Feigenbaumzögling

Dem kleinen Feigenbaum haben wir heute die abgestorbene Spitze vorsichtig gestutzt. Wahrscheinlich werden wir später im Jahr den unteren der beiden seitlich neu entstandenen Äste kappen, um den verbliebenen als Haupttrieb weiterwachsen zu lassen. Das wird notwendig sein, wenn der Baum sich nicht schon in jungen Jahren mit gegabelten Kronenästen entwickeln soll. Das hat in der Vergangenheit immer dazu geführt, dass die Bäume instabil wurden und an der Verzweigungsstelle irgendwann auseinandergerissen waren. Es ist gerade bei dieser Art wichtig, die Ausbildung eines kräftigen und langen Stamms zu begünstigen und die Wachstumskraft nicht zu früh in die Krone zu verlieren. Auch V. scheint mit dieser Strategie einverstanden zu sein, und hat bei unserem Gespräch über das Schicksal der alten Baums zumindest keinen deutlichen Widerstand mehr gezeigt.

Früher Rückschnitt

V. hat heute seinen geliebten Nashi-Birnbaum geschnitten. Das ist zwar immer nötig, so wuchsfreudig, wie der sich über die warme Jahreszeit zeigt. Aber es scheint mir doch etwas zu früh, da wir immer noch mit empfindlichen Nachfrösten rechnen müssen. Leider wird der Baum trotz des jährlichen Rückschnitts immer höher. In Verbindung mit dem üppigen Laub nimmt er den direkt nebenstehenden Pflanzen dann das Licht. Das war immer schon das große Problem des alten Feigenbaums, der bei dem Versuch, doch noch genügend Licht zu tanken, meterlange Asttriebe ausbilden musste. Dabei hat er sich zuletzt verausgabt, was ihn noch mehr geschwächt hat. Leider werde ich ihn dieses Frühjahr entfernen müssen, eine Rettung ist sicher nicht mehr möglich. Ich hoffe sehr, dass der kleine Nachfolger eine Chance erhält und möglichst schnell in die Höhe wächst. Dann könnte das Problem mit dem Halbschatten abmildern.

Erste Pläne zur Pflanzensaat

Der Bauernkalender macht jetzt schon darauf aufmerksam, dass die ersten Pflanzen auf der Fensterbank aus Samen vorgezogen werden können. Wahrscheinlich ist das eine Standardempfehlung, die von „normalen“ Wetterjahren und jahreszeitlichen Verläufen ausgeht. Möglicherweise ist das in diesem Winter anders. Jedenfalls sieht es aktuell so aus, als ob durchaus noch längere Phasen mit frostigen Nächten und kalt-nassen Tagen bevorstehen. Für das, was ich mir an Eigenzüchtungen vorgenommen habe, ist wohl der März noch früh genug. Ich denke vor allem an die Chilisamen, die ich im Vorjahr gesammelt und getrocknet habe. Die Ausbeute an Schoten war ziemlich gering, aber es sind doch ziemlich viele Samen, so dass ich diesmal mehr aussähen und hoffentlich auch ernten kann. Die extravagante Schärfe dieser Sorte hat es mir durchaus angetan. Die anderen Samen werde ich wohl eher direkt in die Erde setzen, und das natürlich deutlich später: Sonnenblumen und Rizinus sind recht unempfindlich und wachsen schnell. Dafür muss es dann doch stabile frostfrei sein und der Frühling muss schon in vollem Gange sein. Bei den Chilis ist das frühzeitige Säen sicher von Vorteil, auch wenn die Pflanze sehr spät wirklich in Fahrt kommt und sehr spät erst reife Frucht trägt. Im Frühjahr steht dann noch ein anderes, aufwändigeres Projekt an: M. will die entfernte Zypressenhecke ausgleichen. Dafür müssen wir noch geeignete Gehölze finden, die sich nicht allzu stark ausbreiten. Eine schwieriges Vorhaben, von dem ich nicht weiß, ob am Ende nicht doch wieder die vorübergehende Bepflanzung mit Sonnenblumen und Schwarzäugiger Susanne steht, die dann jedes Jahr wieder erneuert werden müsste.

