Die Idee hinter dem Kulturgarten

Es ist eigentlich seltsam, und doch erkenne ich es immer wieder in der eigenen Beobachtung. Wenn die Natur aufgeräumt und geordnet wurde, wirkt sie anschließend umso eindrücklicher. So geht es uns heute wieder mit dem gestern so schön und sauber in Form gebrachten Garten. Die Efeuhecken geschnitten, das Unkraut fast vollständig entfernt. Die freien Erdstellen geharkt und eingeebnet. Aus der Form geratene Aststrukturen zurechtgestutzt. Wild durcheinander gewachsene Blumen stärker sortiert. Ein Kulturgarten im Ergebnis, und doch einer, der natürlicher wirkt als zuvor. Ein Paradox, das vielleicht damit zusammenhängt, dass das einzelne Element, die singuläre Pflanze dann stärker abgegrenzt und eindeutiger unterscheidbar ist. Der Garten als Konglomerat einzelner Pflanzenindividuen. Und die Flächen, z. B. der Wiese, sind die Kulisse für diese Einzelobjekte. Man geht dann durch den Garten wie durch ein Museum. Und tatsächlich, wenn diese wohlgeordnete Form wieder durch das Wachstum der Pflanzen aufgelöst erscheint, wächst der Drang, die Ordnung erneute herzustellen. Wir sind ebenso stark von dieser Kulturidee geprägt, gerade in Bezug auf die Natur, dass uns das Ausbleiben ordnender Eingriffe wie eine Sünde erscheint, eine Art Versagen. Ich denke, es steckt auch etwas Psychisches dahinter. Dass man nämlich sich selbst einbringen will, die eigene Individualität in Leben und der Entwicklung der Pflanzen gespiegelt sehen will. Gerade in diesem sich Einbringen scheint der eigentliche Wert des als natürlich Wahrgenommenen aufgehoben zu sein.