Strukturen im Winterlicht

Die wundervolle Helligkeit haben heute viele genossen. Das konnte ich auf meinem Lieblingswanderweg am Fluss entlang beobachten. Dabei war es sicher hilfreich, dass wir uns seit Tagen auf das Licht einstimmen und die Stimmung darin aufhellen konnten. Sich dann bei solchem Wetter, zwar kalt und windig, aber extrem sonnenreich, draußen in der Landschaft bewegen zu können, ist ein Gewinn für das Wochenende. Wenn es irgendwie möglich ist, will ich die Gelegenheit in kleinerem Umfang auch noch Anfang kommender Woche nutzen. Wie immer um diese Zeit des Spätwinters finde ich es besonders spannend, die ersten Wachstumsregungen bei den Bäumen festzuhalten, hier die neuen, sich farblich deutlich absetzenden Jungtriebe der Kopfweiden und die Kätzchen der Erlen neben den noch vom Vorjahr übrig gebliebenen geöffneten Zapfen. Und dann sind die Oberflächen der Baumrinden, hier von einer Wildkirsche, und verschiedene Strukturen bearbeiteter Hölzer bei diesem Licht interessant, z. B. bei den noch vom Herbst liegen gebliebenen Stämmen, deren Schnittflächen sie als Brennholzlose kennzeichnen und die schon leicht von Pilzen befallen sind. Oder bei den Stapeln ebenfalls schon aufgequollener und von Pilzen heimgesuchten Sperrholzplatten, die auf der naheliegenden Baustelle aufgestapelt liegen. Gerade solche Strukturen zählen zu den reizvollsten.

Weidenruten
Erlenblüte
Kirschbaumrinde
Brennholzlos I
Brennholzlos II
Verwitterte Sperrholzschichten

Baumsymbolische Erfahrungsschätze

Das neuzeitliche Konstrukt des keltischen Baumkalenders beschäftigt mich auf die eine oder andere Art immer wieder aufs Neue. Heute war es Ms Wunsch, ihr Texte zu den symbolischen Implikationen der Zypresse und der Kiefer mitzugeben, für die sich eine Freundin interessiert hat, weil die eine demnächst in ihrem Garten gefällt werden soll, was sie sehr bedauert, und die andere ihr Lebensbaum ist. Zu den Ausschnittkopien aus der Baumliteratur habe ich zu den Unterlagen meine Siebenzeiler zu diesen beiden Bäumen gelegt, die in Verbindung mit der Lektüre wahrscheinlich verständlich werden können, auch wenn ich sie damals unter dem Eindruck einer großen Fülle durchgearbeiteter Baumliteratur verfasst hatte und darin wohl vieles durchscheint, was nur nach längerer Beschäftigung mit dem Thema verständlich wird. Da die keinen Texte aber eher lyrischen Charakter haben, kann man sie auch intuitiv erfassen und Fehlendes aus der eigenen Erfahrung und dem eigenen Empfinden gegenüber den Baumarten für sich selbst und individuell ergänzen. Auch die nachträgliche Rückmeldung zu diesem Thema zeigt mir, dass die Baumsymbolik Emotionen und Interesse daran wecken kann, sich näher mit dem zu befassen, was uns in der Begegnung mit und in der Reflexion über die Bäume an Bereicherung widerfahren kann.

Subjektive Stimmung in zeitloser Symbolik aufheben

Die vier letzten Armbänder konnte ich heute abschließen. Wie so vieles andere kam mir der Prozess diesmal langwieriger als gewöhnlich vor. Dabei ist es nicht selten, dass 4-5 Exemplare gleichzeitig in Produktion sind. Vielleicht ist es die merkwürdige Verzögerung und Zähigkeit, die seit Anfang des Jahres schon alle Kommunikationen und Abläufe durchzieht und die bisweilen zum vollkommenen Stillstand zu führen scheint. Ein Schein zwar, aber auch nüchtern betrachtet ist die Atmosphäre nicht gerade von Aufbruchstimmung und Zuversicht geprägt. Die Holzarbeit ist das beste Mittel, diese Dinge zu neutralisieren. Denn in der Ausstrahlung, Energie und symbolischen Stärke der Hölzer und zugeordneten Bäume werden diese subjektiven Stimmungen und Befindlichkeitseinschätzungen aufgehoben.