Im richtigen Licht festhalten

Das Licht heute war wieder verlockend, aber die lange aufgeschobene Spannungslektüre hat mich dann doch von der Exkursion abgehalten. So habe ich die Helligkeit und das Wärmende der einfallenden Sonnenstrahlen auch drinnen genossen und meine Gedanken schon einmal in Richtung der nächsten Landschaftsstreifzüge gelenkt, die hoffentlich Gelegenheit bieten, die ersten Anzeichen des Frühlings in Fotos festzuhalten. Die neueren Bilder vom Frühjahr 2017, von gesägten Stammquerschnitten vor allem, die den Einzug in meine Portfolios gefunden haben, flinden jedefalls aktuell zunehmend wieder Interessenten. Ein zeichen für mich, dass ich mit meinen Kernmotiven aus den Feldern Baumdetails, Holzstrukturen und organische Oberflächen richtig liege. Denn die sind immer wieder als Gestaltungsgrundlage, Hintergrund oder Symbolgeber geeignet und beliebt. Gut, dass ich den besonderen Blick dafür habe, um solche Ausschnitte und Momente in der Landschaftsszene auch ausfindig zu machen und im richtigen Licht festzuhalten.

Die Einheit des Differenten vergegenwärtigen

Für mich gibt es keine bessere Strategie bei miesem Wetter, als das fehlende Licht und den Mangel an Wärme durch Holzarbeit im Haus auszugleichen. Die ohnehin ablenkungsfreie Arbeit ist an solchen Tagen noch intensiver. Da kann ich mich ganz dem Material, seinen Eigenschaften und der Art seiner Bearbeitung widmen. Ein Abtauchen in die Material-, Energie- und Symbolwelt der Hölzer und zugehörigen Bäume. Eine Art Meditation, die sehr geeignet ist, auf den Nullpunkt zurückzukehren. Manche nennen das Erdung, die für mich durch nichts so authentisch und intensiv wirkt wie in der Arbeit mit Hölzer und Bäumen. Es ist dies eine der spannendsten Dimensionen der Winterzeit, weil es die andere Seite des Offensichtlichen offenbart. Dass im Kalten und Dunklen immer auch das Warme und Helle angelegt ist, das zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen wieder zu Vorschein kommt. Obwohl wir das eigentlich wissen, ist doch immer wieder notwendig, sich diese Vorstellung einer Einheit des Differenten zu vergegenwärtigen. Wir sehen dann letztlich uns selbst, unsere menschliche Verfassung in dieser Erkenntnis gespiegelt.

Licht auftanken

Eigentlich hatte ich das für heute nicht geplant. Aber nachdem schon die Mittagsstunde wegen der anhaltenden Sonne zu einem Spaziergang einlud, war auch der Nachmittag wie gemacht für die kunsthandwerkliche Arbeit. Bei so viel Licht hat die Arbeit mit Kiefer, Bergahorn, Birke und Walnussbaum wirklich Freude gemacht. So bin ich, von der immer wieder herausfordernden Kiefer einmal abgesehen, mit den restlichen Stäben auch sehr zügig vorangekommen. Eine gute Grundlage für die weiteren Bearbeitungsschritte, die ich auf die nächste Woche verteilen werde. Und schließlich wissen wir, dass der Winter noch einige ungemütliche Seiten parat hat. Auch denen ich auf dem Spaziergang begegnet bin, konnte man ansehen, wie süchtig sie nach dem Licht sind und wie gut das Auftanken dann tut.

Gestaltungspläne

Selten hatte mich die Technik derart in ihren Bann gezogen. Dabei sind nicht selten knifflige Probleme zu lösen, deren Lösung eine Erleichterung darstellen, was häufig ein langer Weg ist. Eigentlich wäre es auch für die Wunschbaumpräsenz an der Zeit, eine gute neue Lösung zu finden. Ich hoffe, das wird in den nächsten beiden Jahren möglich sein, denn das ist auf Grund des Umfangs natürlich eine zeitaufwändige Sache. Auch weil mit einer Neugestaltung gleichzeitig auch die Inhalte unter aktuellen Gesichtspunkten noch einmal überarbeitet werden sollten. Das braucht, gerade wegen der längeren Geschichte dieser Initiative die richtige Einstellung und einen langen Atem, an dessen Ende sicher eine gelungene Neuauflage stehen wird.

