Es ist recht schwer, den baumsymbolischen Gedanken aus der Novelle ,,Die Judenbuche“ herauszuarbeiten, die Annette von Droste-Hülshoff im Jahre 1842 veröffentlicht hat. In einer abgelegenen ländlichen Gegend Westfalens ermordet Mitte des 18. Jahrunderts Friedrich Mergel im Streit den Juden Aaron und flieht. Dies geschah unter einer alten ausladenden Buche, in deren Stamm dessen Glaubensgenossen die Inschrift anbringen: >>Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.<< Ebenso geschieht es: 28 Jahre nach seiner Flucht erhängt sich Mergel an eben dieser seitdem so genannten Judenbuche. Derselbe Baum war stiller Zeuge einer Bluttat. Viele Jahre später ist er Schauplatz des Schuldbekenntnisses, ohne dass dem Schuldigen noch der Prozess gemacht werden konnte. Ich denke, die Art spielt in dieser Symbolik keine Rolle. Jedenfalls kann ich die Buche nicht mit Begriffen wie Schuld, Sühne, Rache, Wahrheit in Verbindung bringen. Es geht wohl mehr um den Baum, der lange Zeiträume unverrückbar überlebt und das Treiben der Menschen gewissermaßen beobachtet. Dem Täter bietet er die Möglichkeit, sich zu bekennen und gleichzeitig den noch Lebenden eine klare Gewissheit zu hinterlassen. Der Baum also als Mit-Lebewesen, das sich menschlichen Schwächen gegenüber neutral verhält, sich gleichzeitig als Schauplatz von Schuld und Sühne zur Verfügung hält. Bei mir hinterlässt das ein merkwürdiges Gefühl, da ich den Baum in der Regel mit bereichernden, Energie vermittelnden Kräften in Verbindung bringe. Aber natürlich: Es gab in früheren Jahrhunderten auch Gerichtsbäume und Bäume, an denen Feinde und Verbrecher aufgehängt wurden. Vielleicht ein Thema, das so brisant ist, dass es sich gut im Rahmen des großen Themas ,,Lebensbäume“, eng geführt am Beispiel der Todesassoziationen, aufbereiten ließe. Ich hoffe, dieses Jahr endlich dazu zu kommen, meine Arbeit am Lebensbaumbegriff weiter zu führen.