Pflanzen im Winterlicht vorziehen

Nun wird es doch noch richtig kalt. Wohl zum ersten Mal in diesem Winter, den wir schon hinter uns glaubten. Aber die Sonne bietet uns einen guten Ausgleich, so dass man sich mit der Temperatur anfreunden kann. Hauptsache Licht und kein Regen. Die Sonnenstundenbilanz dieses Februars sollte dann auf Grund dieser langen Lichttage deutlich überdurchschnittlich für die Jahreszeit ausfallen. Auch das ein Ausgleich für endlos erscheinende Dunkelheit seit Anfang Dezember. Ich überlege, jetzt schon meine Pflanzenzuchtpläne auf der Fensterbank umzusetzen. Bei so viel Licht sollten die Samen im Warmen eigentlich gut keimen. Und gerade die Chilis, aber auch andere Blütenpflanzen, wie die Schwarzäugige Susanne, die ich im Vorjahr auf diese Art aufgezogen habe, brauchen ohnehin sehr lange, bis sie sich nennenswert ausgewachsen haben. Natürlich für draußen ist es noch zu früh, aber die kleinen Pflänzchen noch vielleicht sechs Wochen bei regelmäßigem Wässern hinter dem wärmenden Scheibe zu lassen, ist wahrscheinlich eine gute Vorbereitung. Zu meiner Überraschung hat V. den Hauptstamm des alten Feigenbaums tatsächlich knapp über der Wurzel abgesägt und nur zwei dünne aus dem Wurzelstock ausgetretene Triebe stehen lassen. Aber ich denke, das hat jetzt keinen Sinn mehr. Wir werden ihn wohl demnächst vollständig entfernen, um in wärmeren Frühlingstagen Platz für den Nachfolger zu schaffen.

Feigenbaumzögling

Dem kleinen Feigenbaum haben wir heute die abgestorbene Spitze vorsichtig gestutzt. Wahrscheinlich werden wir später im Jahr den unteren der beiden seitlich neu entstandenen Äste kappen, um den verbliebenen als Haupttrieb weiterwachsen zu lassen. Das wird notwendig sein, wenn der Baum sich nicht schon in jungen Jahren mit gegabelten Kronenästen entwickeln soll. Das hat in der Vergangenheit immer dazu geführt, dass die Bäume instabil wurden und an der Verzweigungsstelle irgendwann auseinandergerissen waren. Es ist gerade bei dieser Art wichtig, die Ausbildung eines kräftigen und langen Stamms zu begünstigen und die Wachstumskraft nicht zu früh in die Krone zu verlieren. Auch V. scheint mit dieser Strategie einverstanden zu sein, und hat bei unserem Gespräch über das Schicksal der alten Baums zumindest keinen deutlichen Widerstand mehr gezeigt.

Früher Rückschnitt

V. hat heute seinen geliebten Nashi-Birnbaum geschnitten. Das ist zwar immer nötig, so wuchsfreudig, wie der sich über die warme Jahreszeit zeigt. Aber es scheint mir doch etwas zu früh, da wir immer noch mit empfindlichen Nachfrösten rechnen müssen. Leider wird der Baum trotz des jährlichen Rückschnitts immer höher. In Verbindung mit dem üppigen Laub nimmt er den direkt nebenstehenden Pflanzen dann das Licht. Das war immer schon das große Problem des alten Feigenbaums, der bei dem Versuch, doch noch genügend Licht zu tanken, meterlange Asttriebe ausbilden musste. Dabei hat er sich zuletzt verausgabt, was ihn noch mehr geschwächt hat. Leider werde ich ihn dieses Frühjahr entfernen müssen, eine Rettung ist sicher nicht mehr möglich. Ich hoffe sehr, dass der kleine Nachfolger eine Chance erhält und möglichst schnell in die Höhe wächst. Dann könnte das Problem mit dem Halbschatten abmildern.

