Seit dem 20. November 2004 habe ich an jedem Tag genau einen neuen Beitrag für das Baumtagebuch geschrieben und veröffentlicht. Ein Tagebuch im ganz wörtlichen Sinne :-). In der Summe sind dies:
10 Jahre oder 3652 Tage oder 521 Wochen und 5 Tage
Baumtagebuch – Der Anfang
Tatsächlich kann ich rückblickend nicht mehr sagen, woran genau sich der Funke entzündete, der mich zum Schreiben des Baumtagebuchs veranlasste. So ist das ja häufig. Dinge, die eine wesentliche Rolle im Leben spielen, sind irgendwann einfach da, wirken schon kurze Zeit später wie selbstverständlich und werden oft von außen so gedeutet, als ob sie schon immer zu einem gehört hätten, wie ein Markenzeichen. Zwar wissen inzwischen viele, dass ich Baumtagebuch schreibe. Dass ich das aber konsequent täglich tue und seit dem 20. November 2004 keinen Tag ausgelassen habe, können sich die meisten wohl nicht vorstellen. Wenn ich den Anfang rekapituliere, so fällt mir natürlich meine damals schon mehrjährige Beschäftigung mit der Symbolik und Ästhetik der Bäume ein. Die Wunschbaumseite www.wunschbaum.de bestand schon und hatte damals schon ihre erste Revision hinter sich, auch der virtuelle Wunschbaum und die Inhaltsstruktur, wie sie noch heute besteht. Ebenso war das kunsthandwerkliche Projekt, das ich seit 2001 unter www.wunschbaum.com veröffentlicht und später als Wunschbaum-Shop bezeichnet habe, schon Bestandteil meiner täglichen Arbeit und meiner Reflexionen rund um die Bäume. Warum aber ein Baumtagebuch? Nun, wahrscheinlich hatte ich den Eindruck, dass noch eine Facette fehlte, neben meinen Texten über die Symbolik der Bäume, den Lebensbaumbegriff und die Bedeutung der Bäume in Feiertagsritualen und -bräuchen. Neben den Lebensbaum-, Wunschbaum- und Partner-Armbändern, die eine plastisch ausgearbeitete Form darstellen, die Energie und Persönlichkeit einzelner Baumarten mit der eigenen Biografie und Befindlichkeit in Verbindung zu setzen und täglich am eigenen Körper zu erleben. Und nach der langjährigen bildhauerischen Auseinandersetzung mit formalen und inhaltlichen Fragen, die in den Bäumen Archetypen des Lebens schlechthin erkannt und zum Ausdruck gebracht haben. Ein Baumtagebuch als geschriebene Form spontaner Gedanken rund um das Erleben der Bäume und ihrer Bedeutung für das Leben der Menschen und speziell meines Lebens, als eine Form, die am Ende jeden Tages der momentanen Eingebung, dem frischen Eindruck des Tages folgt und daraus einen Text formt. Es sollte gerade dieses Momenthafte sein, das im Baumtagebuch seinen Ausdruck findet, um eine Lücke in der Baumerfahrung zu schließen, die ich wohl intuitiv wahrgenommen hatte. Und warum nun gerade der 20. November als Startdatum? Ein Blick in den ersten Eintrag gibt dafür Anhaltspunkte. Es geht darin um das traditionelle Schneiden von Fichtenzweigen in unserem eigenen Waldstück, von Zweigen, die M. in verschiedenen Weihnachtskränzen und -gestecken verarbeitet hat und das bis heute tut. Es geht um das Aussuchen des Weihnachtsbaums aus dem damals schon sehr hochgewachsenen Fichtenbestand. Und es geht um die Eindrücke bei einer Weihnachtsausstellung im Blumenhaus W., die mich mit ihren exotischen Exponaten und ihrer stimmungsvollen Aura in ihren Bann gezogen hat. Weihnachten als christliches Familienfest und die Bedeutung der Bäume für Weihnachten und die Adventszeit waren also der Rahmen.
