Veränderungen auf Jahreszeiten bezogener Kulturäußerungen

V. redet immer noch von der alten Kettensäge und ob es sich lohnt, sie noch einmal zu reparieren. Das klingt umso unnötiger, als die Notwendigkeit schwindet, noch mehr Brennholz auf Vorrat zu legen. Denn wie es jetzt scheint, geraten wir erst gar nicht in Temperaturbereiche, die den Holzbrand sinnvoll machen. Vielleicht bleibt es in diesem Winter ja tatsächlich überflüssig. Der Heizölverbrauch wird dadurch zwar etwas höher ausfallen, aber der Holzvorrat dafür unvermindert bleiben. Vielleicht freue ich mich aber auch zu früh und die Jahreszeit hat sich einfach zu entschlossen, deutlich später zu beginnen. Wir müssen unter dem Einfluss des Klimawandels tatsächlich mit allem rechnen. Lieber als ein später und sich möglicherweise weit ins Jahr hinein erstreckender Winter wäre mir allerdings ein direkter Übergang ins Frühjahr. Dafür würde ich dann auch die Undeutlichkeit dieser kalten Jahreszeit in Kauf nehmen. Wenn die Temperaturen zur falschen, weil untypischen Zeit kommen, ist das Erleben der Jahreszeiten auch einfach nicht mehr dasselbe. Ich habe immer die Befürchtung, dass diese Verschiebungen und extremen Schwankungen unser Kulturerleben in Mitteleuropa massiv beeinträchtigt. Alles, was sich an den Jahreszeiten festmacht an kulturellen Äußerungen und Traditionen muss sich doch mit dem Verschwinden der gewohnten Jahreszeiten selbst verändern oder gar verschwinden, wenn seine Funktion nicht mehr erkennbar wird oder sich Bedeutungen verschieben. In meinen Augen wäre das ein herber Verlust, der durch die Spiegelfunktion der Bäume und anderen Grünpflanzen nicht vollständig kompensiert werden kann. Deren Wachstumsrhythmus wird nämlich in gleichem Maße verändert und taugt dann nicht mehr in derselben Form als Orientierung und Signalgeber.