Erste Pläne zur Pflanzensaat

Der Bauernkalender macht jetzt schon darauf aufmerksam, dass die ersten Pflanzen auf der Fensterbank aus Samen vorgezogen werden können. Wahrscheinlich ist das eine Standardempfehlung, die von „normalen“ Wetterjahren und jahreszeitlichen Verläufen ausgeht. Möglicherweise ist das in diesem Winter anders. Jedenfalls sieht es aktuell so aus, als ob durchaus noch längere Phasen mit frostigen Nächten und kalt-nassen Tagen bevorstehen. Für das, was ich mir an Eigenzüchtungen vorgenommen habe, ist wohl der März noch früh genug. Ich denke vor allem an die Chilisamen, die ich im Vorjahr gesammelt und getrocknet habe. Die Ausbeute an Schoten war ziemlich gering, aber es sind doch ziemlich viele Samen, so dass ich diesmal mehr aussähen und hoffentlich auch ernten kann. Die extravagante Schärfe dieser Sorte hat es mir durchaus angetan. Die anderen Samen werde ich wohl eher direkt in die Erde setzen, und das natürlich deutlich später: Sonnenblumen und Rizinus sind recht unempfindlich und wachsen schnell. Dafür muss es dann doch stabile frostfrei sein und der Frühling muss schon in vollem Gange sein. Bei den Chilis ist das frühzeitige Säen sicher von Vorteil, auch wenn die Pflanze sehr spät wirklich in Fahrt kommt und sehr spät erst reife Frucht trägt. Im Frühjahr steht dann noch ein anderes, aufwändigeres Projekt an: M. will die entfernte Zypressenhecke ausgleichen. Dafür müssen wir noch geeignete Gehölze finden, die sich nicht allzu stark ausbreiten. Eine schwieriges Vorhaben, von dem ich nicht weiß, ob am Ende nicht doch wieder die vorübergehende Bepflanzung mit Sonnenblumen und Schwarzäugiger Susanne steht, die dann jedes Jahr wieder erneuert werden müsste.

Im richtigen Licht festhalten

Das Licht heute war wieder verlockend, aber die lange aufgeschobene Spannungslektüre hat mich dann doch von der Exkursion abgehalten. So habe ich die Helligkeit und das Wärmende der einfallenden Sonnenstrahlen auch drinnen genossen und meine Gedanken schon einmal in Richtung der nächsten Landschaftsstreifzüge gelenkt, die hoffentlich Gelegenheit bieten, die ersten Anzeichen des Frühlings in Fotos festzuhalten. Die neueren Bilder vom Frühjahr 2017, von gesägten Stammquerschnitten vor allem, die den Einzug in meine Portfolios gefunden haben, flinden jedefalls aktuell zunehmend wieder Interessenten. Ein zeichen für mich, dass ich mit meinen Kernmotiven aus den Feldern Baumdetails, Holzstrukturen und organische Oberflächen richtig liege. Denn die sind immer wieder als Gestaltungsgrundlage, Hintergrund oder Symbolgeber geeignet und beliebt. Gut, dass ich den besonderen Blick dafür habe, um solche Ausschnitte und Momente in der Landschaftsszene auch ausfindig zu machen und im richtigen Licht festzuhalten.

Die Einheit des Differenten vergegenwärtigen

Für mich gibt es keine bessere Strategie bei miesem Wetter, als das fehlende Licht und den Mangel an Wärme durch Holzarbeit im Haus auszugleichen. Die ohnehin ablenkungsfreie Arbeit ist an solchen Tagen noch intensiver. Da kann ich mich ganz dem Material, seinen Eigenschaften und der Art seiner Bearbeitung widmen. Ein Abtauchen in die Material-, Energie- und Symbolwelt der Hölzer und zugehörigen Bäume. Eine Art Meditation, die sehr geeignet ist, auf den Nullpunkt zurückzukehren. Manche nennen das Erdung, die für mich durch nichts so authentisch und intensiv wirkt wie in der Arbeit mit Hölzer und Bäumen. Es ist dies eine der spannendsten Dimensionen der Winterzeit, weil es die andere Seite des Offensichtlichen offenbart. Dass im Kalten und Dunklen immer auch das Warme und Helle angelegt ist, das zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen wieder zu Vorschein kommt. Obwohl wir das eigentlich wissen, ist doch immer wieder notwendig, sich diese Vorstellung einer Einheit des Differenten zu vergegenwärtigen. Wir sehen dann letztlich uns selbst, unsere menschliche Verfassung in dieser Erkenntnis gespiegelt.

