Baumschnitt-Sünden

Seit Monaten war ich heute in der Mittagsstunde zum ersten Mal wieder am Teich in D. Ein Weg, der zuvor fast täglich zur Mittagspause gehörte. Und in der Zwischenzeit hat sich einiges geändert. Nicht unbedingt zu meiner Freude, denn der Baumschnitt, insbesondere an den Tulpenbäumen und den Roteichen der kleinen Parkanlage, ist in diesem Jahr für meine Begriffe viel zu radikal ausgefallen. Gemessen am noch nicht so fortgeschrittenen Alter der Bäume wurden die Stämme viel zu hoch gehend astfrei gehalten. Oder anders gesagt: alle weiter unten liegenden Äste wurden bis zu einer Höhe von ungefähr 2,50 m einfach entfernt. Es ist jetzt so, als ob die Bäume den dort gehenden und sitzenden Menschen entwachsen wären. Ihre Kronen thronen jetzt quasi über allem. Noch viel zu schmale Kronen, was zu einem unproportionalen Verhältnis zwischen Stamm und Krone und zu einer entsprechend skurrilen Gesamterscheinung der Bäume geführt hat. Schade, dass ich nicht anwesend war, als daran gearbeitet wurde. Ich hätte den Leuten möglicherweise die Meinung gesagt. Für mich ist das ein echter Verlust. Vieles vom bisherigen Charme und der Nähe dieser Bäume wird für immer verschwunden sein. Und unter dem Spitzahorn, dem besten aller Schattenbäume, werde ich im Hochsommer auch nicht mehr von der stechenden Sonne schirmartig geschützt sitzen können. So ist es häufig: Die Leute, die für die Pflege öffentlicher Anlagen zuständig sind, fehlt es meist an Feingefühl, an einem Sinn für Proportion und Verhältnismäßigkeit. Da herrscht allzu oft eine mathematische Denkart vor, die dem Naturfreund und Baumliebhaber in der Seele weh tut.