Baumtagebuch – Ein Ausblick
Wahrscheinlich war es diese symbolträchtige Verbindung, die mir den Impuls für das Baumtagebuch gegeben hat. Dass es dann am nächsten Tag, in den darauffolgenden Tagen und seitdem an jedem Tag eine Fortsetzung finden würde, das war mir vielleicht damals noch nicht absehbar und erscheint mir Rückblickend fast unwahrscheinlich. Ich bin nun sehr froh, das umgesetzt zu haben, 10 Jahre Baumtagebuch. Eine Rechnung ist mir dabei in den Sinn gekommen: Wenn ich das 50. Jubiläum des Baumtagebuchs erleben wollte, müsste ich das hohe Alter von 87 Jahren erreichen. Na ja, durchaus im Rahmen der stetig steigenden durchschnittlichen Lebenserwartung.
Eine Auswahl aus 10 Jahren Baumtagebuch
20. November 2004
Beginn der Weihnachtszeit
Am Vormittag in unserem Waldstück bei Fitten mit V. Fichtenzweige für die Weihnachtskränze und -gestecke geschnitten. Bei der Gelegenheit auch gleich einen Baum als Weihnachtsbaum ausgesucht, aber noch nicht gefällt. Die Fichten werden immer höher, nur noch die Spitze ist zu verwenden. Dieses Jahr wirklich schwierig, Äste zu finden, die einigermaßen flach gewachsen sind, meist stehen die Zweigenden kreuz und quer ab.
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15. August 2006
Üppig
Ich gehöre zu den Glücklichen, die Mariä Himmelfahrt als Feiertag auch wirklich wahrnehmen können, weil er im Saarland gesetzlich und somit frei ist. Ein Frei-Tag mitten in der Woche hat seinen ganz besonderen Reiz. Feiertage sind für mich immer etwas besonderes, sie strahlen eine Atmosphäre aus, die mit ,,normalen” Tagen nicht vergleichbar ist. Und meist gelingt es mir auch, ihren jeweiligen Sinn zu vergegenwärtigen und für mich erfahrbar zu machen.
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26. Oktober 2008
Stillwerden im Außen
Das war ein ruhiger Herbsttag. Manche sagen, der letzte angenehme dieses Jahres, aber daran glaube ich nicht. Jede Jahreszeit hat ihre Reize. Und der November gehört eben zu meinen geheimen Lieblingen. Mein Geburtstag liegt nicht von ungefähr in dieser Zeit, genau in der Mitte der ,,Eibenphase”. An meiner Befindlichkeit kann ich die Attraktion des Novembers leider nicht festmachen. Es ist mehr die eigentümliche Atmosphäre, das Übergängige, der Umbruch, das Eine geht zu Ende – das Neue kommt.
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31. Januar 2010
Wachstumsringe
Der Spaziergang durch den hohen Schnee war am Nachmittag von einem wunderbaren Licht der tief stehenden Sonne gekrönt. Allein dafür hat sich der Gang gelohnt, zumal wir nach Monaten von Lichtabstinenz Nachholbedarf haben. Die Fotos meiner frisch gefschliffenen Baumscheibe sind teilweise ganz gut gelungen, wenn es auch schwierig ist, diese Scheibe vollständig in guter Qualität abzubilden.
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12. September 2012
Ernteprognose und Herbstzeichen
Für unsere Weintrauben wäre es schon besser, wenn gerade diese letzten Wochen vor der Lese wirklich sonnig ausfallen würden. Der zwischenzeitliche Regen kann zwar nicht schaden, aber tagsüber würde mehr Sonne dem Zuckergehalt guttun und den Jahrgang zu einem wahrscheinlich guten werden lassen. Jetzt hängt es davon ob, ob das Licht bald zurückkehrt und wie lange es bleibt. Die Bäume haben sich dagegen längst auf den Herbst eingestellt. Sie wissen, dass ihr Wachstumshöhepunkt überschritten ist. Während bei den meisten derzeit noch das Chlorophyll dominiert, haben andere schon mit dem Abbau begonnen.
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20. März 2014
Lichtgesättigter Frühlingsanfang
Zum Frühlingsanfang wurden wir mit einem wirklich schönen Sonnentag belohnt. An solchen Tagen zieht es mich zum Fotografieren. So war der alte Güterbahnhof erneut mein Ziel, und dort vor allem die Oberflächenstrukturen von Holz, Beton und Stahl. Nicht wirklich berechenbar sind die Wirkungen. Was vor Ort eindrücklich und besonders kontrastreich aussieht, kann im Bild trotz technischer Perfektion doch unattraktiv daher kommen.
