Das Erkennen des Lebensbaums

Beim Spaziergang habe ich die Feiertagsatmosphäre wahrgenommen. Viele Menschen sind unterwegs an diesem Tag, bei wunderschönem Wetter und dem ersten Tag des Jahres, von dem man behaupten könnte, es sei sommerlich – wenn wir uns auch erst im Frühjahr bewegen. Und so hat auch die Hinterm-Haus-Sitzen-Saison bei uns zuhause begonnen, ein schöner Rahmen für das familiäre Zusammensein, zudem einer, der mir diesen Panoramablick auf den – wenn auch kleinen – Garten ermöglicht. Einen der Begrenzungspunkte des Blicks bildet der kleine Buchsbaum, der so alt ist, wie ich denken kann, und wahrscheinlich noch ein paar Jahre älter. Immer schon haben wir den ,,Palm“ daraus geschnitten, der nach dem Segen des Palmsonntags das ganze Jahr über die Türkreuze im Haus ziert. Wenn man es nicht besser wüsste, man käme nicht auf den Gedanken, dass es sich um einen ca. 40 Jahre alten Baum handelt. Höher als ein Strauch ist er nie geworden, das dünne und kurze Stämmchen misst bestimmt nicht mehr als 6 cm im Durchmesser. Keine Ahnung, vielleicht liegt es an der Art, soviel ich weiß gibt es klein- und großblättrige Varianten. Vielleicht aber auch an seinem Standort: in der Ecke des Gartens, auf der einen Seite die Wand des Hühnerhauses und auf der angrenzenden die hohe Zypressenhecke, so steht er ständig im Halbschatten, erhält er sein Licht nur von zwei Richtungen. Eine treuer und zäher Lebensbegleiter und wenn ich mir das so richtig überlege, unter den Bäumen meiner häuslichen Umgebung der einzig richtige ,,Lebensbaum“, wenn er auch nicht anlässlich meiner Geburt gepflanzt wurde, er hat mein bisheriges Leben begleitet, und außerdem zeichnen ihn einige Eigenschaften aus, die ich auch auf mich beziehen kann: eine ausgeprägte Zähigkeit, Beständigkeit und ein unbedingter Selbstbehauptungswillen auch unter widrigen Bedingungen. Einer, der so leicht nicht unterzukriegen ist, und der – meist unauffällig – da ist, wenn man ihn braucht. Seltsam, dass mir diese Verwandtschaft bisher nie in den Sinn gekommen ist. Ja, die Buchsbäume gehören ab sofort zu meinen Lieblingsarten, neben den Eiben, den Erlen und den Wacholdern.