Baumkunst und Lebenserfahrung

Bei der Durchsicht der Pinterest-Querverweise stoße ich immer wieder auf bildhauerische Ansätze, die das Thema Baum und die künstlerische Handhabung des Materials Holz in ähnlicher Weise auffassen und modellieren, wie ich das vor Jahren in eigener Interpretation getan habe. Darunter sind viele Ansätze, die jüngeren Datums sind, was wohl zeigt, dass mein Ansatz damals durchaus als seiner Zeit voraus eingeschätzt werden kann. Allerdings würde es mir heute schwer fallen, genau an diesem letzten Punkt meiner eigenen bildhauerischen Entwicklung anzuknüpfen. Zu viel ist mit mir und der Gesellschaft seitdem passiert, als dass eine bloße Fortführung Sinn machen könnte. Vermutlich muss es ganz anders aussehen. Das bleibt zunächst noch eine offene Frage, da ich den zeitintensiven Weg zurzeit noch nicht gehen kann. Dass er in Zukunft noch einmal beginnt, kann ich mir aber vorstellen. Und auch, dass es dann wieder Sinn macht und echte kommunikative Funktion erfüllt, vielleicht mehr und deutlicher, als ich es in der Vergangenheit umsetzen konnte. Das wäre dann ein Vorzug und auch ein Resultat von umfangreicherer Lebenserfahrung.

Stechpalmenholz satt

V. hat einige kurze Abschnitte der eingegangenen Stechpalme aufgehoben. Vermutlich geht er davon aus, dass ich es für meine Manufakturarbeit verwenden kann. Aber vor einigen Jahren schon war ich bereits auf der Suche nach Stechpalmenholz, das tatsächlich schwer zu finden ist, und wurde tatsächlich in einem nordrhein-westfälischen Baumarkt fündig. Das war schon skurril. Aber das dicke Brett, das über eine Spedition später angeliefert wurde, stellte sich als erstklassiges Material heraus. Deshalb sind meine Vorräte an diesem Exoten üppig und werden sich wohl lebenslang nicht aufbrauchen. Denn die Nachfrage nach Erzeugnissen dieser Art ist nicht sehr groß.

Ein autobiografisches Kapitel abgeschlossen

Im Nachhinein war die damalige Aktion mit dem alten und hohl gewordenen Kirschbaumstamm natürlich ein Flop. Aber das Ganze hatte auch eine nostalgische Note, und deshalb bin ich ganz froh, dass ich es damals angegangen bin. Heute hat das Auseinandersägen in ofengerechte Abschnitte eher Probleme verursacht. Da das lange abgelagerte Holz wie Sand wirkte und die Kettensäge mehrfach stumpf gemacht hat. Aber damit ist jetzt dieses autobiographisch relevante Kapitel auch abgeschlossen. Und ich kann mich neuen Projekten zuwenden.

Nur Brennholz statt Kunst

Traurig ist es schon, dass aus dem lebendigen Erinnerungsstück an meine Zeit im Kunstzentrum am Ende nur Brennholz übrig geblieben ist. Aber der mächtige Kirschbaumstamm, den ich vor ca. 19 Jahren von dort zu mir nach Hause transportiert und dann bis auf eine dünne Wand ausgehöhlt hatte, war eben im Laufe der Jahre dem Holzwurm zum Opfer gefallen. Dabei hatte ich ihn damals mit Holzschutzmittel behandelt, was offenbar keine Wirkung hatte. Es war auch nicht möglich, Teile zu retten, der Wurm hatte großflächig und durch das gesamte Splintholz seine Spuren hinterlassen. Leider nichts mehr zu machen. So bleibt von der potenziellen bildhauerischen Form nur und immerhin ein Haufen guten Brennholzes, der uns einige wohlige Stunden an frostigen Winterabenden bescheren kann.