Licht auftanken

Eigentlich hatte ich das für heute nicht geplant. Aber nachdem schon die Mittagsstunde wegen der anhaltenden Sonne zu einem Spaziergang einlud, war auch der Nachmittag wie gemacht für die kunsthandwerkliche Arbeit. Bei so viel Licht hat die Arbeit mit Kiefer, Bergahorn, Birke und Walnussbaum wirklich Freude gemacht. So bin ich, von der immer wieder herausfordernden Kiefer einmal abgesehen, mit den restlichen Stäben auch sehr zügig vorangekommen. Eine gute Grundlage für die weiteren Bearbeitungsschritte, die ich auf die nächste Woche verteilen werde. Und schließlich wissen wir, dass der Winter noch einige ungemütliche Seiten parat hat. Auch denen ich auf dem Spaziergang begegnet bin, konnte man ansehen, wie süchtig sie nach dem Licht sind und wie gut das Auftanken dann tut.

Gestaltungspläne

Selten hatte mich die Technik derart in ihren Bann gezogen. Dabei sind nicht selten knifflige Probleme zu lösen, deren Lösung eine Erleichterung darstellen, was häufig ein langer Weg ist. Eigentlich wäre es auch für die Wunschbaumpräsenz an der Zeit, eine gute neue Lösung zu finden. Ich hoffe, das wird in den nächsten beiden Jahren möglich sein, denn das ist auf Grund des Umfangs natürlich eine zeitaufwändige Sache. Auch weil mit einer Neugestaltung gleichzeitig auch die Inhalte unter aktuellen Gesichtspunkten noch einmal überarbeitet werden sollten. Das braucht, gerade wegen der längeren Geschichte dieser Initiative die richtige Einstellung und einen langen Atem, an dessen Ende sicher eine gelungene Neuauflage stehen wird.

Den Frühling herbeisehnen

Wieder ein so schöner und heller Wintertag. Da macht es wieder Freude, raus zu gehen, auch wenn die Baumlandschaft immer noch ihre Reize vermissen lässt und die Wege noch ziemlich matschig sind. Allein die Helligkeit ist eine Wohltat nach diesen vielen Monaten mit ungewöhnlich viel Regen und Dunkelheit. Ich warte auf die ersten Farbakzente, die ersten frisch grünen Blätter der Bäume und Sträucher. Erst dann wird das Licht seine ganze Stärke entfalten, wenn es sich in den Farben von Blättern, und frühen Blüten spiegelt. Selten habe ich einen Frühling so sehr herbeigesehnt.

Luxusgespräche

Kaum ist das Licht zurückgekehrt, begegne ich draußen auch alten Bekannten. Solchen, mit denen mich das Spazierengehen auf Lieblingswegen verbindet. Auch wenn bei solchen Begegnungen nicht viel geredet wird, merkt man in den Momenten doch eine Art unausgesprochenen Gleichsinn, eine durch den gemeinsamen Zug nach draußen geknüpfte Verbindung, die wohl ohne diesen Gleichsinn niemals entstanden wäre. So ist das Baumthema in den letzten beiden Jahrzehnten für mich immer auch ein Kommunikationsstifter gewesen. Die Verbundenheit über ein zeitloses Themenfeld und gemeinsames Interesse in diesem Bereich ist echter und anhaltender als andere Formen. Ich schätze das sehr, wie ich auf der anderen Seite den Schwund zweckloser Kommunikation nur zutiefst bedauern kann. Es ist heute tatsächlich keine Selbstverständlichkeit mehr, eher eine Art Luxus geworden, sich einem Gespräch um des Gesprächs und des gemeinsam liebgewonnenen Themas willen zu widmen.

Die im Licht wieder zum Leben erwachen

An der Sonne und dem zum Teil schon gleißenden Licht konnte man heute bereits eine Vorahnung vom Frühling haben. Auch wenn die Temperaturen noch gar nicht frühlingshaft ausfallen und die Nächte sogar grimmig kalt werden können. Aber im Licht betrachtet geraten auf einmal auch die Bäume wieder ins Blickfeld und werden als lebendige Wesen wieder aktuell, nachdem der Winter monatelang von symbolartigen Zugängen zum Baumthema geprägt war. Dann macht auch die Arbeit mit Holz wieder mehr Freude, weil das Licht eine stärkere Beziehung zum Holz hat und all die Energie, die in ihm steckt und die es aus den Lebzeiten des Baumes in sich aufgenommen hat, erst im Licht zum Leben erwacht. Ein Vorteil bei der Bearbeitung und für das gedankliche Durchdringen der Arbeiten. Also ein Anfang, von dem ich hoffe, er wird bald auch in ausgedehnten Spaziergängen, fotografischen Erkundungen und einfacher Beobachtung der sich frühlingshaft verändernden Baumlandschaft seine Fortsetzung finden.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.