Dieser Tag hatte einen eigentümlich abwesenden Charakter. Der Tag an sich und vor allem ich, der ich nicht so richtig zu mir kommen wollte. Ich hoffe, das ändert sich schnell. Aber gerade an solchen Tagen, die die Routine unterbrechen, kommen manchmal ungewöhnliche Gedanken und Themen zum Vorschein. In diesem Fall war es die Frage, wo Ms Vater, mein Opa, den ich nie kennengelernt habe, im 2. Weltkrieg gefallen ist. Und im Zusammenhang damit der Wunsch Ms, diesen Ort selber einmal aufzusuchen. Im Kaukasus, so heißt es, sei dieser Ort zu finden, und es ist auch ein Ortsname bekannt, der aber in dieser Schreibweise heute nicht mehr gültig ist und in ähnlicher Schreibweise gleich vier Mal vorkommt, darunter nur einmal in Russland und mehrmals in anderen Republiken, wie der Ukraine. Nun ist also zunächst unklar, wo sein Grab genau gefunden werden kann und wir werden über die Deutsche Kriegsgräberfürsorge versuchen, Näheres heraus zu finden. Ich wünsche es M. sehr, dass sie darüber Gewissheit gewinnt, und dass sie sich ihren Wunsch auch erfüllen kann. Ich will mich bemühen, sie dabei zu unterstützen, so gut es geht. Denn ,,Heimatsuche“, wenn auch in einem abstrakteren Sinne, ist auch für mich ein Thema, dieses Gefühl, noch nicht angekommen zu sein, von etwas Wichtigem abgeschnitten zu sein. Für M. war das besonders schlimm, da sie einige Jahre später auch noch ihre Mutter verloren hatte, ein Verlust, der nie mehr zu ersetzen ist. Und auch ich bedauere sehr, die beiden Großeltern nicht erlebt zu haben. Wer weiß, wie das unser aller Leben beeinflusst hätte. Zu meinen sonstigen Verwandten verbindet mich nämlich nicht allzu viel. Möglicherweise ist diese Gräbersuche für uns ein Weg, Verlorenes und nie wirklich Erlebtes zumindest symbolisch zurückzuholen.