Die Früchte sind mir nicht das Wichtigste

Und natürlich ist es so wie gestern vorhergesagt. Die stahlblauen Netze zieren jetzt ausgerechnet den Teil des Gartens, den wir dort sitzend vor allem im Blickfeld haben. V. kann das einfach nicht lassen, wobei er immer wieder behauptet, es seien keine anderen erhältlich. Der springende Punkt ist aber einfach, dass er auf keine einzige der Weintrauben verzichten will. Das ist mir ganz unverständlich. Von mir aus könnten die Vögel alle für sich beanspruchen. Der Fruchtertrag war mir auch bei den Obstbäumen noch nie das Wichtigste. Auch bei dem so schön gewachsenen Maulbeerbaum nicht, dessen diesjährige Fruchtlosigkeit V. beklagt, während mich das gar nicht stört. Ich bin vielmehr froh, dass er sich nach dem Rückschnitt im Vorjahr so prächtig weiterentwickelt hat. Ich schätze, er wird sich zum ältesten und stattlichsten Baum des schmalen Grundstücks mausern. Und die Sache mit den Netzen werden wir auch diesmal wohl zähneknirschend überleben.

Schutznetze stören die Gartenidyllle

V. will morgen tatsächlich schon wieder Netze über die Weinreben spannen. Nur weil er ein paar Amseln entdeckt hat, die die noch unreifen Trauben anpicken. Das ist jedes Jahr aufs Neue ein Streitthema zwischen uns. Nicht nur wegen der aus meiner Sicht übertriebenen Panik, vor allem, weil es den so entspannenden Panoramablick auf den Garten natürlich vollständig zerstört. Der Gipfel sind dann die blauen Netze, die wegen ihrer demonstrativ unnatürlichen Färbung den Gesamteindruck des Gartens derart massiv stören, dass man keine ungetrübte Freude mehr daran haben kann. Und das ausgerechnet in der Hochzeit des Sommers, wenn man dieses Grün am besten genießen könnte. Es gab auch schon einmal Jahre, in denen er ganz auf Netze verzichtet hat. Wenn die Vögel den Weg nicht zu uns gefunden haben. Aber dieses Jahr ist alles sehr früh reif, und dann tummeln sie sich natürlich auch schon jetzt dort. Ich hoffe nur, dass die Verteilung der blauen Netze nicht gerade das Hauptsichtfeld betrifft und das Ganze einigermaßen erträglich bleibt.

Wechselnde Aufmerksamkeitslagen

Es ist ungewöhnlich und interessant, dass sich derzeit die Armbandbestellungen meist nur auf wenige Hölzer konzentrieren. Zürgelbaum habe ich jetzt in kürzester Zeit gleich dreimal bearbeitet. Walnussbaum ist ein weiterer gegenwärtiger Favorit. Es scheint fast, als ob sich die Interessenten auf der gleichen Schwingungsebene befinden, ähnliche Baum-Mensch-Parallelen herstellen. Eine weitere Tendenz: Fast alle interessieren sich für Lebensbaum-Armbänder. Partner-Kombinationen scheinen zurzeit kaum nachgefragt. Vielleicht liegt das an dem Weg, auf dem die Interessenten auf meine Angebote aufmerksam geworden sind. Oft wirkt es jetzt so auf mich, dass die Symbolik der Bäume eher weiter weggerückt ist von dem, was die meisten Menschen bewegt. So konzentriert sich aber das Interesse derjenigen, für eine Resonanz vorhanden ist, auf das Wesentliche. Auch das eine Beobachtung, die etwas über die Umschwünge in unserer Zeit, den Wechsel der Stimmungslagen und die Themen aussagt, auf die Menschen bevorzugt ihre Aufmerksamkeit lenken und für denen sie bereit sind, Zeit zu widmen.