Mit dem Altern wird Holz lebendiger

Meine Schreibtischplatte, die ich aus einer Kombination von Brettern aus Walnussbaum und Birke zusammengefügt hatte, beginnt die Oberflächengestalt anzunehmen, die ich mir ursprünglich vorgestellt hatte. Vermutlich liegt es daran, dass ich sie schon länger nicht mehr eingeölt habe und sich mittlerweile in dem weicheren Walnussholz schon etliche flache Druckspuren eingegraben haben. Das verleiht dem etwas von der Anmutung früherer Schulbänke, auf denen Generationen von Schülern ihre Gebrauchsspuren hinterlassen haben. Wenn irgendwann einmal auch der mittlere Streifen aus Birke stärker verblasst ist, fängt es an interessant, irgendwie lebendig zu werden. Das ist verrückt, weil das Holz von seinem lebenden Zustand sich immer weiter entfernt. Aber es ist wohl wie bei den Holzperlen, die ich für Armbänder produziere. Das Holz entwickelt irgendwann ein Eigenleben und lebt dann nur noch von seiner gespeicherten Energie und seiner symbolischen Ausstrahlung, die eine Verbindung zu den Eigenschaften der Baumart hält. Es wird zu einem natürlichen Symbol- und Energieträger und lenkt dann interessanterweise die Aufmerksamkeit wieder zurück auf den Baum. Stärker und deutlicher noch als in frisch verarbeitetem Zustand.

Das breite Spektrum der Holzästhetik beobachten

So viele interessante und immer wieder überraschende Ansätze zur kreativen Arbeit mit Holz und dem Thema Baum finde ich gerad ein jüngster Zeit bei Pinterest. Ohne die automatischen Newsmitteilungen würde ich das so gar nicht realisieren, da meine Affinität zu Social Media merklich schrumpft und ich eigentlich kaum noch Zeit in dem Bereich investieren möchte. Aber diese bildhaften Eindrücke mit Links zu den Ursprungsseiten haben oft etwas Anregendes. Das ist dann ausnahmsweise keine Belastung, sondern u. U. eine Bereicherung. Es würde mir nie einfallen, irgendetwas davon sozusagen zu übernehmen. Ich finde es vielmehr interessant, überhaupt zu sehen, in welchen Bereichen sich die Menschen engagieren und wie viel Spektrum rund um das Holz und seine vielfältigen ästhetischen, symbolischen und energetischen Qualitäten beobachtet werden kann.

Plastische Sinn- und Gedankenwelten rund um das Baumthema

Wenn ich die vielen kreativen Ideen im Umgang mit Holz und dem Motivfeld Baum in den Pinterest-Portfolios betrachte, kann ich nur staunen über die schier unendliche Variabilität und Tiefe des Themas. Da sind Anregungen für eigene Arbeiten, aber auch ganz einfach Anschauungsmaterial zu eher fremd wirkende Gedankenwelten, die sich um den Baum und seine Bedeutungen drehen. Manches davon ist eher an Design orientiert, anderes stellt den handwerklichen oder bildhauerischen Prozess in den Mittelpunkt. Und anderes folgt schwieriger zu entschlüsselnden bildnerischen Ideen. Aber das meiste ist spannend und bestärkt mich in meinen vergangenen, aktuellen und hoffentlich auch künftigen Bemühungen, dem Baum immer wieder neue Form- und Sinnebenen zu entlocken und sie Interessierten darstellbar zu machen.

Holzkunst zwischen dekorativ und zeitlos

Die kreativen Objekte und Skulpturen aus Holz, die ich regelmäßig etwa bei Pinterest sehe, zeugen von einem ungeheuren Einfallsreichtum und zeigen, wie endlos und nie abgeschlossen die Möglichkeiten der Gestaltung mit diesem Material sind. Dabei beobachte ich aber einen Trend zu stark dekorativen Denkweisen, die bestimmte Oberflächeneigenschaften der Hölzer, roh oder farbig gefasst, glatt geschliffen oder gröber bearbeitet, aber immer so, dass aus der Oberfläche und der Struktur, oft auch zu seriellen Mustern aus Einzelstücken zusammengesetzt, die Attraktivität erklärt werden kann. Kaum jemand, der den Baum zum Thema macht, jedenfalls nicht in der Weise, wie ich das als Motiv meiner bildhauerischen Arbeit immer verstanden habe. Die Denkweise ist dabei noch gleichgeblieben, einfach weil das rein Dekorative sehr schnell an Spannung und Kraft verliert. Die grundlegenden symbolischen Eigenschaften, die aus der Arbeit mit dem Holz eines Baums hervorgeholt und vermittelt werden können, markieren aber etwas Allgemeingültiges und Zeitloses. Das wird sich nie ändern, aber als Künstler muss man die richtigen Vermittlungsformen finden, und natürlich die künstlerische Umsetzung, der von Zeitgenossen verstanden werden kann, weil sie aktuelles Wahrnehmen anspricht und durch dieses erst seinen Wert erhält. Diese Gradwanderung wäre die größte Herausforderung, sollte ich die künstlerische Arbeit wieder aufnehmen können.