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31. Mai 2005
Blütenschönheit
Schön, dass heute die Sonne etwas herauskam und ich einige Versuche in Sachen Tulpenbaum unternehmen konnte. Neben der Magnolienbluete gehört das mit zum Schönsten, was ich bisher bei hierzulande wachsenden Bäumen gesehen habe:
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18. Februar 2007
Lichte Eindrücke
Das Licht war wunderbar an diesem Nachmittag. Und mit ihm kamen ein deutliches Frühlingsgefühl und eine eigenartige Stille, die auf den Spazierwegen entlang der Saar in so starkem Kontrast zum fastnachtlichen Treiben in den Dörfern stand. Wohl deshalb waren auch nur recht wenige unterwegs, Flüchtlinge vermutlich, so wie ich selber. Die neue Kamera braucht das Licht, mehr noch als ihre Vorgängerin, das habe ich geahnt und deshalb auch die schwere Reportertasche mitgeführt, was sich als lohnend herausstellen sollte. Es sind einige Zoom- und Detailaufnahmen entstanden, die meine bereits begonnenen Sammlungen thematischer Makroaufnahmen ergänzen:
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14. Juli 2009
Junge Baumfrüchte
Die Spaziergänge sind vom Eindruck der ersten Baumfrüchte geprägt. Die Landschaft wird dadurch bunter, mit schönen Farbakzenten, die Freude machen und trotz des wechselhaften Wetters vom Sommer zeugen: Pfaffenhütchen, noch unreif; Rote Heckenkirschen; Ebereschen, noch leuchtend orange; Walnüsse, noch nicht verholzt.
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24. April 2011
Osterthemen
Ein schöner Ostersonntag, der für mich ungewohnt mit der Messe am Vormittag begann. Sonst waren wir zusammen in die Osternachtfeier, aber diesmal war das die bessere Wahl. Bei so schönem Wetter kann man den Feiertag eigentlich auch als solchen wahrnehmen. In der Erinnerung geblieben sind mir aus Kindertagen jedenfalls nur die sonnenreichen Osterfeiertage, besonders aus der Zeit, in der wir die ersten Frühlingsblüten in der Wiese pflückten und zuhause als Raumschmuck in die Vase stellten. Welche Blüten das waren, weiß ich nicht mehr, nur dass sie weiß waren. Es gehörte damals mit dazu, neben den Osternestern, dem Eierbemalen, dem Kleppern und anderen Ritualen der Karwoche. Heute ist vielleicht dieses vegetabile Moment etwas stärker geworden, beobachten wir im Garten sitzend die Fortschritte beim Blühen und Grünen unserer Staudenpflanzen und Bäume. Das nehme ich als eine Erweiterung des Spektrums wahr, denn gerade in der Natur offenbart sich uns das Vergehen und Werden, ein Hauptthema des Osterfestes, das ganze Jahr über. So ist Göttliches im natürlichen Detail immer wieder präsent.
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28. Mai 2013
Die unauffällige Blüte des Pfaffenhütchens
Mit der alten Technik wäre so etwas wohl kaum festzuhalten gewesen. Denn die unscheinbaren Blüten des Pfaffenhütchens sind mit einem nicht so gezielt einzugrenzenden Fokus nicht vernünftig ins Bild zu setzen. Der steuerbare Punktfokus in Kombination mit dem guten Makroobjektiv macht es aber möglich, eine der Blüten im Vordergrund scharf zu stellen und damit einen Eindruck zu vermitteln, der dem in der realen Beobachtungssituation sehr nahe kommt. Ich freue mich schon auf die nächsten hoffentlich lichtreichen Sonntagsnachmittage, an denen ich mir für solche und ähnliche Aufnahmen die nötige Zeit lassen kann.
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Das andere Baumtagebuch
Im Laufe der Jahre haben sich vor allem zwei Interessentengruppen herauskristallisiert. Zum einen die Besucher meiner Wunschbaumseiten wunschbaum.de und wunschbaum.com, die ein Interesse an den symbolischen Aspekten der Bäume, am Baum-Mensch-Verhältnis, an der energetischen Ausstrahlung der Bäume eint. Zum anderen die Schüler, die auf der Suche nach Anregungen für ihr schulisches Baumtagebuchprojekt zu meinem persönlichen Baumtagebuch gelangen.