Ein Baum, der sich wohl fühlt

Unser Ginkgo ist auf dem besten Weg, zum dominierenden Baumindividuum des Gartens zu werden. Zwar macht ihm der benachbarte Nashi Konkurrenz, ist fast auf dieselbe Höhe angewachsen, aber es ist klar, dass er längerfristig davonziehen wird. Schon jetzt präsentiert er sich als majestätischer Baum, der es versteht, seine wenigen, aber inzwischen schon kräftigen Seitenäste in Szene zu setzen. Er hat sich seinen ganz eigenen Luftraum erobert, breitet die Äste teilweise weiter aus, als ich das von anderen Ginkgos her kenne, strebt aber insgesamt nach einem Gleichgewicht. Auf einer Seite, die weniger Äste hat, fallen diese deshalb kräftiger und länger aus. Alles getragen von einer nahezu kerzengeraden Stammachse, die in den letzten beiden Jahren enorm an Durchmesser gewonnen hat. Nun kann sich der Baum endlich leisten, sein Wachstum auch zur Stabilisierung seiner Basis zu nutzen. Die ersten Jahre waren dagegen noch von einem unbändigen Drang zum Licht geprägt, deshalb das schnelle und damals nicht enden wollenden Vertikalwachstum. Es beruhigt mich, dass er in wenigen Jahren schon ganz ohne stabilisierende Stütze auskommen wird. Die war bis vor einem Jahr noch zwingend notwendig, um ihn bei starkem Wind und Sturmböen vor dem Umknicken zu bewahren. Ich freue mich einfach, dass er sich so wohl fühlt in seiner Umgebung.

Feigenpause

Jetzt ist erst einmal Pause für unsere Feigenernte angesagt. Die bis heute geernteten gehörten zu den ganz früh gereiften Exemplaren. Diejenigen, die „normal“ gewachsen sind, werden noch bestimmt 6-8 Wochen benötigen. Ein ungewöhnlicher Verlauf ist das mit diesen Früchten, so ungewöhnlich wie das ganze Wetterjahr, mit allen Auswirkungen, die das auf die Vegetation und das Wachstum von Nutz- und Wildpflanzen hatte. M. wird sie erst einmal vermissen, kann sich aber auch auf die restlichen, dann zahlreicheren Früchte später im Jahr vorfreuen. Und ich genieße einfach die wunderbar mediterrane Ausstrahlung, die der Baum jetzt durch seine schiere Präsenz, durch das Licht- und-Schatten-Spiel der lappenartigen Blätter hat. Immer noch eine Bereicherung für unsere kleine Gartenbaumlandschaft, die uns noch viele Wochen besondere Freude machen wird.

Pralle Früchte

Über mangelnden Regen werden sich die Landwirte und alle Wetter-Unzufriedenen der letzten Wochen sicher nicht mehr beschweren können. Bei uns sind die angekündigten schweren Unwetter glücklicherweise ausgeblieben, aber Regen hatten wir mehr als genug. Die Regenzisternen sollten vollständig aufgefüllt sein. Aber jetzt sollte der Sonnen-Sommer doch wieder zurückkehren, und die Pflanzen nach dieser feuchten Erholungsphase wieder in ihrer Entwicklung voranbringen. Bei den Nashis kann jetzt schon nichts mehr schief gehen. Der üppige Regen wird die in diesem Jahr ohnehin schweren Früchte noch praller werden lassen.

Nashi-Früchte im Sommer

Das Fruchtfleisch der Feigen

Näher betrachtet sieht es fast so aus, als ob sich im Fruchtfleisch der reifen Feigen Würmer tummeln. Das haben wir so eigentlich noch nie wahrgenommen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass die Früchte dieses Jahr so groß ausfallen. Wenn die Außenhaut noch etwas blauer gefärbt wäre, könnte man sie von gekauften Exemplaren aus der Türkei oder anderen Importländern kaum unterscheiden. Und wie M. sagt, schmecken sie zudem auch gut. Unsere Statistik-Tafel weist bisher 10 allesamt große Früchte aus. Und einige ebenso dimensionierte sind schon am Baum zu sehen. Bis zum Spätsommer, wenn die jetzt noch kleinen ausgereift sein werden, dürfte ein Vielfaches davon zusammengekommen sein.

Ganze Feigenfrüchte
Aufgeschnittene Frucht
Detail einer aufgeschnittenen Frucht

Feigenbaumsommer

Der Garten präsentiert sich an diesen Hitzetagen einfach wunderbar. Eine Idylle, wie ein Besucher es gestern genannt hat. Das kann ich nur bestätigen. Mit am eindrucksvollsten finde ich derzeit den Feigenbaum. Wie das Hochsommerlicht durch seine halbtransparenten Blätter scheint und die Blätter sich gegenseitig Schatten spenden, während sie den ganzen Tag über Licht tanken und die Nährstoffproduktion des Baumes in Gang halten. Und dann diese prallen Feigenfrüchte. Die ganz dicken sind schon so süß, dass sie die Insekten anziehen. Wenn die ersten Fraßlöchelchen zu sehen sind, ist es höchste Zeit, sie zu ernten. So habe ich heute die ersten ganz dicken Exemplare gepflückt. Morgen gibt’s an dieser Stelle ein Foto der aufgeschnittenen Frucht. Vorerst aber einige Impressionen der Frucht am Baum und des eigenwilligen Lichtspiels der großflächigen Blätter.

