Erstaunlich mild

Nun konnte ich doch noch draußen arbeiten. Das hätte ich nicht gedacht, war schon auf dem Weg ins Kellerquartier, als ich merkte, dass die Luft sehr mild ist und es noch keine Notwendigkeit dazu gibt. Da ist mir das Arbeiten an der frischen Luft mit natürlichem Licht doch lieber. Nur gegen Abend musste ich dann doch umziehen, da es doch schon recht früh dunkel wird und mein Pensum noch nicht erfüllt war. Ich bin zuversichtlich, die vier Bänder bis zum Wochenende fertigstellen zu können. Eine schöne Zusammenstellung sehr unterschiedlicher Hölzer – und vermutlich Charaktere: Esche, Weide, Eberesche und Zürgelbaum, wobei die drei letzteren zu einer Familie gehören. Eigentlich schade, dass ich die dahinter stehenden Menschen nicht persönlich kennen lerne. Das würde den Erfahrungsschatz in puncto Baumsymbolik noch um einiges erweitern.

Herausfordernde Hölzer

Heute einmal wieder einige Hölzer, die sich nicht so gut verarbeiten ließen. Einen der Stäbe, aus Esche, musste ich dann auch zweimal angehen. Da gibt’s immer wieder Unwägbarkeiten, die in der Natur der Sache liegen und bei denen auch größte Sorgfalt nichts nützt. Bei anderen Gelegenheiten geht’s dafür umso zügiger und reibungsloser. So bringt jede dieser Arbeiten wieder ihre eigene Herausforderung mit. Ich freue mich auf die weiteren Arbeitsschritte, die zwar ab sofort im Keller stattfinden müssen, aber sie sind dennoch ein prima Kontrastprogramm zum ungemütlichen Novemberwetter. Die Eibenzeit mit Holzarbeit zu verbringen, was könnte es Passenderes geben.

Winterhart?

Jetzt wird’s doch schon ziemlich frostig in den Nächten. Ich denke deshalb daran, die kleinen Gleditschien doch wieder ins Haus zu holen. Den letzten Winter haben zwar einige der Zöglinge auf die Art nicht überlebt. Aber das kann natürlich daran gelegen haben, dass ich sie tatsächlich zu wenig gegossen hatte. Zumindest meint V. das. Umgekehrt kann ich mir nicht vorstellen, dass die kleinen Stämmchen einen sehr kalten Winter im Freien verkraften würden. Da gehe ich lieber auf Nummer sicher. Und für den Feigenbaum können wir nur beten. Der ist ohnehin schon seit Jahren immer wieder geschwächt worden. So bleibt zu hoffen, dass die gesunden Teile widerstandsfähig genug bleiben und es im Frühjahr wieder mit neuer Energie voran gehen kann.

Kein Jahr für Exoten

Von den restlichen am Baum verbliebenen Feigen war keine mehr genießbar. Zwischenzeitlich sind alle abgefallen, bis auf einige ganz winzige. Insgesamt also eine ziemlich erbärmliche Feigenernte 2013. Mitte des Jahres hatte ich da noch viel höhere Erwartungen, denn es sah ja fast so aus, als ob die spät erschienenen Früchte noch ausreifen könnten, jedenfalls bevor dann ein monatelanger Stillstand eingetreten ist. Kein Jahr für die Exoten, nur Äpfel, Birnen und Nashi-Birnen, Zwetschgen und Mirabellen gab es jede Menge und sie waren zudem auch noch sehr groß ausgewachsen. So hatte V. immerhin sein Erfolgserlebnis, und uns bleibt die Hoffnung auf einen milderen Winter und bessere Bedingungen für die empfindlicheren Früchte im kommenden Jahr.

Neue Energie aus der Ruhe

Kein Tag für kreative Projekte, eher geeignet zur Kontemplation. So habe ich diesen Sonntag wahrgenommen und verbracht. Denn solche Ruhephasen sind notwendig und sinnvoll, wenn frischer Wind ein Merkmal neuer Arbeiten sein soll. Und wenn das Licht im Außen schwächer und seltener wird, werden sie noch wichtiger. In dieser Zeit entsteht in mir eigentlich immer derselbe Wunsch. Dass die Übergangszeit bis dahin und die Adventszeit selbst nicht von purer Rastlosigkeit und Abschlusslogik geprägt sein mögen. Diese Gefahr ist immer gegeben und man kann ihr schwer aus dem Weg gehen. Einen Versuch ist es dennoch immer wert. Alles andere bedeutete, einen Verlust hinzunehmen, dessen Notwendigkeit man nicht wirklich einsehen kann. Die Gegenwart und Symbolik der weihnachtlichen Pflanzen und Dekorationen werden sicher dazu beitragen. Und die Gespräche, die sich um die Beschaffung und Vorbereitung derselben, einschließlich des Weihnachtsbaums, drehen.

