohnehin klar.

Neuer Papst

Nach einem arbeitsreichen Tag kein Pop-Ereignis, und die Entscheidung fiel für einen bescheidenen Kirchenmann. Irgendwie finde ich das gut, dass zumindest die Kirche nicht den journalistisch geäußerten Trends folgt. Ich hoffe nur, dass die erwünschte Erneuerung auch mit einem Mann möglich ist, der beim Amtsantritt genauso alt ist wie sein Vorgänger es war. Das hatten sich wohl viele anders vorgestellt. Der unprätentiöse, auf das gemeinsame Gebet konzentrierte erste Auftritt hatte etwas beeindruckend Schlichtes. Und nomen est omen. Dass er sich den Papstnamen Franziskus gegeben hat, ist sicherlich Programm und passt zu seinem bisherigen Image als Bischof der Armen. Gut auch, dass der neue Papst aus Lateinamerika kommt, wo die katholische Kirche besonders stark geworden ist.

Merkwürdige Situation

Schon wieder Schnee. Es will dieses Jahr wohl kein Ende haben. Das ist der verrückteste Witterungsverlauf, den ich jemals kennengelernt habe. Da ist die Erinnerung an das Grün der Bäume so stark verblasst, dass einem der Gedanke schon wie ein Wunschtraum vorkommt. Man fühlt sich, wie die Bäume im Winter sich fühlen müssen. In sich selbst zurückgezogen, abwartend, nicht wissend, ob die Zeit für den Neuaufbruch schon gekommen ist. Eine merkwürdige Situation.

Seltene Hölzer in alter Tradition

Heute habe ich es mir besorgt. Mit einer kleinen, aber scharfen Handsäge konnte ich den kleinen Stammabschnitt des Weißdorns abtrennen. Beim nächsten Sägen werde ich versuchen, möglichst mehrere Kanteln daraus zu gewinnen. Das wird zumindest für einige kleine Sonderwünsche mit Weißdornholz ausreichen. Mit meinen Errungenschaften in puncto seltene Holzarten kann ich doch ganz zufrieden sein. Es gelingt mir immer wieder, kleine Raritäten zu finden. In der Regel durch Zufall, weil ich irgendwo darauf stoße. Interessant ist, wenn man zu den einzelnen Arten einmal recherchiert, dass viele Arten in früheren Handwerkszeiten durchaus in Gebrauch waren, häufig für bestimmte symbolisch besetzte Zwecke, dann aber total in Vergessenheit geraten sind und heute selbst als lebende Bäume oder Sträucher nur Fachkundigen noch ein Begriff. Schön, dass ich in einzelnen Bereichen an diese alten Traditionen anknüpfen kann.

Weißdornholz

Möglicherweise ist der abgeschnittene kahle Busch, den ich vor einigen Tagen entdeckt hatte, ein Weißdorn. Das ist mir bewusst geworden, als ich auf meinem Weg an einem noch lebenden Weißdorn vorbei gekommen war. Von dem wusste ich, dass er im Sommer die knallroten Weißdornfrüchte trägt, und er hatte einen ähnlichen Astaufbau sowie die charakteristischen Dornen. Das wäre natürlich nicht schlecht, denn Weißdorn hatte ich bisher nur als winzigen Abschnitt besorgen können. Und gelegentlich fragt schon mal jemand danach. Leicht zu verarbeiten ist er allerdings nicht, so dicht und fest ist seine Struktur, aber auch sehr zäh und vor allem symbolträchtig. Stärkere Abschnitte sind aber nur sehr schwer zu finden, auch weil der Strauch so langsam wächst und entsprechend nur wenig Breitenwachstum zeigt.

Versäumtes Licht

Ich hoffe, bald mit meiner Holzwerkstatt wieder nach draußen ziehen zu können. Noch ist es für längere Arbeiten zu kühl, so dass ich mit dem Kellerdomizil vorlieb nehmen muss. Draußen ist es doch viel angenehmer, allerdings ist man auch stärker abgelenkt. Durch Naturgeräusche zum Beispiel, die Vögel, das Blätterrauschen, die Klangspiele. Aber eben auch näher an den Bäumen und ihren Veränderungen, die ab dem Frühjahr ein nie langweilig werdendes Beobachtungsfeld bieten. Zeit für die Freiluftsaison, in der wir hoffentlich das versäumt Licht des Winters nachholen.