Reife Feige
Blatt im Gegenlicht
Blattwerk im Gegenlicht

Üppige Baumfrucht

Das sind nun wirklich die heißesten Tage des Jahres. Und unsere Gartenbäume und Blumen fühlen sich dank der guten Pflege und täglichem Gießen mit gesammeltem Regenwasser sichtlich wohl. Na ja, die Sonnenblumen lassen zwischendurch schon mal den Kopf hängen, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass M. sie diesmal in große Töpfe statt in die Erde gesetzt hat. Das mögen sie nicht so, da sie doch sehr durstig sind und ihre Wurzeln lieber tiefer wachsen lassen. Das Fruchttragen ist in diesem Jahr bei den meisten Arten gewaltig, sofern nicht Fröste die Blüte im Frühjahr ruiniert hatten. Bei der Nashibirne musste V. sogar schon Äste stützen, um sie vom Brechen ob der Überladung mit schweren Nashibirnen zu bewahren. Und auch bei unseren Zwetschgenbäume soll es ähnlich aussehen. Ein Übermaß an Frucht, bei dem man meinen könnte, die teils radikalen Ausfälle mancher Vorjahre müssten auf einen Schlag kompensiert werden. Da würde man sich etwas mehr Gleichmäßigkeit wünschen und nicht diese Extrementwicklungen, die manche Freude an der Arbeit mit den Obstbäumen auch schon mal eintrüben kann.

Ständige Begleiter

M. und V. finden es am Nachmittag hinterm Haus schon zu warm, wenn die Sonnenstrahlen dorthin gerichtet sind. Für mich ist es noch ganz gut erträglich. Und eigentlich mag ich es sehr, bei solchem Wetter dort zu sitzen und meiner kunsthandwerklichen Arbeit nachzugehen. Genau die richtige Arbeit für heiße und irgendwie traumwandlerisch anmutende Hochsommertage. Die Szenen ähneln sich von Jahr zu Jahr. Vielleicht ist nur das Davor und Danach jeweils anders. Aber wenn der Sommer an seinem Höhepunkt angekommen ist, dann weiß man das einfach. So wie in diesen Tagen, in denen, ich formuliere das ganz gerne so, die Zeit stillzustehen scheint. Neben den Feiertagen sind solche Lebenszeiten für mich mit die wichtigsten überhaupt, um eine nicht in den Alltag verwobene Reflexion zu pflegen. Um wirkliche Fortschritte zu machen, ist das glaube ich unverzichtbar. Urlaub im üblichen Sinne muss es aber nicht sein und ist es für mich ja eigentlich auch seit mindestens 13 Jahren nicht. Meine ständigen Begleiter, ganz konkret in Form der lebenden Individuen ums Haus und außerhalb, aber auch symbolisch durch die vielen Beschäftigungen mit dem Thema, sind gerade zu diesen Zeiten die Bäume meiner Lebenswelt. Geeignetere Partner kann ich mir kaum vorstellen.

Detailarbeit zahlt sich aus

Das neu aufkommende Hochsommerklima ist idealer Rahmen für die anstehende Holzarbeit. Erneut ein Zürgelbaum und außerdem ein Armband aus vier verschiedenen Hölzern. Das verspricht spannend zu werden. Und bei der Wärme und dem Licht geht die filigrane Arbeit ohnehin leicht von der Hand. In Sachen Relaunch des Baumtagebuchs bin ich heute ein gutes Stück vorangekommen. Zwar nur ganz kleine Nuancen, aber an denen hängt eben die Souveränität des Entwurfs, vor allem, wenn er länger haltbar sein soll, wie in diesem Fall. Es sieht ganz nach einem Ansatz aus, der klar genug ist, aber auch offen genug für Erweiterungen. Dabei kommt auch das illustrative Element nicht zu kurz. Die Arbeit am Detail hat sich gelohnt. Jetzt muss das Ganze aber auch noch inhaltlich weiter ausgebaut und konkretisiert werden, bevor die Mammutarbeit an der Übertragung der mehrere Tausend Einträge beginnt.