Unbeeindruckbar und offen

Wenn er so weiter geht, entspricht wenigstens der November dem, was man von ihm gewöhnlich erwartet. Nass, kalt, noch kein wirklicher Winter, aber auch nicht mehr mit dem ausgestattet, was man Angenehmes vom Herbst in Erinnerung hat. Die Eibenzeit beginnt morgen. Ich wünsche mir, dass sie für mich die Konzentration und Innenschau möglich macht, die wohl nur in dieser Zeit möglich ist. Es ist eine Form der Konzentration, die genaues Hinsehen mit einem erweiterten Blick kombiniert. Das entspricht eigentlich auch dem Wesen der Eibe, welches ich mit den Attributen: ,,wesentlich, grundsätzlich, geduldig, zeitlos, wandelbar, anpassungsfähig“ beschreiben würde. Wenn man diese Attribute nimmt, kann die Eibe sogar stellvertretend für die besonderen Eigenschaften der Bäume schlechthin gelten. Denn zumindest Spuren davon sind allen Baumarten eigen. Die Eibe aber bringt sie auf den Punkt. Unbeeindruckbar und offen zugleich. Eine Kombination, die mir außerordentlich gefällt und, da sie einer meiner Lebensbäume ist, ja einfach auch gefallen muss.

Konstanzen der Friedhofskultur

Der Feiertag ist doch noch geeignet, Menschen in ihren Heimatort zurückzubringen, die sich sonst das ganze Jahr über nicht gezeigt haben. Vielleicht ist es tatsächlich voreilig, vom Sterben von Traditionen zu sprechen. Ich denke, es gibt auf der anderen Seite auch so etwas wie ein Bedürfnis nach Konstanz, wie sie in auch kirchlichen Traditionen zum Ausdruck kommt. An Allerheiligen kommt natürlich zudem das Persönliche ins Spiel, die Erinnerung und die auch nach dem Tod bestehende Verbindung, die zu Lebzeiten geknüpft wurde. Dieser Wahrheit kann sich wohl niemand wirklich entziehen. Auch die nicht, die sich als nicht gläubig bezeichnen würden. Die Lektüre der Geheimwissenschaft am Nachmittag hat mir das mit der sehr klaren Darstellung Rudolf Steiners noch einmal sehr plastisch gemacht. Aber die Gewissheit wurde auch zuvor beim gemeinsamen Besuch des Friedhofs mit M. bestätigt. Manchmal hilft aber eine externe Reflexion, die Dinge nicht im Gewohnten und Erfahrenen stecken zu lassen, sondern auf ihre tiefer liegenden Bedeutungen zurückzuführen. Unseren Friedhof finde ich nach wie vor einen würdigen Ort des Gedenkens. Ich stimme mit M. aber darin überein, dass der alte Friedhof in unserer Straße, den ich noch in Kindheitstagen als solchen erlebt hatte, den ich täglich auf dem Schulweg durchkreuzt hatte, ein noch persönlicherer war, auf dem man sich den Verstorbenen irgendwie näher fühlte. Aber auch die Orte, an denen sich Grabkultur entwickelt, verändern sich eben. Auch das ist ein Ausdruck der gesellschaftlichen Veränderung. Es ist schön, dass es bei allen Wandlungen doch auch Konstanzen der Friedhofskultur gibt. Wie so häufig sind das die Baumarten, die zum Begleiten der Trauernden und Erinnernden und als Mitbewohner der Gedenkstätten ausgewählt und gepflanzt werden: Eiben, Zypressen, auf den Gräbern selbst auch andere immergrüne Bäume wie Tannen, Wacholder u. ä. Aber auch die inzwischen hohen Kiefern, die in lockerer Anordnung den Friedhof quasi überdachen und zu einem großen Landschaftsgarten werden lassen, passen zum Charakter des Ortes.