Anregungen für die Schule
Von Schülern erhalte ich verschiedentlich Anfragen nach konkreten Vorlagen für ein Baumtagebuch, das ihnen als Aufgabe im Schulunterricht übertragen wurde. Natürlich kann ich solchen Bitten nicht nachkommen. Vor allem weil mein Baumtagebuch ja gerade nicht dem entspricht, was die Pädagogik darunter versteht, nämlich das Festhalten von zeitlich begrenzten Beobachtungen und die differenzierte Beschreibung eines konkreten Baumes oder einer Baumart, vor allem im Wechsel der Jahreszeiten oder im Verlauf einer Jahreszeit. Dazu finden sich im Web verschiedene Beispiele konkreter Umsetzungen von Schüler/innen und auch eine Reihe pädagogischer Anleitungen und Gliederungsvorschläge. Was ich in diesem Fall aber anbieten kann, und was dem einen oder anderen Schüler sicher auch schon weitergeholfen hat, sind Anregungen. Die Suchfunktion etwa ermöglicht es, die Einträge herauszufiltern, in den bestimmte Stichworte vorkommen. Durch Querlesen lassen sich daraus Ideen gewinnen bzw. können die verschiedenen Kontexte, in denen der Begriff behandelt wird, Anregungen für die Ausgestaltung des schulischen Baumtagebuchs geben. Denn darum geht es ja gerade, die Schüler auf die Beobachtungsspur zu setzen, ihnen den Baum oder die Baumart näher zu bringen, indem sie mit einer gewissen Systematik Merkmale und Veränderungen festhalten, Zusammenhänge herstellen, über die Beobachtung des lebenden Baums hinausgehende Kontexte erschließen. Eine Leistung, die ihnen keiner abnehmen kann, da in diesem Tun der Sinn und Zweck des Tagebuchs besteht. Und wer neben dem Leben auch die Bedeutung z. B. einer Art für die Menschen ergründen und verstehen will, der findet über baumtagebuch.de und die angeschlossene Seite wunschbaum.de jede Menge Informationen und weiterführende Literatur.
Persönliche und geteilte Erfahrung
Mein Baumtagebuch ist also vor allem eines für diejenigen, die sich ohnehin schon mit den Bäumen beschäftigen, eben jene, die auch Interesse an den Themen der Wunschbaum-Website haben. Bis zur Neugestaltung und –programmierung von baumtagebuch.de war ein Duplikat der täglichen Einträge parallel auf wunschbaum.de zu lesen. Wegen der neuen technische Basis wird allerdings seitdem auf die externe WordPress-Seite des Baumtagebuchs verlinkt. In jedem Fall ist durch diese Einbettung bzw. Verbindung eines deutlich gemacht. Das Baumtagebuch ist eine Facette meiner täglichen Beschäftigung mit dem Bäumen. Alles, was ich auch auf anderen Gebieten zur Symbolik, Ästhetik und energetischen Ausstrahlung der Bäume zu sagen habe, fließt auch in das Baumtagebuch ein. Dazu kommen die konkreten Beobachtungen im Alltag, das Festhalten der Rolle, die Bäume in der Kommunikation spielen, die künstlerische und kunsthandwerkliche Arbeit mit Bäumen, Holz und dem Themenfeld Baum. All dies fließt am Ende des Tages ins Baumtagebuch ein. An jedem Tag anders. Und dennoch gibt es wiederkehrende Schwerpunkte, über längere Zeitphasen verfolgte Themen, die von verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und in ihre Facetten aufgelöst werden. Ein ununterbrochener Strom subjektiver Äußerungen über subjektives Erleben, Denken und Gestalten. Eben ein ganz persönliches Baumtagebuch. Das vorgängige Interesse derjenigen, die sporadisch oder regelmäßig mitlesen und damit in gewissem Umfang an meinen Äußerungen teilhaben, zeigt aber, dass in dem so Subjektiven doch etwas Allgemeingültiges steckt. Es sind die Gemeinsamkeiten im Beobachten und Erleben, vielleicht auch im Wissen um Fakten und Zusammenhänge, die ein so individuelles Weblog zu einem respektablen Bezugspunkt der Kommunikation werden lassen. Ich wünsche mir, dass die neu integrierte Kommentarfunktion das kommunikative Potenzial des Projekts künftig stärker unterstützt.
Allen Lesern des Baumtagebuchs danke ich für ihr Interesse. Lassen Sie uns in Verbindung bleiben – über die Gemeinsamkeit schaffende und dieselbe immer wieder aufdeckende Beschäftigung mit den Bäumen unserer je eigenen Lebenswelt.