Zwischen Sinnen und geistiger Welt

,,Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“
Franz Kafka
Dieses Zitat auf einer Geburtstagsgrußkarte des Verlags Jokers fand ich sehr schön, vor allem weil man vermuten könnte, sie hätten es für mich speziell ausgesucht. Tatsächlich ist das Schöne für mich schon immer eine motivierende Größe gewesen, was mein Denken und Arbeiten sehr stark bestimmt. Dabei sehe ich Schönes nicht nur im engeren Bereich von Kunst und Gestaltung. Es kommt in allen erdenklichen Lebensvollzügen, Handlungen, Gesten, sozialen und kulturellen Formen zum Ausdruck. Jedenfalls wenn man eben diese Fähigkeit besitzt oder, mindestens genauso spannend, auch selber in der Lage ist, Schönes zu produzieren und anderen zur Verfügung zu stellen. Ich versuche beständig beides: Das Schöne im Sein, Handeln und in den Produkten anderer zu erkennen, in mir aufzunehmen und zu verarbeiten. Und eben auch selber von mir als schön Empfundenes und Gemeintes ins Leben zu rufen, vermittelbar und teilbar zu machen. Die beiden entzückenden Weihnachtsbäumchen, einer aus Porzellan, einer aus Metall mit Emailleelementen, die ich heute als Geschenk erhalten haben, gehören in die erste Kategorie. Was ich aus dem Sammeln von Weihnachtsbaumdarstellungen und -formen mache und in meine eigene schöpferische Arbeit einbringe, gehört in die zweite Kategorie. Ich bin sehr froh, dass von mir ehrlich als schön empfundene Dinge, in einer mir eigentümlichen Weise in Formen gegossen, um es bildhaft auszudrücken, von vielen Menschen in gleicher oder ähnlicher Weise verstanden werden. Das dies möglich ist, hat viel mit der häufig unterschätzten oder gar nicht wahrgenommenen Verbindung von sinnenhafter Wahrnehmung und dem Eindringen in geistige Welten zu tun. Diesen Zusammenhang hat Rudolf Steiner in einem heute gelesenen Vortrag über ,,Die zwölf Sinne des Menschen in ihrer Beziehung zu Imagination, Inspiration, Intuition“ sehr anschaulich dargestellt. Es zu schaffen, sinnenhafte Eindrücke tatsächlich auch zu nutzen, um in der geistigen Welt Spuren zu hinterlassen und nicht nur von dieser beeinflusst zu werden, ist ein gutes Gefühl. In der Regel können wir solchen Erfolg an den Reaktionen anderer, d. h. an der Kommunikation ablesen. Aber Kommunikation ist nur Mittlerin, sie hilft eine Gemeinsamkeit zu aktualisieren, die in einer geistigen Welt immer schon existiert, die aber durch unser in der Welt Sein unsichtbar geworden zu sein scheint. Imagination, Inspiration und Intuition sind Möglichkeiten, Verbindung mit dieser Welt aufzunehmen und in dieser Verbindung und ihrer Kommunikation anderen gegenüber ein Stück der Gemeinsamkeit zurück zu gewinnen. Diese theoretische Betrachtung deckt sich ziemlich genau mit dem, was ich einst in meiner Magisterarbeit über die Möglichkeiten ästhetischer Kommunikation herausgefunden habe. Der anthroposophische Ansatz, welcher in der Denkart meiner einmal erlernten Wissenschaft sicher nicht als wissenschaftlich anerkannt worden wäre, weitet den Rahmen über die Welt des Ästhetischen hinaus und ist damit der Art, wie wir leben, sicherlich näher. Vielleicht finde ich durch die weitere Lektüre von Steiner-Texten wieder zu meinen ureigenen Themen, die mir durch zuviel Wissenschaftlichkeit, aber auch durch die Konzentration auf praktische Kommunikationsarbeit, in den letzten Jahren aus dem Blick geraten scheint. Das ist ein Wunsch und auch eine Hoffnung für die kommenden Lebensjahre.