Seltene Konstanten

Ein sonniges Allerheiligen, wie vor einigen Jahren schon einmal, werden wir wohl nicht erleben. Das Wetter wird eher der Grundstimmung des Kirchenfestes entsprechen. Mir ist das eigentlich ganz recht. Denn das wäre wenigstens eine der Konstanten im Jahreslauf, die unserem Erleben und der hiesigen Kultur die traditionell erwartbare Kontur verleiht. Für solche Konstanten, die seltener geworden sind, aber eigentlich dringend benötigt würden, bin ich immer sehr dankbar. Und den Tag selbst werde ich nutzen, um mit meiner Lektüre der Geheimwissenschaft fortzufahren. Seit wir G. nicht mehr auf dem Friedhof besuchen können, ist Allerheiligen nicht mehr das gleiche wie in den Jahren zuvor. Die Lichtersymbolik ist mir seitdem nicht mehr ganz so wichtig. Demgegenüber tritt die Friedhofskultur allgemein mehr in den Blickpunkt. Auch die Bäume des Friedhofs nehme ich seither etwas anders war. Die Hainbuche und die Roteiche, die vormals über Gs Grab ihre Zweige ausbreiteten, stehen immer noch da. Aber jetzt beschatten sie nur noch leere Rasenflächen. Vielleicht wird die Fläche länger brach bleiben, denn die Zahl der Urnenbestattungen scheint kontinuierlich zuzunehmen. Ich weiß, dass M. und V. das bedauern und darin eine Art Verlust wahrnehmen. Zumindest für M. ist das immer wieder Thema gewesen.

Zeit für Innenschau

Tatsächlich hinterlässt der Herbst in diesem Jahr bei mir kaum einen charakteristischen Eindruck. Die allgemeine Stimmung ist herbstlich, vielleicht. Aber die Landschaft zeigt sich unentschlossen, vermeidet eine Festlegung, scheint sich der herbsttypischen Wahrnehmung zu entziehen. So als ob sie für sich alleine sein wollte. Bleibt uns noch der Rückzug in die Arbeit und die Innenschau, die jetzt wichtiger wird. Und bald beginnen auch schon die Tage der Eibe, die dafür wohl prädestiniert sind. Ich hoffe, sie nutzen zu können. Allerheiligen wäre dafür ein guter Auftakt.

In den Tage vor Allerheiligen

Wie eigentlich in jedem Jahr ist die Nähe von Allerheiligen zu spüren. Die Menschen ziehen sich zurück. Vorübergehende Entscheidungsfreude ist sogleich wieder eingeschlafen, abwartend, kaum glauben wollend, dass der Winter jetzt nicht mehr aufzuhalten ist. Das ist ein deutlich zu merkendes Hin und Her, Auf und Ab, welches sich in angedeuteten und dann nicht weitergeführten oder aufgeschobenen Projekten auswirkt. Oder in simpler Sprachlosigkeit und Kommunikationsverweigerung. Eins muss man sagen: Wenn diese Einstellung und Gemütsverfassung irgendwo hinpasst, dann sicherlich in die Zeit des Übergangs, des Niedergangs vielleicht besser der äußeren Natur, in die Zeit des Wendepunkts, an dem sich die Aufmerksamkeit beginnt, überwiegend nach Innen zu richten, so wie sich die Bäume ihrer Blätter entledigen und sich nur noch auf ihr Gerüst reduzieren. Aller Energiereserven werden zurückgezogen in den Wurzelstock. Denn man weiß ja nicht, was der Winter so bringt. Und entscheidend ist schließlich das überleben. Manchmal denke ich, im menschlichen Verhalten sehr starke Parallelen zu den natürlichen Vorgängen in Abhängigkeit von der Jahreszeit festzustellen. In den Tagen vor Allerheiligen wird das überdeutlich.

Nicht in unserer Hand

Die sechs oder sieben Früchte, die heute Ms Abendessen ausmachen, sind der wohl eher bescheidene Höhepunkt der diesjährigen Feigensaison. Tatsächlich hat es keine einzige wirklich dicke und vollreife Feige gegeben. Am Baum sind jetzt nur noch einige wenige. Insgesamt sehr enttäuschend. Es wird vom Winter abhängen, ob der Baum überhaupt noch eine Chance hat. Vielleicht wird er weiter existieren. Ihm nach immer wieder eintretenden Frostschäden eine blühende Zukunft vorherzusagen, wäre wohl verwegen. Denn von denen kann er sich das ganze Jahr über nicht erholen, manchmal zeigen sich die Auswirkungen erst Monate später, was dann wiederum ein Zurückschneiden erfordert. Lieber Feigenbaum, wir habe wirklich alles dafür getan, dass du dich wohlfühlst. Dein weiteres Schicksal liegt nur nicht mehr in unserer Hand.

