Das Ende der Zivilisationsklischees

Ich glaube, die Vegetation erobert langsam aber sicher immer größere Teile unserer überzivilisierten Welt. Interessanterweise macht das auch vor dem Gegenpol, den großen Industrieanlagen z. B. nicht Halt. Bei dem Versuch jedenfalls, möglichst typische Außenansichten der Dillinger Hütte einzufangen – wir benötigen diese Ansichten für den Entwurf eines neuen Lern-Malheftes zum Thema Stahl – hatte ich alle Mühe, einige Motive ins Bild zu setzen, in denen nicht irgendein Ast oder Grünzeug von der Seite aus hineinragte. Und aus der Fernperspektive wirkt die ganze Hütte sowieso wie mitten in den Wald hinein gesetzt. So etwas finde ich schön, es zeigt, dass die alten Klischees und immer wieder postulierten Bedrohungs-Szenarien in dieser platten Form einfach nicht mehr greifen. Längst ist (zumindest in Deutschland) eine Gegenbewegung in Gang gekommen, für viele unmerklich, aber dennoch deutlich erkennbar. Eine Bewegung Richtung Natur, die die ohnehin in den Köpfen seit zwei Jahrzehnten gewachsene größere Bewusstheit im Außen spiegelt. Und im Zuge einer sich rückwärts entwickelnden nationalen Wirtschaft erhält diese Beobachtung einen zusätzlichen Signalcharakter: Es gibt noch soviel anderes, nicht nur Geld verdienen, ökonomisches Wachstum und technologische Innovation. All das andere, was unsere Vorfahren, in bestimmten Zeiten mehr, in anderen weniger ausgeprägt, beachtet und geachtet haben, ist heute noch Bestandteil unserer Lebenswelt, den wir wieder sehen lernen müssen. Und der uns neue Dimensionen des Denkens, neue Aufgabenfelder, neue Lebensorientierungen vermittelt, die uns wieder zu einem lebenswerteren Leben zurückführen könnten. Ohne Anstrengung und Wollen wird das allerdings nicht gelingen.