Das angekommen Sein des Frühlings

Es sind vor allem die Traubenkirschbäume, die in diesen Tagen das Blütenbild unserer Landschaft prägen. Auch die Spitzahorne blühen heftig, nur sticht das nicht so ins Auge, da die Blüten gelbgrün sind und allzu leicht optisch mit dem gleichzeitig auftretenden jungen Laub verschmelzen. Zu allem, was die Baumlandschaft jetzt an grünenden und blühenden Reizen zu bieten hat, erfreut mich der endlich angekommene Gesang der Singvögel am meisten. Was biologisch auch immer die genaue Ursache für den Gesang darstellt, auf uns Menschen wirkt die den ganzen Tag über latente Naturgeräuschkulisse wohl vor allem so, dass wir ein angekommen Sein des Frühlings erkennen. Die Vögel und die Bäume feiern gewissermaßen den Frühling, indem sie die ihnen gemäßen Ausdrucks- und Entfaltungsformen nutzen. Und da kommt mir die Darstellung Rudolf Steiners in den Sinn, der die Bedeutung dieses Frühlingsgeschehens in ein für mich sehr schlüssiges Bild gegossen hat. Jetzt beginnt oder hat schon begonnen das Ausatmen der Erde. Die Geister der Natur, die sich über den Winter in die Erde zurückgezogen hatten, so wie wir uns in die Häuser verkrochen haben, sind wieder an der Oberfläche, die Pflanzen dehnen sich in den Raum aus, erheben sich, streben dem Licht entgegen und breiten damit den Geist in die Weiten des Weltalls aus. Und so ist in Steiners Auffassung auch der Gesang der Vögel zu verstehen. Eine Art Kommunikation mit dem Kosmos, wobei das, was zurückkommt, das Wirken und die Entwicklungen bei uns auf der Erde mitprägen. Ich hoffe, diese Ausdehnung, dieses sich Ausweiten wird uns in einem langen konstanten Frühling und einem ausgedehnten Sommer immer wieder bewusst werden und unser Verständnis der Jahreszeiten und ihrer Rückwirkungen auf uns und unser Denken und Handeln klarer machen. Ein spannendes Thema, von dem ich schon einige Male gedacht habe, dass es zur Modellierung des Lebensbaumbegriffs eine sehr originelle und ungeheuer lebenspraktische Basis bieten könnte.