Schlafende Pflanzen

Seltsam, ich habe heute erst die Geheimwissenschaft im Umriss wiederentdeckt. Das gebrauchte Buch musste ich vor einiger Zeit bereits gekauft haben. Mir war seine Existenz aber nicht mehr wirklich gegenwärtig. Wenn es auf Allerheiligen zugeht, zieht es mich wie von selbst zu Rudolf Steiners Texten hin. Und es ist gut, einmal wieder bei einer der Hauptschriften gelandet zu sein. Anders als die Vortragsmitschriften, die ich meist lese, sind das sehr durchstrukturierte, noch dichtere Texte, die auch eine Art pädagogische Zielrichtung erkennen lassen. Gut geeignet, um bestimmte Grundbegriffe der Anthroposophie zu rekonstruieren und in anderen Zusammenhängen besser einordnen zu können. Da ist immer auch vom Verhältnis der verschiedenen Ebenen, die einen Menschen ausmachen mit dem Reich der Pflanzen und Tiere die Rede. Einer der Vergleiche, nämlich zwischen dem Ätherleib und dem Sein der Pflanzen, ist mir bei der Lektüre heute wieder ins Auge gesprungen. Er war mir bereits bekannt, wirkt aber doch irgendwie verblüffend, wie so oft bei Rudolf Steiner: Dass die Pflanzen sich in einer Art permanentem Schlafzustand befänden, ein Zustand, den wir eben vom Schlafen kennen, wenn der Astralleib sozusagen den Ätherleib nicht Bewusstsein aktivieren kann. Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt, wirken viele Darstellungen auch im Verhältnis der Menschen zu den Bäumen doch eher romantisch, von einer typisch menschlich bewussten Verstandesdenkart gelenkt. Es läuft auf das hinaus, was ich in verschiedenen Zusammenhängen gerne als den Spiegel bezeichnet habe. Die Bäume werden auf Grund ihrer grundlegenden Lebenssymbolik gerne als menschliche Spiegel verwendet. Das Nachempfinden pflanzlichen Lebens spielt eigentlich keine Rolle. Wenn von Baumsymbolik die Rede ist, dann ist das von vorneherein ein kulturelles Produkt, eine Möglichkeit, menschliches Empfinden und Wahrnehmen im Spiegel der Bäume anschaulicher darzustellen.

Meditative Arbeit

In dieser Jahreszeit geht die Holzarbeit wie in Trance vor sich. Sie hat für mich eine Art Selbstverständlichkeit, ist mehr auf die Arbeit, die Nähe zum Material und seine Bedeutungen ausgerichtet. Ich könnte auch sagen, sie ist konzentrierter, weil nicht mehr so viel im Garten und in der Kommunikation von ihr ablenkt. Insofern wirkt Holzarbeit in diesen Zeit für mich noch stärker meditativ, ist Denken und Erholen zugleich. Ich kann mir vorstellen, dass sich das auch auf die Gegenstände der Arbeit überträgt. Die Natürlichkeit des Materials steht aber immer auch in Verbindung zu ihrer lebendigen Quelle. Deshalb bin ich sicher, dass die Hölzer zu allen Jahreszeiten ihre unterstützende Funktionen entfalten können.

Zauberhafte Herbstmomente

Ob das in diesem Herbst, wenn man ihn so nennen kann, noch etwas wird mit einigen neuen Herbstblätter-Bildern, ich weiß es nicht. Die Phasen, in denen die Sonne dem herbstlichen Laub der Bäume dieses charakteristische Leuchten verleiht, sind bisher sehr knapp bemessen gewesen. Und wenn fehlt oft die Gelegenheit, in der Landschaft geeignete Motive zu suchen. Denn eins ist klar, die Qualität naturbezogener Fotografien hängt immer von der Intensität des Erlebens ab. Letztlich fließt der Zauber bestimmter Momente der Wahrnehmung in die Bilder ein. Wenn es gleichzeitig technisch gut gelöst wird, können so Fotografien entstehen, die zeitlos schön und aussagekräftig sind. Eigentlich ist es gut, dass es nur wenigen Aufnahmen vergönnt ist, in diesem Sinne zeitlos zu werden. So behält der Zauber seine Besonderheit.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.