Lebensteile

Es ist schön, in der Stadt herum zu spazieren, wenn man keinen Druck hat, oder auch einfach mal zwischendurch. Das macht den Kopf frei und schärft den Blick für Dinge, die einem sonst nicht auffallen, aber sehr reizvoll sind. So gibt es unzählige Seitenstraßen, unbeachtete Winkel, kleine Parkstreifen oder Erholungsgärten, die von Anwohnern genutzt werden, dem zeitweiligen Besucher aber gewöhnlich nicht bewusst werden. Irgendwo habe ich einmal von einer Spazier-Wissenschaft gehört. Dabei handelt es sich um eine Art Architekturdidaktik, die Chancen und Schwachstellen urbaner Architektur aus der Perspektive dessen betrachtet und beurteilt, der sich einen ihm bislang unbekannten städtischen Raum gehend erschließt. So etwas ähnliches praktiziere ich schon seit vielen Jahren, ohne damit wissenschaftliche Absichten zu verfolgen, einfach weil man so mehr von seiner Umgebung hat. Auf solchen Streifzügen entdecke ich natürlich auch immer wieder Bäume, alte oder seltene, Ziergehölze oder verbreitete heimische Arten, häufig bis dahin ungesehene Raritäten, die das Stadtbild und die Lebensqualität der Menschen ganz wesentlich beeinflussen. Das Erstaunliche daran ist, dass den meisten Menschen diese starke Wirkung der Bäume nicht bewusst ist. Sie erkennen sie erst dann, wenn ein Baum oder ganze Reihen von Bäumen entfernt oder vom Sturm entwurzelt werden und dann plötzlich klar wird, das etwas Prägendes fehlt, das mehr ist als nur ein Ding, nämlich ein Lebewesen, mit dem wir große Strecken unseres eigenen Lebens teilen.