Den Frühling herbeisehnen

Wieder ein so schöner und heller Wintertag. Da macht es wieder Freude, raus zu gehen, auch wenn die Baumlandschaft immer noch ihre Reize vermissen lässt und die Wege noch ziemlich matschig sind. Allein die Helligkeit ist eine Wohltat nach diesen vielen Monaten mit ungewöhnlich viel Regen und Dunkelheit. Ich warte auf die ersten Farbakzente, die ersten frisch grünen Blätter der Bäume und Sträucher. Erst dann wird das Licht seine ganze Stärke entfalten, wenn es sich in den Farben von Blättern, und frühen Blüten spiegelt. Selten habe ich einen Frühling so sehr herbeigesehnt.

Luxusgespräche

Kaum ist das Licht zurückgekehrt, begegne ich draußen auch alten Bekannten. Solchen, mit denen mich das Spazierengehen auf Lieblingswegen verbindet. Auch wenn bei solchen Begegnungen nicht viel geredet wird, merkt man in den Momenten doch eine Art unausgesprochenen Gleichsinn, eine durch den gemeinsamen Zug nach draußen geknüpfte Verbindung, die wohl ohne diesen Gleichsinn niemals entstanden wäre. So ist das Baumthema in den letzten beiden Jahrzehnten für mich immer auch ein Kommunikationsstifter gewesen. Die Verbundenheit über ein zeitloses Themenfeld und gemeinsames Interesse in diesem Bereich ist echter und anhaltender als andere Formen. Ich schätze das sehr, wie ich auf der anderen Seite den Schwund zweckloser Kommunikation nur zutiefst bedauern kann. Es ist heute tatsächlich keine Selbstverständlichkeit mehr, eher eine Art Luxus geworden, sich einem Gespräch um des Gesprächs und des gemeinsam liebgewonnenen Themas willen zu widmen.

Die im Licht wieder zum Leben erwachen

An der Sonne und dem zum Teil schon gleißenden Licht konnte man heute bereits eine Vorahnung vom Frühling haben. Auch wenn die Temperaturen noch gar nicht frühlingshaft ausfallen und die Nächte sogar grimmig kalt werden können. Aber im Licht betrachtet geraten auf einmal auch die Bäume wieder ins Blickfeld und werden als lebendige Wesen wieder aktuell, nachdem der Winter monatelang von symbolartigen Zugängen zum Baumthema geprägt war. Dann macht auch die Arbeit mit Holz wieder mehr Freude, weil das Licht eine stärkere Beziehung zum Holz hat und all die Energie, die in ihm steckt und die es aus den Lebzeiten des Baumes in sich aufgenommen hat, erst im Licht zum Leben erwacht. Ein Vorteil bei der Bearbeitung und für das gedankliche Durchdringen der Arbeiten. Also ein Anfang, von dem ich hoffe, er wird bald auch in ausgedehnten Spaziergängen, fotografischen Erkundungen und einfacher Beobachtung der sich frühlingshaft verändernden Baumlandschaft seine Fortsetzung finden.