Felix ist wieder da

Da für den Wochenanfang schon wieder Minusgrade vorhergesagt sind, eine hoffentlich kurzweilige Rückkehr des Winters, haben wir nun doch noch Brennholznachschub besorgen müssen. V. hat dazu einige Buchenscheite vor Ort mit der Kettensäge in ofengerechte Abschnitte geteilt und im Transportsack hergefahren. Ich schätze, das wird etwa eine Woche ausreichen. Ich hoffe, das Kälteintermezzo wird nicht länger anhalten. Denn es gibt durchaus Anzeichen für den nahenden Frühling. Allen voran Felix, unsere Hausamsel, die im Winter wie vom Erdboden verschwunden war. Heute ganz früh habe ich ihn erstmals wieder singen gehört. M. hatte ihn vor einigen Tagen schon gesichtet. Dass er so schnell sein Lied wieder anstimmen würde, hätte ich nicht gedacht. Tagsüber war er allerdings dann wieder verschwunden. Bin gespannt, ob er sich dauerhaft in seinem letztjährigen Revier, dessen Zentrum unser Garten war, erneut behaupten wird. Bei diesem ersten Gesang war allerdings seine Hauptmelodie noch nicht enthalten. Die werde ich wohl nie vergessen, so häufig habe ich ihr das ganze Frühjahr über mit großem Amusement täglich stundenlang zugehört. Ob sie wohl wiederkehrt?

Unnötige Aufregung

V. hatte sich doch geirrt. Er vermutete ein eigenmächtiges Verhalten des Holzfällers, dabei hatte der nur nicht ganz so viel geschlagen wie V. vermutet hatte. Also einmal viel Aufregung um nichts. Ich hoffe, dass das in den nächsten Wochen gut geht und unser Brennholzvorrat wieder für einige Jahre aufgefüllt wird. Und wenn V. dann zwischendurch die kleinen Bäume und Äste holen will, ist es ja in Ordnung. Das wird nicht so anstrengend. Und für ausreichend Anmachholz ist außerdem noch gesorgt. Wenn dabei das eine oder andere fürs Kunsthandwerk nützliche Material dabei abfällt, freue ich mich natürlich. Der Holunder war eine solche schöne Gelegenheit.

Der Geist der Feiertage

Ich werde wohl auch in diesem Jahr nicht dazu kommen, bis Ostern ein Symbolgeschenk aus Holz zu realisieren. Zwar nehme ich mir das immer wieder vor, aber dann fehlt doch jedes Mal die Zeit. Dabei würde ich sehr gern wieder einmal ein Holzei, ein Kreuz oder etwas anderes mit österlicher Symbolik herstellen, wie ich es in früheren Jahren jedes Jahr getan habe. Bestimmte Aktivitäten sind scheinbar an bestimmte Lebensphasen geknüpft und kaum konstant zu halten. Ich hoffe aber, dass irgendwann wieder eine Zeit für diese Freiräume kommt. Damit ich den Geist der Feiertage auch in kreativer Form wieder zum Thema machen kann.

Zufallsentdeckungen

Schade, dass ich die Art nicht mit Bestimmtheit bestimmen kann. Beim Spaziergang habe ich erst die geschnittenen Büsche am Damm entdeckt und beim Rückweg dann die abgeschnittenen Äste. Ich glaube dabei den Schwarzdorn entdeckt zu haben. Da aber keine Blätter dran sind, bin ich mir nicht ganz sicher. Der Astaufbau, die Dornen deuten doch sehr darauf hin. Schade, dass ich niemanden fragen kann. Ich hätte sonst den kleinen Abschnitt des Stammstücks ganz gerne mitgenommen. Das wäre eine Rarität, denn bisher bin ich noch nicht an das Holz der Schlehen geraten. Ist einfach eine Art, die man gewöhnlich nicht schlägt und die auch selten auf bewirtschafteten Geländen zu finden ist. Na ja, vielleicht will es irgendwann einmal der Zufall, wie schon so oft bei anderen Entdeckungen.

Robinie mit Vergangenheit

Wieder ein schöner, ziemlich heller Tag. Ich genieße die Spaziergänge um die Mittagszeit. Am Abend unser monatliches Treffen, diesmal bei B. in S. Eine ziemliche Fahrerei, aber auch schön, die kleinen Ortschaften der Region zu erkunden. Und die Gespräche sind immer irgendwie echt. Eine Bereicherung für alle. Auch das fünfte Armband habe ich am Vormittag abgeschlossen. Robinie, eine Seltenheit, aber ein Baum, der mich schon sehr lange begleitet, vor allem bei meiner bildhauerischen Arbeit.

Totholz im Licht

Endlich kann man beim Spaziergang wieder das Licht genießen. Es war tatsächlich der erste lange Spaziergang am Fluss in diesem Jahr. Und neben mir hat es viele nach draußen gezogen, man hat das vermisste Licht geradezu in sich aufgesogen. Die Erleichterung war den vielen, denen ich begegnet bin, ins Gesicht geschrieben. Fotografisch war es neben der Überlebenssymbolik des Efeus vor allem das Totholz, das mich heute am meisten beeindruckt hat. Es scheint im hellen Licht betrachtet eine besondere Form von Lebendigkeit zu erhalten:

Efeuranke an Baumrinde

Totholz

Totholz

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.