Ungeliebte Zypressenhecke

So richtig wie Juli fühlt sich das in diesen Tagen nicht an. Aber die Arbeiten sind dennoch die gewohnten. V. hat heute die Zypressenhecke geschnitten. Anschließend haben wir den Grünschnitt zusammengerecht und in große Säcke verfüllt. V. wird das irgendwann beim Bienenhaus häckseln und seinen Kompost damit auffüllen. Gut gerochen haben die frisch geschnittenen Äste. Obwohl ich diese blaugrüne Zypressenart nicht besonders mag und die ganze Hecke lieber gar nicht sehen würde. Das war damals ein Schnapsidee gewesen. So viel an Kommunikation über den vormaligen Gartenzaun mit den Nachbarn ist dadurch verloren gegangen. Merkwürdige Tendenzen der Absonderung, die eigentlich keiner will und die sich dennoch entwickeln. Immerhin war die kurze Begegnung mit meinem Jugendfreund beim Zusammenrecheln jenseits des Zauns Anlass zu einer Reminiszenz: Das heute noch sichtbare ausgetretene Element des Maschendrahtzauns war damals meine Steigleiter, wenn ich den Freund besuchen wollte, und natürlich beim Weg wieder zurück. Das dürfte zuletzt vor über 35 Jahren gewesen sein.

Unspektakuläre Zwischenzeit

Die Hartriegel haben schon ihre Fruchtstände ausgebreitet. Die Früchte selbst sind aber noch ganz hart und grün. Ähnlich präsentiert sich die übrigen Baum- und Strauchlandschaft. Nicht sehr viel Spektakuläres ist derzeit zu beobachten. Mehr so ein üppiges Grünen, begünstigt durch die Regenfälle der letzten Tage. Mit der Sonne wird sich bei den Baumfrüchten in den kommenden Wochen aber sicherlich wieder mehr bewegen. Am meisten Freude machen wir die wenigen, aber umso beachtlicheren Feigen unseres kleinen Baums. Zwei sind schon geerntet, zwei besonders prächtige Exemplare werden in wenigen Tagen folgen. Und dann können wir uns auf zahlreiche der neu gewachsenen im Spätsommer freuen. M. sagt, dass die erste der diesjährigen Ernte richtig süß geschmeckt habe, erstaunlich. Aber das ist ohnehin ein verrücktes Jahr. Hoffentlich werden wir noch etwas Spättracht von unseren Bienen erhalten. Insgesamt war das sehr mager, aber die Qualität insbesondere des zuletzt geschleuderten ist sehr gut. Immerhin für den Eigenbedarf wird es bis zur nächstjährigen Saison ausreichen.

Die erste reife Feige

Das ist wirklich außerordentlich. Trotz des Dauerregens und der fehlenden Sonne in den letzten Tagen habe ich heute tatsächlich die ersten reifen Feigen an unserem Baum entdeckt. Das gab es in den vergangenen Jahren so früh noch nie. Eine der reifen Früchte konnte ich auch schon pflücken, die Nummer Eins in unserer diesjährigen Strichliste. Und einige weitere haben sich beim Drücktest als so weich herausgestellt, dass sie in den nächsten Tagen ebenfalls fällig sind. Darunter zwei richtig dicke Exemplare. Natürlich handelt es sich um solche, die bereits vor etwa zwei Monaten am Baum erschienen sind. Wir hatten uns sehr darüber gewundert, dass derart frühzeitig schon Früchte entstanden sind. Die haben sich aber danach wochenlang praktisch nicht verändert, waren lange einfach grün und hart. Und jetzt haben sie sich in wenigen Tagen so weit verändert, dass sie ausgereift sind. M. wird das erste Exemplar heute Abend testen. Ich bin sehr gespannt, ob sie schon süß schmeckt. Eigentlich kann ich mir dieses frühe Reifen nur so erklären, dass der Baum im Vorjahr, in Verlaufe dessen keine einzige Frucht mehr ausreifen konnte, bestimmte angelagerte Nährstoffe in seinem Wurzelstock überwintert hat, die dann im Frühjahr sofort zur Verfügung standen und dieses sehr frühe Fruchten befördert haben. Also quasi eine nachträgliche Kompensation für das missglückte Vorjahr. Es ist so, wie V. es treffend formuliert hat: Dieser Feigenbaum ist ein Phänomen. Schon fast totgesagt – wir hatte ja tatsächlich keine Hoffnung mehr, dass er sich nach den heftigen Winterschäden und dem radikalen Rückschnitt noch einmal würde erholen können – und nun präsentiert er sich in allen seinen Ästen vitaler als jemals zuvor. Ich hoffe, das hält an und der Baum wird sich wieder kräftigen, um den extrem wechselhaften Wintern künftig besser trotzen zu können.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.