Die Geburt des Christus Jesus in uns

Ich bin froh, die verschiedenen Vorträge Rudolf Steiners zum Weihnachtsbaum und der geisteswissenschaftlichen Bedeutung des Weihnachtsfestes genau in der Reihenfolge gelesen zu haben, in der sie damals gehalten wurden. Nach dem Vortrag über den Weihnachtsbaum als Symbolum von 1909 und den beiden Vorträgen über den historischen Wandel der Weihnachtssymbolik von 1910 waren heute die 1914 nach Kriegsbeginn an den beiden Tagen nach Weihnachten gehaltenen Vorträge über das Erkennen des Christus Jesus im Fest, die ich heute aufnehmen durfte. In diesen beiden jüngeren Texten spannt Steiner einen weiteren Bogen, der über die Symbolik des Weihnachtsbaums und einzelnen Überlieferungen im Zusammenhang des Festes hinausgeht. Es geht eigentlich darum, dass die veräußerlichte Wahrnehmung des Gottessohnes, die mit der frühen Christenheit bereits einsetzte im Zuge modernen geisteswissenschaftlichen Strebens wieder aufgehoben oder besser ergänzt werden sollte durch ein Erkennen der geistigen Entität hinter dem Kinder in der Krippe. Das Bewusstsein dafür, dass dieses Kind ein höchstes Geistwesen verkörperte, welches schon vorher die Geschicke der Menschen gesteuert hatte, damals aber als Mensch unter Menschen erstmals einen sichtbaren Einfluss auf die Weltgeschichte genommen hatte, soll stärker betont werden. Es geht ihm dabei zum einen um ein spirituelles Christusverständnis, aber auch, und das ist eigentlich nicht zu trennen, um die Erweckung der Christus-Erkenntnis in uns, die nach einer langen Phase der körperhaften Darstellung des Gottessohnes heute wieder gesucht werden sollte. Es ist eine Art fortgeschrittene Fortführung eines eher geistigen Schauens, das in vorchristlicher Zeit noch im Mithraskult, im Manichäertum und in der Gnosis mit absteigender Intensität möglich war, danach aber vollständig verloren gegangen war. Auch wenn diese geistige Schauen nach einem langen Zeitalter materialistischer Weltauffassung sicher ein anderes sein muss, ist die Richtung in den Worten des von Steiner zitierten christliche Mystikers Angelus Silesius doch sehr schön zum Ausdruck gebracht:
,,Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

Das ist für mich eine sehr anregende Formulierung zum Ende der Weihnachtszeit, die mir wichtige Erkenntnis, aber auch einigen Stoff zum weiteren Nachforschen mit auf den Weg dieses Jahres gibt.