Diesmal das Äußerste des Winters

Von meiner Seite aus könnten wir den Holzofen auch jetzt, gegen Ende des Winters, noch anfeuern. Leider finde ich dafür keine Unterstützung. Dabei ist das Wetter derzeit wohl das äußerste, was in dieser Saison zu erwarten ist. Leichte Minusgrade. Dazu Nacht- und Morgenfrost, an einigen Tagen auch Schnee, der sich bei uns allerdings nicht lange hält und schnell in Schneeregen übergeht. Ungemütlich, kalt und nass genug, um die Vorzüge des Holzbrandofens, diese wohlige Wärmeabstrahlung genießen zu können, die sich in alle Räume ausbreitet und nach einigen Wochen die letzte Feuchte aus den Wänden vertrieben hat. So aber wird sich der Vorrat an Obstbaum-, Buchen- und Fichtenholz, das wir im Sommer ofengerecht zurechtgeschnitten haben, erst gar nicht abbauen und den ganzen Sommer über auf den nächsten Einsatz warten müssen. Als kleine Kompensation habe ich heute wieder einen großen Topf Chai-Tee zubereitet. Der bringt mit seinen vielen Gewürzen die Wärme von innen, die vom Ofen nicht mehr zu erwarten ist.

Nahtlose Anknüpfung

Nach längerer Pause war die kunsthandwerkliche Arbeit heute wieder eine schöne Anknüpfung. Diesmal ging es wieder um die Kiefer, die mich in den letzten Monaten schon häufiger beschäftigt hatte. Interessant ist für mich festzustellen, dass auch lange Unterbrechungen nichts bedeuten. Die Arbeit, die einzelnen Abläufe gehen auch dann absolut routiniert von der Hand, was zeigt, wie viel Erfahrung ich inzwischen mit diesen Arbeiten angehäuft habe. Und am schönsten ist, dass es immer noch enorm Spaß macht, auch noch nach 15 Jahren. Deshalb freue ich mich sehr auf das neue Projektjahr und auf die vielen noch bevorstehenden Holzarbeiten.

Närrische Ersatzsymbolik

Vom inzwischen schon traditionellen Nachtumzug höre ich an diesem Abend so gut wie nichts. Vielleicht ist es den Narren dann doch zu kalt. Und wie man hört, sieht man ohnehin fast nichts. Bei klirrender Kälte ist das wahrscheinlich nicht die größte Freude. Dennoch sind die Fastnachtstage immer noch ein Thema in Gesprächen. Ich glaube, daran knüpfen sich für die meisten Erinnerungen, die bis in die Kindheit reichen. Und die zeitlose Atmosphäre dieser Tage ist gerade in diesem Jahr sehr deutlich zu spüren. So gibt es immer noch bestimmte Konstanten, die auch für mich das große Baumthema, das sonst für Beständigkeit und zeitlose symbolische Stärke steht, in diesen frühen Fastnachtstagen in den Hintergrund getreten und ein Stück weit kompensiert.

Fastnachtstraditionen sind hartnäckig

Es ist erstaunlich, wie wenig sich die Fastnachtsbegeisterten von der Kälte irritieren lassen. In Fastnachtshochburgen mit alten Traditionen sowieso nicht. Das ist eine Frage der Ehre. Aber auch bei uns melden sich die Traditionen selbst bei diesem ungemütlichen Wetter lautstark wie lange nicht. Sollte sich der Unbeweglichkeitsstau tatsächlich aufheben? Die Natur lässt keinerlei Aussagen zu einer Aufbruchsstimmung zu. So wird uns der Winter noch länger im Griff haben, auf seine eigene unberechenbare Weise. Und die Zeit für das leuchtende Grüngelb der Spitzahorne scheint noch lange nicht gekommen.

Persönliches Baumtagebuch von Bernhard Lux: Täglich begegne ich den Bäumen auf vielfältigen Wegen. An ihrem jeweiligen Standort in der Natur, in der Lektüre von Baum- und anderer Literatur, in der alltäglichen Reflexion, der handwerklichen Arbeit und im Gespräch mit der Familie oder Freunden und Kollegen. Es ist mir ein Bedürfnis, diese themenbezogenen Beobachtungen, Interaktionen und Kommunikationen in Form des Baumtagebuchs zu dokumentieren. Seit dem 20. November 2004 habe ich keinen einzigen Tag ausgelassen – ein Zeichen dafür, dass das Baumthema und der Baum als Archetypus tatsächlich im Alltagsleben verankert ist und vielfältige inhaltliche Assoziationen ermöglicht. So mag dieses Baumtagebuch jeden seiner Leser/innen auf die Spur einer je eigenen Beziehung zu den Bäumen führen.